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„Entscheidung der Unternehmen“

Die Luftfahrt- und Rüstungsunternehmen EADS und BAE Systems werden auch künftig getrennte Wege gehen. Am Mittwoch sagten die beiden Unternehmen eine Fusion endgültig ab. Die gemeinsamen Pläne würden nicht weiterverfolgt, hieß es. Hektisch war seit Dienstag verhandelt werden.

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Denn Mittwochabend wäre die Frist ausgelaufen, bis zu der die Unternehmen laut britischen Börsenregeln das Zustandekommen oder Scheitern der Fusion bekanntgeben mussten. Meldungen, dass der Zusammenschluss kurz vor dem Scheitern stehe, wurden noch am Dienstag von den Unternehmen dementiert.

Interessen nicht im Einklang

Von einigen Seiten hieß es sogar, dass Fortschritte erzielt werden konnten. Nun konnten die Interessen der beteiligten Parteien aber doch nicht in Einklang gebracht werden, lautete eine Pflichtmitteilung der Unternehmen, obwohl beide an die industrielle Logik der Verbindung geglaubt hatten. „Es ist natürlich schade, dass wir keinen Erfolg hatten, aber ich bin froh, dass wir es versucht haben“, sagte EADS-Chef Tom Enders. BAE-Chef Ian King zeigte sich enttäuscht über die geplatzte Fusion.

Streit über staatlichen Einfluss

Den ökonomischen Nutzen der Fusion hatte kaum jemand bezweifelt, politische Bedenken gegen den geplanten 45-Milliarden-Dollar-Deal zum weltgrößten Luftfahrt- und Rüstungskonzern hatte es hingegen schon länger gegeben. Die Regierungen in Paris, Berlin und London konnten sich nicht einigen. Größter Streitpunkt war der staatliche Einfluss, den sich Deutschland und Frankreich sichern wollten. Beide verfügen direkt und indirekt über jeweils rund 22 Prozent der EADS-Anteile. Für Deutschland vertritt vor allem der Autokonzern Daimler die Interessen.

Bei BAE Systems hingegen sind keine Staaten direkt oder indirekt Großaktionäre. Zuletzt machte aber auch BAE-Großaktionär Invesco, seinem Unmut über die Rüstungsfusion Luft. Der private Vermögensverwalter mit Hauptsitz in den USA ist der größte Einzelaktionär bei dem von London aus gesteuerten Konzern. Der Anteil liegt bei rund 13 Prozent. EADS-Chef Enders und die britische Regierung sprachen sich eher dafür aus, den Einfluss der Regierungen zu reduzieren.

Enders und King hatten mehrfach dafür plädiert, dass die Regierungen alle ihre Anteile abgeben und nur noch jeweils eine „goldene Aktie“ halten, mit der sie über ein Vetorecht etwa im Fall feindlicher Übernahmen verfügen. Das hätte ihrer Ansicht nach die Chance auf mehr Aufträge aus den USA und Asien gebracht, wo europäische Staatsbeteiligungen kritisch beäugt werden.

Deutsche Blockade?

Das wurde aber weder in Frankreich noch in Deutschland gerne gesehen. Medienberichten zufolge scheiterte die Fusion letztlich aber am Widerstand Deutschlands: „Es hat nicht geklappt, weil die Deutschen blockiert haben“, schrieb die französische Nachrichtenagentur AFP. Auch EADS und BAE machten Deutschland für das Scheitern der Fusion verantwortlich. Nur der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maiziere zeigte sich erstaunt über den angeblichen deutschen Widerstand: „Ich habe die Meinung zur Kenntnis genommen. Ich teile sie nicht.“

Nach Informationen der dpa hatte die deutsche Regierung allerdings Bedenken aus strategischen Gründen und wegen der Sorge um den Standort Deutschland. Vorbehalte in diesen Bereichen wurden offenbar nicht ausgeräumt. Am Mittwoch stellte sich die deutsche Regierung hinter Enders. Man nehme die Entscheidung der Unternehmen zur Kenntnis.

Hollande sieht nicht Politik verantwortlich

Frankreichs Präsident Francois Hollande sieht für das Scheitern der Fusion nicht die Politik verantwortlich: „Das ist die Entscheidung der Unternehmen.“ Frankreich habe allerdings Forderungen in Bezug auf den künftigen Staatsanteil, die Standorte für die Unternehmenssitze und Verteidigungsinteressen gestellt. Aus informierten Kreisen innerhalb der deutschen Regierung war zu hören, dass Deutschland nicht allein die Fusion der Konzerne verhindert habe. Auch auf französischer Seite habe es Bedenken gegeben.

Es sei „zu schwierig“ gewesen, die unterschiedlichen Interessen zu vereinbaren, versuchte auch der britische Verteidigungsminister Philip Hammond eine Erklärung. Vonseiten der Labour-Partei wurde nun eine Strategie für die Rüstungsindustrie gefordert, da Arbeitsplätze in Gefahr seien.

EADS überlegt Klage

In die Gespräche involvierte Teilnehmer hatten erklärt, dass sich Deutschland weigere, Großbritannien und Frankreich im Streit um die Staatsbeteiligungen am künftigen Konzern zu folgen. Die zum Teil widersprüchlichen Meldungen aus den Verhandlungen und mögliche Ergebnisse lässt EADS nun über rechtliche Schritte nachdenken. Der Konzern ziehe eine Klage wegen Marktmanipulation ernsthaft in Betracht, so ein Konzernvertreter. Es habe mehrere undichte Stellen sowie falsche Gerüchte gegeben.

Größer als Boeing

EADS und BAE Systems hatten Mitte September bekanntgegeben, über eine Fusion zu verhandeln. Der neue Konzern wäre das größte Rüstungsunternehmen der Welt und deutlich größer als der US-Konkurrent Boeing geworden.

Der britische Rüstungsriese BAE Systems war Anfang 1999 aus dem Zusammenschluss von British Aerospace (BAE) mit dem US-Hersteller Marconi Electronic Systems entstanden. British Aerospace übernahm den Verteidigungsarm der General Electric Company (GEC) für damals 7,7 Milliarden Pfund. Das Unternehmen hat im Jahr 2011 mit mehr als 90.000 Beschäftigten bei einem Umsatz von 19,2 Milliarden Pfund (24,3 Mrd. Euro) erwirtschaftet.

EADS beschäftigt allein in Deutschland rund 50.000 Mitarbeiter an 29 Standorten. Im gesamten Konzern, der vom deutschen Anteilseigner Daimler und den Franzosen dominiert wird, sind es mehr als 133.000 Mitarbeiter. Der Airbus-Hersteller ist neben Boeing der größte Hersteller von Verkehrsflugzeugen und ein gewichtiger Anbieter von Militärflugzeugen wie dem A400M. Die US-Konkurrenten Boeing und Lockheed Martin könnten auch die Gewinner aus der gescheiterten Fusion sein und mehr Aufträge an Land ziehen.

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