Lachender Biden, hämischer Ryan
Selten zuvor ist ein TV-Duell der US-Vizepräsidentschaftskandidaten so genau beobachtet worden wie das zwischen dem Demokraten Joe Biden und seinem republikanischen Herausforderer Paul Ryan. Nach dem enttäuschenden Auftritt von Präsident Barack Obama setzten die Demokraten alles auf den erfahrenen Redner Biden. Und der präsentierte sich auch entsprechend aggressiv.
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„Sie nehmen die Mittelschicht als Geisel, um die Steuern für die Superreichen zu senken“, warf Biden bei dem Fernsehduell seinem Kontrahenten Ryan am Donnerstagabend (Ortszeit) in Danville im Bundesstaat Kentucky vor. Vor allem beim Thema Wirtschaft und Nahost kam es zu harten Wortgefechten, bei denen der politisch deutlich unerfahrenere 42-jährige Ryan durchaus mithalten konnte - auch wenn er sich von Biden immer wieder sagen lassen musst, dass seine Ansichten „völliger Blödsinn“ seien.

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Duell Alt gegen Jung: Der 69-jährige Joe Biden (l.) und der 42-jährige Paul Ryan
Dass dieses Duell mehr als nur Vorwahlgeplänkel war, war den beiden Kontrahenten anfangs auch anzumerken. Beide wirkten offensichtlich nervös und versprachen sich mehrfach. Biden versuchte durch lautes Lachen seinen Gegner aus dem Konzept zu bringen, während sich Ryan auf hämisches Grinsen verlegte, während sein deutlich älterer Kontrahent sprach.
Spott über Bidens weiße Zähne
Doch Bidens Taktik, sich als weit überlegen zu präsentieren, ging nicht auf, vielmehr erntete er viel Spott über seine Dauerlächeln: „Ich bin mir nicht sicher, ob die Debattenkameras auf Bidens Zähne vorbereitet waren. Das schaut man sich besser mit einer Sonnenbrille an“, schrieb der Korrespondent des „Time“-Magazins, Michael Scherer.

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Bidens strahlendes Lächeln irritierte
Analysten des Kurznachrichtendienstes Twitter ermittelten, dass das Wort „laughing“ (lachend) mit am häufigsten in den Beiträgen über die Debatte der Bewerber für das Amt des Vizepräsidenten erwähnt wurde. Das Internetmagazin Politico widmete Bidens Mimik noch in der Nacht eine umfangreiche Story unter dem Titel „Twitter runzelt die Stirn über Bidens Lachen“.
Schlagabtausch bei Steuerpolitik
Biden nahm in der Debatte anders als Obama auch die umstrittene Aussage von Herausforderer Mitt Romney über die „47 Prozent“ der Wähler ins Visier, die keine Steuern zahlten und wegen ihrer Abhängigkeit vom Staat ohnehin für Obama stimmen würden. „Diese Leute sind meine Mutter und mein Vater, meine Nachbarn“, sagte der Vizepräsident. „Sie zahlen mehr Steuern als Gouverneur Romney.“
Ryan entgegnete, dass die republikanischen Steuerpläne zu mehr Wachstum und Arbeitsplätzen führen würden. Schätzungen würden von sieben Millionen neuen Jobs ausgehen, sagte er. Zugleich bestritt er, dass die Steuerlast der Reichen sinken werde, da Romney Schlupflöcher im Steuerrecht schließen werde. „Wir haben unterm Strich drei Punkte“, sagte Ryan. Das Haushaltsdefizit dürfe nicht steigen, die Steuern für die Mittelschicht nicht erhöht werden und der Beitrag der Menschen mit hohem Einkommen zu den Staatseinnahmen nicht sinken.
Biden warnt vor „weiterem Krieg“
Auch beim Thema Außenpolitik gingen die Wogen hoch. Ryan warf Obama unter anderem Führungsschwäche vor. Die Regierung habe im Vorfeld der tödlichen Terrorattacke auf das US-Konsulat in der libyschen Stadt Bengasi versagt, so Ryan. „Der Präsident hat zwei Wochen gebraucht, um einzugestehen, dass dies ein Terroranschlag war.“ Biden konterte: „Das ist ein völliger Blödsinn.“ Kein Wort daran sei wahr, und die USA würden die Hintermänner der Tat zur Rechenschaft ziehen.

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Ryan lässt sich von Bidens aggressiver Taktik nicht einschüchtern
Mit Blick auf die harsche Rhetorik Romneys im Atomstreit mit dem Iran warnte Biden sogar vor „einem weiteren Krieg“. Obama werde alles tun, um einen nuklear bewaffneten Iran zu verhindern. Ryan erklärte hingegen die Bemühungen Obamas, die Regierung in Teheran zum Einlenken zu bewegen, für gescheitert. „Sie sagen, die militärischen Optionen liegen auf dem Tisch, aber das wird nicht als glaubhaft angesehen.“ Der Präsident habe sein Versprechen gehalten, den Krieg im Irak zu beenden, so Biden. Außerdem habe Obama eine klare Perspektive für einen Abzug aus Afghanistan geschaffen. Der Vizepräsident erinnerte auch an die Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden bei einem US-Kommandoeinsatz in Pakistan.
Lob von Obama und Romney
Nach dem TV-Duell zeigten sich sowohl Obama als auch Romney stolz auf ihren jeweiligen Vize. Bei einer eher ungewöhnlichen Erklärung direkt unter dem Flügel der Präsidentenmaschine lobte Obama seinen Vizepräsidenten vor allem für dessen Einsatz für die Mittelschicht. Auch Romney zeigte sich höchst zufrieden. Er habe Ryan bereits angerufen und ihm gesagt, dass „seine Familie stolz auf ihn“ sein könne, so der republikanische Herausforderer. Ryan habe sich „fantastisch“ geschlagen.
Eine Frau als heimliche Siegerin des Abends
Doch während sich sowohl Biden als auch Ryan als Sieger des Duells feiern ließ, ist die eigentliche Gewinnerin des Abends die Moderatorin Martha Raddatz. Die ABC-News-Journalistin habe anders als Jim Lehrer, der das Duell Obama vs. Romney leitete, frischen Wind in die politische Diskussionsrunde gebracht, lobte die britische Zeitung „The Guardian“. Auch die „Financial Times Deutschland“ schreibt, dass nur dank Raddatz die Runde „inhaltlich relevant, provokativ und emotional“ war. In amerikanischen Medien wurde Raddatz ebenfalls mit Lob überschüttet. "Martha Raddatz ist kein Witz,” twitterte CNN-Kommentator Don Lemon.
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