Schavan weist Vorwürfe zurück
Die gegenüber der deutschen Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) erhobenen Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit verdichten sich. Ein Gutachter der Uni Düsseldorf erkennt an etlichen Stellen der Dissertation „das charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise“, wie der „Spiegel“ vorab berichtete. Schavan selbst wehrt sich gegen den Vorwurf, sie habe bei ihrer Arbeit absichtlich getäuscht.
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In dem vertraulichem 75-seitigen Papier stellt der Gutachter demnach bei Schavan „eine leitende Täuschungsabsicht“ fest und beanstandet Textstellen auf 60 der 351 Seiten der Dissertation.
Schavan „betroffen“ und kampfbereit
„Die Unterstellung einer Täuschungsabsicht weise ich entschieden zurück“, sagte Schavan am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Es trifft mich. Es trifft mich im Kern. Es trifft den Kern von dem, was mir wichtig ist“, sagte die CDU-Ministerin der „Süddeutschen Zeitung“. Sie habe sorgfältig gearbeitet, hätte hier und da aber auch noch sorgfältiger formulieren können.
In der „Südwest Presse“ (Montag-Ausgabe) sprach die CDU-Politikerin von einem „unmöglichen Verhalten“ und kündigte an: „Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als mich zu wehren. Das heißt, ich werde zu den Vorwürfen Stellung beziehen. Ich lasse mir das nicht bieten.“ Auch wenn sie sich nach mehr als 30 Jahren natürlich nicht mehr an alle Einzelheiten genau erinnern könne: Wo sie in ihrer Doktorarbeit eine Primärquelle zitiert habe, „hatte ich eine“, sagte Schavan. „Ich habe keine Quelle bewusst falsch angegeben und bislang auch keinen Fehler entdeckt.“ Schavan ist eine der loyalsten Ministerinnen von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Kabinett und gilt als ihre Vertraute.
Erste Vorwürfe Anfang Mai
Schon Anfang Mai waren auf der Website Schavanplag.wordpress anonym Vorwürfe gegen die Doktorarbeit Schavans erhoben worden. Die Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf kündigte daraufhin eine Prüfung an. Das geschah auch auf Bitte der Ministerin. Schavan hatte 1980 mit der Arbeit unter dem Titel „Person und Gewissen - Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“ den Doktortitel erlangt.
„Signifikante Mehrzahl von Befundstellen“
Verfasser des Gutachtens ist laut „Spiegel“ der Professor für Jüdische Studien, Stefan Rohrbacher, der zugleich dem mit dem Prüfungsverfahren befassten Promotionsausschuss vorsteht. Sein Papier ist die Grundlage für Beratungen des Promotionsausschusses voraussichtlich am Mittwoch. Neben Rohrbacher sitzen im Ausschuss drei weitere Professoren, zwei wissenschaftliche Mitarbeiter und ein Studentenvertreter. Sie geben eine Empfehlung an den Fakultätsrat ab, der dann über eine Aberkennung des Doktortitels zu entscheiden hat.
„Eine leitende Täuschungsabsicht ist nicht nur angesichts der allgemeinen Muster des Gesamtbilds, sondern auch aufgrund der spezifischen Merkmale einer signifikanten Mehrzahl von Befundstellen zu konstatieren“, heißt es demnach in der Analyse.
Anders als bei früheren Plagiatsvorwürfen gegen Politiker - etwa im Fall des zurückgetretenen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) - ging es bei Schavan nicht um die Übernahme kompletter Textstellen aus anderen Veröffentlichungen. Schavan wird vor allem vorgeworfen, Quellen nicht vollständig aufgelistet und zum Teil auch „verschleiert“ zu haben.
Schon früh Rücktritt gefordert
Laut „Spiegel“ kannte Schavan das Gutachten am Freitagabend noch nicht. Damit konfrontiert, habe sie mitteilen lassen: "Die erhobenen Vorwürfe treffen mich tief und schmerzen mich sehr; soweit die Fakultät mir Gelegenheit dazu gibt, werde ich nach sorgfältiger Prüfung dazu Stellung nehmen.
Martin Heidingsfelder, Gründer der Internetplattform VroniPlag, die Belege für Plagiatsfälle in wissenschaftlichen Arbeiten sammelt, hatte Schavan bereits nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Mai zum Rücktritt aufgefordert. „Wer nicht weiß, wie man richtig zitiert, kann nicht Bundesforschungsministerin und Professorin sein“, hatte der bekannteste deutsche Plagiatsjäger damals gesagt.
Heidlingsfelder wirkte bei der Aufdeckung von Plagiatsvorwürfen gegen mehrere Spitzenpolitiker wie Guttenberg und die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin mit.
SPD fordert Aufklärung
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sprach von einem schwerwiegenden Vorwurf. „Frau Schavan hat an Herrn zu Guttenberg strenge Maßstäbe angelegt. Sie muss klären, ob diese Maßstäbe auch für Sie selber gelten.“ Die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), forderte für Schavan eine faire Chance, sich zu den Vorwürfen zu äußern. „Wenn sich die Vorwürfe allerdings bewahrheiten, dann muss sie zurücktreten“, sagte Burchardt der „Mitteldeutschen Zeitung“
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