Themenüberblick

Besorgt über autoritäre Tendenzen

Nicht nur innerhalb Russlands nimmt die Kritik an der politischen Lage zu, auch der Europarat hat einiges zu bekritteln: Rückschritte bei der Rechtsstaatlichkeit, Einschränkungen bei den Menschenrechten, wachsender Druck auf die Justiz.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die jüngsten Entwicklungen und autoritären Tendenzen seien „sehr besorgniserregend“, hieß es in einem Bericht, der vergangenen Dienstag in der Parlamentarierversammlung des Europarats debattiert wurde. Aus Protest gegen den Text hatte der russische Parlamentspräsident Sergej Narischkin bereits in der Woche zuvor eine geplante Rede vor der Versammlung abgesagt. Seine Begründung: Es herrsche eine „Russland-feindliche Atmosphäre“ in der Versammlung. Der Bericht ist die erste umfangreiche Bestandsaufnahme des Europarats zur politischen Lage in Russland seit sieben Jahren.

Politisch motivierte Urteile beanstandet

Kritisiert wurde von mehreren Seiten vor allem die Wiedereinführung des erst im vergangenen Jahr abgeschafften Straftatbestandes der „Verleumdung“, die Einschränkung der Versammlungsfreiheit und die Verurteilung von drei Sängerinnen der Band Pussy Riot zu jeweils zwei Jahren Lagerhaft als „absolut unverhältnismäßig“. Auch die Verurteilung des ehemaligen Ölmagnaten und Gegners von Präsident Wladimir Putin, Michail Chodorkowski, zu 14 Jahren Haft wurde kritisiert und als politisch motiviertes Urteil bezeichnet.

Der Bericht beanstandet auch, dass die Morde an der Journalistin Anna Politkowskaja und der Menschenrechtsaktivistin in Tschetschenien, Natalja Estemirowa, bis heute nicht aufgeklärt wurden.

Bericht für Russland unausgewogen

Von russischer Seite wurde dieser Bericht als unausgewogen bezeichnet. „Je mehr Fortschritte wir machen, desto mehr wächst der Druck auf uns“, klagt der Chef der russischen Delegation, Alexej Puschkow von der Regierungspartei Geeintes Russland.

Dem widersprach der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland. Der Bericht sei „ausgewogen“. Es gebe einheitliche Standards für Demokratie, die für alle Mitgliedsstaaten gültig seien. Russland habe sich diesen Standards freiwillig unterworfen: „Es gibt keinen Sonderweg für Russland“, betonte auch der litauische Abgeordnete Emanuelis Zingeris.

Mahnung zu Reformen

Infolge einer Debatte forderte der Europarat Russland mit Nachdruck zu demokratischen Reformen auf. Mit großer Mehrheit stimmten die Vertreter aus den 47 Europaratsländern für eine lange Liste von Forderungen wie Verbesserungen des Parteiengesetzes sowie Schutz der Meinungsfreiheit und der Demonstrationsfreiheit. Die Entwicklung solle nun solange im Auge behalten werden, bis „substanzielle Fortschritte“ erreicht sind.

Links: