Themenüberblick

132 Zeugen an 53 Sitzungstagen

Offiziell ist der Korruptionsuntersuchungsausschuss am Mittwoch zu Ende gegangen. Doch den letzten „Ich entschlage mich“-Sager hörte man bereits vergangenen Donnerstag: von Investor Martin Schlaff, der zur Telekom-Austria-Affäre befragt wurde.

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Offene Themen will die Opposition nun in Sondersitzungen des Nationalrats debattieren. Die Parteien hatten sich nach der Sommerpause in einen Formalstreit über die Zulässigkeit von Anträgen verstrickt. Die bisherige grüne Vorsitzende Gabriela Moser war von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ kritisiert worden, einen Vierparteienantrag widerrechtlich nicht zur Abstimmung zugelassen zu haben. Ihr Rücktritt und die Übernahme des Vorsitzes durch den FPÖ-Abgeordneten Walter Rosenkranz ermöglichte die Fortsetzung bis 16. Oktober - allerdings mit wenigen Zeugen und Inhalten.

Zu erfolgreich?

Der Zeugenschwund war schon erwartet worden, als dem U-Ausschuss nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen Opposition und Regierung per Fristsetzungsantrag, beschlossen mit den Stimmen der Regierungsparteien, ein Ende gesetzt wurde. Offenbar waren die bisherigen Ergebnisse und Erkenntnisse, die der U-Ausschuss rund um diverse Korruptionsaffären zutage brachte, zu erfolgreich, als dass man den Ausschuss mit politisch teils brisanten Veröffentlichungen in das Wahljahr 2013 fortsetzen hätte wollen. Immerhin brachte der Ausschuss bereits erste Gesetzesänderungen wie etwa ein neues Korruptionsstrafrecht.

Ein Kilometer Akten

Der U-Ausschuss in Zahlen ist im Vergleich zu früheren Ausschüssen in vieler Hinsicht rekordverdächtig. An 53 Sitzungstagen wurden 132 Zeugen befragt und 1,6 Millionen Aktenseiten bearbeitet. Wären diese nicht auf 438 DVDs pro Parlamentsfraktion gebrannt, sondern ausgedruckt übergeben worden, hätte das einen Papierstapel mit fast einem Kilometer Höhe und 47 Tonnen Gewicht ergeben.

Mensdorff-Pouilly im Untersuchungs-Ausschuss

APA/Helmut Fohringer

Im U-Ausschuss wurden rund 1,6 Millionen Aktenseiten bearbeitet

Entscheidend war für die Erkenntnisse des U-Ausschusses das Studium dieser Akten, denn die Zeugen von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser bis zum ÖVP-nahen Lobbyisten und Jäger aus Leidenschaft, Alfons Mensdorff-Pouilly, machten meist von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch oder hatten zu den angesprochenen Themen „keine Wahrnehmung“ mehr.

Vom BUWOG-Verkauf bis zu Inseraten

Großes Thema waren der BUWOG-Verkauf im Jahr 2004 und die 9,9-Millionen-Provision an die Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger im Zuge der Privatisierung des Bundeswohnbaugesellschaft. Die Staatsanwaltschaft untersucht den Verdacht, dass ein Teil dieses Geldes an Grasser geflossen sein könnte. Als entscheidend für die Aufklärung wird hier die Befragung des früheren Grasser-Mitarbeiters Heinrich Traumüller gesehen. Seinen Aussagen zufolge muss Grasser mehr Details aus dem geheimen Vergabeverfahren gekannt haben, als er bisher in der Öffentlichkeit eingestanden hatte.

Besonders intensiv beschäftigte sich der Ausschuss mit der Telekom-Austria-Affäre, wo verdeckte Parteispenden von 2,3 Millionen Euro an ÖVP, FPÖ und BZÖ bekanntwurden. 81 Zeugen wurden dazu befragt. Mensdorff-Pouilly tauchte nicht nur im Zuge der TA-Affäre auf, sondern stand auch im Mittelpunkt des Skandals um die Vergabe des Behördenfunknetzes Tetron. Ihm wurde vorgeworfen, von den Betreiberfirmen 4,4 Millionen Euro erhalten zu haben.

