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„Im Sumpf“ stecken nur „die anderen“

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat sich beim SPÖ-Parteitag in St. Pölten schon einmal für den Wahlkampf im kommenden Jahr warmgeredet. Gemäß dem Veranstaltungsmotto „Mehr Gerechtigkeit“ warb er in seinem rund 50-minütigen Grundsatzreferat für eine Verkleinerung der Kluft zwischen Arm und Reich. Etwas überraschend thematisierte der Kanzler auch offen die Inseratenaffäre.

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Er wolle die Inseratenaffäre nicht mit Korruptionsvorwürfen gleichgesetzt haben. Man könne der Meinung sein, dass zu viel inseriert wurde, es könne aber nicht so sein, dass der „politische Mitbewerber“ meine, seine Inserate seien die guten und die der SPÖ die schlechten: „So blöd sind wir nicht.“ Dass er nicht im U-Ausschuss erschienen ist, begründete Faymann nur indirekt. Dieser sei keine Wahlkampf-Plattform.

Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ), der quasi für ihn erschienen war, wurde ein Extralob verpasst: „Er hat es gut gemacht im U-Ausschuss.“ Die SPÖ lasse sich jedenfalls von den anderen Parteien, „die im Sumpf stecken“, in nichts hineinziehen. Wer den Unterschied zwischen persönlicher Bereicherung und Inseraten nicht kenne, dem erkläre er ihn gerne.

Wehrpflicht: „Wir brauchen keine Beschlüsse fassen“

Auch die von der Parteispitze verordnete Abkehr von der Wehrpflicht, die in der SPÖ viele Skeptiker hat, ließ der Parteichef nicht aus. Dass die jetzige Situation beim Heer unbefriedigend sei, sagten doch ziemlich alle. Er halte es daher für sinnvoller, den jungen Leuten „nicht die Zeit zu stehlen, sondern ein Profiheer aufzubauen“. Auch das „freiwillige soziale Jahr“ sei ein guter Vorschlag für das Land. Dass das Berufsheer in keinem Leitantrag aufscheint, streifte Faymann nur kurz: „Wir brauchen keine Beschlüsse fassen, wir werden unsere Argumente vorlegen.“

Nur vereinzelt Kritik

Eine kontroversielle Diskussion über die Abschaffung der Wehrpflicht gab es nicht. Zwar gab es vereinzelt Kritik an der Informationspolitik der Parteispitze, inhaltlicher Widerspruch blieb in der Debatte jedoch aus. Verteidigungsminister Norbert Darabos trat zum Ende der Debatte trotzdem ans Rednerpult, um noch einmal für seine Linie zu werben. Er begründete den Reformbedarf auch mit dem Rückgang der Wehrpflichtigen und sieht den Bürgerkrieg von 1934 nicht mehr als Argument für die Wehrpflicht.

„1934 war nicht das Berufsheer schuld, dass Soldaten auf Arbeiter geschossen haben, sondern ein diktatorisches Regime unter (Kanzler Engelbert, Anm.) Dollfuß. Wenn ein Heer in demokratische Strukturen eingebunden ist, wie in Österreich, dann wird das auch nicht mehr passieren“, meinte Darabos.

Hundstorfer bewirbt „Freiwilliges Sozialen Jahr“

Am Vorabend des Parteitags hatte er eine Aussprache über die Wehrpflicht veranstaltet. In der Debatte gab es dann zwar vereinzelt Kritik am Vorgehen der Parteispitze. So meinte SJ-Vorsitzender Wolfgang Moitzi, er würde sich wünschen, Diskussionen zuerst innerparteilich zu führen und erst danach an die Medien zu gehen.

Unterstützung für Darabos kam von Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der sich unmittelbar vor dem Verteidigungsminister zu Wort meldete, und versicherte, dass man mit dem „Freiwilligen Sozialen Jahr“ als Ersatz für den Zivildienst sehr wohl in der Lage sein werde, die Dienstleistungen aufrechtzuerhalten.

Abgrenzung von ÖVP

Für den Koalitionspartner fand Faymann kritische Worte in der Steuerfrage, ohne aber in übergroße Polemik abzugleiten. Der SPÖ-Chef spottete ein wenig über die jüngste ÖVP-Fibel, in der seitenlang „Raubersgeschichten“ verbreitet würden. Ihm persönlich bedeuteten dagegen die Sorgen der jungen Arbeitslosen mehr als die Sorgen der Reichen vor einer Reichensteuer.

Direkt beworben wurde vom Kanzler eine Erhöhung der Grundsteuer sowie die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer. Die Erlöse daraus will Faymann unter anderem für einen Ausbau der Ganztagesschulplätze verwenden. Ein neuerliches Ja kam auch zur gemeinsamen Schule.

Martin Schulz (SPD) mit Bundeskanzler Werdner Faymann

APA/Andreas Pessenlehner

Faymann mit Martin Schulz, SPD-Politiker und Präsident des Europaparlaments

Bekenntnis zur EU

Ein deutliches Bekenntnis gab der SPÖ-Chef zur EU und auch deren Hilfen in Südeuropa ab. Auch Österreich profitiere von der Mitgliedschaft in der Union, meinte Faymann und dichtete den FPÖ-Slogan „Unser Geld für unsere Leut’“ in „Unser Europa für unsere Arbeitsplätze“ um.

