Buben in den Wäldern verscharrt
Über Jahrzehnte haben sich hartnäckige Gerüchte gehalten, dass die Erziehungsmaßnahmen in der Bubenschule in der Kleinstadt Mariana im US-Bundesstaat Florida äußerst barbarisch waren. Als die Vorwürfe überhandnahmen, ordnete der damalige Gouverneur Charlie Crist 2008 Untersuchungen ein. Beweise für Missbrauch wurden offiziell keine gefunden, dafür Dutzende geheime Gräber.
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In den vergangenen 60 Jahren haben sich Hunderte Männer gemeldet, die Horrorgeschichten über die Zustände in der als Besserungsanstalt geführten staatlichen Dozier Boys School in dem kleinen Städtchen Mariana in Florida berichteten. Sie haben sich unter dem Namen „White House Boys“ („Die Buben vom weißen Haus“) zusammengeschlossen, um ihren Vorwürfen mehr Nachdruck zu verleihen. Der Name stammt vom weißen Gartenhaus auf dem Schulgelände, in dem sie schwer misshandelt worden sein sollen. Einige sollen nicht mehr lebend aus dem Gebäude gekommen sein.

AP/Phil Coale
In diesem weißen Gartenhaus sollen die Schüler brutal geschlagen worden sein
Dutzende unidentifizierte Gräber
Die Vorwürfe wogen so schwer, dass 2008 der damalige Gouverneur von Florida, Crist, Untersuchungen anordnete. Die „White House Boys“ und ehemalige Mitarbeiter der mittlerweile geschlossenen Anstalt wurden befragt. Doch es konnten keine Beweise für kriminelle Handlungen vonseiten der Schule festgestellt werden. Auch die 31 Gräber auf dem schuleigenen Friedhof wurden identifiziert. Doch im Wald rund um die Schule wurden fast 50 weitere Gräber gefunden - von toten Schülern, die es offiziell nie gegeben hat.
Prügel statt Erziehung
Die Dozier School for Boys hat eine lange Geschichte. Sie wurde 1900 als staatliche Umerziehungsanstalt gegründet und war lange für ihre brutalen Erziehungsmaßnahmen berüchtigt. Schon 1903 gab es Berichte, wonach Kinder dort in Ketten gehalten werden. Aus den 1950er und 1960er Jahren gibt es viele Berichte über schwere Misshandlungen. 2008 wurden Untersuchungen eingeleitet. 2011 wurde die Schule aus Geldmangel geschlossen
„Hier handelt es sich um Kinder, die an diese Schule kamen und aus welchem Grund auch immer hier starben und einfach in den Wäldern versteckt wurden“, erklärte Erin Kimmerle, Anthropologin der Universität von South Florida, die mit ihrem Team die Gegend rund um die ehemalige Schule untersucht. Denn die Ermittlungen haben gezeigt, dass an der Schule seit ihrer Eröffnung 1900 knapp 100 Buben starben. Von vielen Toten gibt es weder Hinweise über die Todesursache noch Angaben zu den Grabstätten.
Mit speziellen Radargeräten wurde das 560 Hektar große Schulareal abgesucht. In der Nähe des Friedhofs wurden die Überreste von 18 unbekannten Kindern gefunden, insgesamt wurden 49 Stellen identifiziert, unter denen weitere Leichen vermutet werden. Auch ein zweiter, bisher unbekannter Friedhof wurde nach Hinweisen von ehemaligen Schülern und Mitarbeitern entdeckt. Es wird vermutet, dass hier in der Zeit der Rassentrennung nur schwarze Jugendliche begraben wurden.
Verwandte wollen Klarheit
Woran die Jugendlichen starben, kann - wenn überhaupt - erst nach der Öffnung der Gräber festgestellt werden. Doch dafür müssen die Wissenschaftler erst die Zustimmung der Angehörigen abwarten. Allerdings drängt die Zeit, denn der Bundesstaat will das Gelände verkaufen. Doch die Spurensuche nach Verwandten wird schwierig. Denn viele Todesfälle seien vertuscht worden, so der Vorwurf der „White House Boys“.
Auch die 83-jährige Ovell Smith Krell sucht Klarheit über den Tod ihres Bruders Owen, der 1940 an diese Schule kam, nachdem er von zu Hause ausgerissen war, um in Nashville als Musiker Karriere zu machen. Er wurde in einem gestohlenen Auto aufgegriffen und landete wie viele andere Ausreißer oder vermeintliche Kriminelle in dem damals als Besserungsanstalt geführten Institut. Wenige Monat später war Owen tot. Offiziell weil er sich bei einem weitere Fluchtversuch eine Lungenentzündung geholt habe, wie Krell gegenüber CNN erzählt.
Doch ein Schulkamerad habe ihr verraten, dass drei Männer ihrem Bruder auf der Flucht erschossen hätten. Den Eltern wurde die Herausgabe der Leiche verweigert, als sie bei der Schule ankamen, war Owen schon beerdigt. Krell hofft nun, mit Hilfe der Forensiker das Schicksal ihres Bruders aufklären zu können und ihm ein „anständiges Begräbnis“ zu ermöglichen.
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