Häufig im Befragungseinsatz war der Lobbyist Hochegger, der an vier Tagen im Ausschuss aussagen musste - zur Glücksspielaffäre mit der gescheiterten Lockerung des Glücksspielmonopols 2006, zur Causa BUWOG und auch bei den Geldflüssen rund um die TA soll er eine entscheidende Rolle gespielt haben.

Ostermayer statt Faymann

Im Vergleich zu BUWOG, TA und Blaulichtfunk wurden zu den Themen Glücksspiel und Staatsbürgerschaftsverleihungen „im besonderen Interesse der Republik“ verhältnismäßig wenige Zeugen - einmal neun und einmal vier - befragt. Zur Inseratenaffäre gab es zwölf Befragungen. Wäre es nach dem Willen der Opposition gegangen, wären zu diesem Thema mehr Zeugen vorgesehen gewesen. Vor allem Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hätte zur Inseratenaffäre aussagen sollen.

Er steht im Verdacht, in seiner Zeit als Verkehrsminister mit aus öffentlichen Mitteln finanzierten Inseratenkampagnen die Gunst des Zeitungsboulevards erkauft zu haben. Ein Auftritt im U-Ausschuss wäre zumindest eine politische Peinlichkeit gewesen.

Faymann kam trotz mehrfachen Drängens nicht. Stattdessen sagte SPÖ-Staatssekretär Josef Ostermayer aus. Die Inseratenaffäre ist mittlerweile um Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) erweitert. Berlakovich steht im Verdacht, sich Inseratenkampagnen durch Staatsbetriebe finanzieren haben zu lassen.

Arbeit „durchwachsen“

Die letzten Wochen des U-Ausschusses bezeichnete Verfahrensanwalt Klaus Hoffmann daher auch als „etwas durchwachsen“. Bis zum Sommer sei „sehr erfolgreiche Arbeit“ geleistet worden, die Themen danach seien aber „nicht mehr so intensiv und ausreichend“ behandelt worden. Tatsächlich kaum thematisiert wurden die Ostgeschäfte der Telekom Austria. Schlaff gab sich dazu wenig auskunftsfreudig. Auch die Inseratenaffäre wurde wenig beleuchtet.

Ausschuss ist „kein Theater“

Das wochenlange Ringen der Parteien um die Fortsetzung des U-Ausschusses hatte auch die Stimmung innerhalb des Ausschusses zum Kippen gebracht. So kritisierte etwa SPÖ-Fraktionsführer Otto Pendl in seiner persönlichen Bilanz, dass der Ausschuss etwa vom grünen Abgeordneten Peter Pilz und von Stefan Petzner (BZÖ) zum „Showspielen“ verwendet worden sei. Schließlich sei das Gremium „kein Theater“. Es könne nicht sein, dass das Grundrecht der Entschlagung nicht anerkannt werde. Wie Pendl bemängelte ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon einen „Missbrauch des Ausschusses für Selbstdarstellung“ und die problematischen Parallelermittlungen von Justiz und Parlament.

Pilz’ Enttäuschung, Jarolims Kritik

FPÖ-Abgeordneter Rosenkranz freute sich, dass die Funktionsweise des Systems von Scheinrechnungen, Scheingutachten und Lobbyisten aufgedeckt wurde. Petzner war mit der Vorsitzführung unter Moser unzufrieden. Einig ist sich die Opposition jedenfalls, dass die Weigerung Faymanns, in den Ausschuss zu kommen, zu den Flops des Gremiums zählt.

Dass es „keine Mehrheit mehr für Aufklärung im Ausschuss“ gebe, will Pilz schon gesehen haben, als der erste SPÖ-Fraktionsführer Hannes Jarolim Ende Mai seinen Posten an Pendl übergab. Das sei für ihn die größte Enttäuschung gewesen. Jarolim hatte als offizielle Begründung die hohe Arbeitsbelastung angegeben. Doch hatte er in den Wochen zuvor immer wieder Kritik an der ÖVP in Verbindung mit Zeugenladungen geübt. So hatte der SPÖ-Justizsprecher etwa eine große Zurückhaltung der Volkspartei, was Ladungen von ÖVP-nahen Personen betrifft, beklagt.

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