Notwendig sei nun eine Regulierung der Finanzmärkte. Finanzjongleure hätten aus der Wall Street ein einziges Wettbüro gemacht und die Menschen dafür zahlen lassen, tadelte Faymann. Auch die Banken bekamen ihr Fett ab. Diese bräuchten klare Spielregeln, wenn sie nachher schon immer zum Staat kämen und was brauchten.

Appell für sozialdemokratisches Europa

Um all das umzusetzen, bedürfe es in Europa einer starken Sozialdemokratie: „Wir müssen gegenhalten.“ Man lebe in einer globalisierten Zeit und dürfe sich nicht zurückziehen in Schrebergärten, stattdessen die Sozialdemokratie „aufrüsten“. Wer den Frieden wolle, müsse das als Auftrag verstehen, auch die sozialen Verhältnisse in Ordnung zu bringen. Nur dann gebe es ein friedliches gemeinsames Europa.

Ein paar Schritte sieht Faymann die Sozialdemokraten da schon vorangekommen. Als er dereinst als einziger Sozialdemokrat im Europäischen Rat gesessen sei, hätten manche schon über den „letzten Mohikaner“ gewitzelt: „Einige dieser Scherzbolde sind schon abgewählt.“

Der Präsident des EU-Parlaments, der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz, lieferte zuvor als Parteitagsgast Schützenhilfe und warb für eine Vertiefung der europäischen Integration. Getreu dem Parteitagsmotto rief er zu „mehr Gerechtigkeit“ innerhalb und zwischen den europäischen Völkern auf.

Faymann streute Schulz, der Präsident des Europaparlaments ist, Rosen und schrieb ihm das „Urheberrecht“ für die nun auf den Weg gebrachte Finanztransaktionssteuer zu. Schulz bezeichnete die nun für elf EU-Länder geplante Finanztransaktionssteuer als „einen der größten Erfolge unserer politischen Bewegung in Europa seit Jahren“.

Studiengebühren in Arbeitsgruppen abgeschoben

Die Studiengebühren sind zumindest offiziell kein Thema. Gabi Burgstallers Vorschlag, die Zahl der Stipendienbezieher an den Unis zu verdoppeln, jährlich ein 1.000-Euro-Startgeld für diese Gruppe zu etablieren, dafür aber für rund 60 Prozent der Studierenden Gebühren in der Höhe von 363 Euro vorzusehen, wird in die Arbeitsgruppe „Bildungsperspektiven“ verbannt. Das gleiche Schicksal ereilt freilich auch ein Antrag von Sozialistischer Jugend, VSStÖ und AKS, dass sich die SPÖ zum freien Hochschulzugang und der restlosen Abschaffung der Studiengebühren bekennen möge.

Vielmehr will man sich auf sozialdemokratische Kernforderungen konzentrieren und sich damit auch ganz klar gegen die ÖVP abgrenzen. Zu den zentralen Diskussionsthemen zählt deshalb etwa der Ruf nach einer Reichensteuer.

Vorfeldorganisationen verabschieden sich

Mehrere Vorfeldorganisationen trennten sich von der Partei, um den seit 1. Juli geltenden neuen Transparenzregeln für parteinahe Organisationen zu entgehen. In einer weiteren Statutenänderung erleichtert die SPÖ den verbleibenden Vorfeldorganisationen nun die selbstständige Trennung von der Partei. Geregelt wird, dass sie künftig berechtigt sind, auf den Status als „Sozialdemokratische Organisation“ zu verzichten. Bisher war für den Austritt ein Parteitagsbeschluss nötig.

„Sozialdemokratische Organisationen“ sind solche, die Delegierte zum Bundesparteitag stellen. Sie haben sich in ihren Statuten zu den Grundsätzen der SPÖ zu bekennen und sicherzustellen, dass ihre „maßgeblichen FunktionärInnen“ Mitglieder der SPÖ sind. Welche Organisationen dies sind, ist ebenfalls im Parteistatut geregelt. Will eine Organisation auf ihren Status als „Sozialdemokratische Organisation“ verzichten, steht ihnen das künftig frei. Nötig ist dafür nur noch eine schriftliche Mitteilung an den Bundesparteivorstand.

Keine Offenlegung nötig

Bisher war für die Trennung einer Vorfeldorganisation von der SPÖ ein Parteitagsbeschluss nötig. ASKÖ und Naturfreunde haben diesen Schritt am Samstag vollzogen, auch die Sozialdemokratischen Gewerkschafter (FSG) und der Pensionistenverband trennt sich formal von der SPÖ, überlassen ihr Stimmrecht allerdings zwei eigens dafür eingerichteten Vereinen („Gewerkschafter in der SPÖ“ und „Arbeitsgemeinschaft 60 Plus“).

Damit gelten diese Organisationen nun nicht mehr als „parteinahe Organisationen“ im Sinn des Transparenzpakets und entgehen folglich auch der Verpflichtung, Parteispenden und Sponsorings offenzulegen.

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