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Sanierungskosten bis 25 Mrd. Euro Euro

Nach zahlreichen Spekulationen über den Ausgang des europäischen „Stresstests“ und akute Sicherheitsmängel ist seit Donnerstag klar: Keines der insgesamt 64 untersuchten Atomkraftwerke ist ganz sicher. Die EU-Kommission, die die Tests nach der AKW-Katastrophe im japanischen Fukushima im Vorjahr in die Wege leitete, sieht einen akuten Nachrüstungsbedarf von zehn bis 25 Mrd. Euro.

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Die Tests hätten gezeigt, dass die Standards der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) nicht in allen Kernkraftwerken eingehalten werden, sagte EU-Energiekommissar Günther Oettinger bei der Präsentation der Ergebnisse am Donnerstag in Brüssel und mahnte rasches Handeln ein „Es besteht kein Anlass zur Selbstzufriedenheit.“

Nach den Unfällen in Three Miles Island (USA) 1979 und Tschernobyl (Ukraine) 1986 seien zwar Nachrüstungen angekündigt worden, aber nicht erfolgt. „Wir mahnen ein, was dem Stand der Technik gemäß heute gemacht werden kann“, sagte Oettinger. Er will im Februar neue Vorschläge für nukleare Sicherheitsstandards vorlegen.

Aktionspläne bis Jahresende

Der geschätzte Investitionsbedarf von bis zu 25 Mrd. Euro ergibt sich aus Hochrechnungen auf Grundlage der in Frankreich durchgeführten „Stresstests“. Bis Jahresende müssen die nationalen Aufsichtsbehörden der Länder, die AKWs betreiben, Aktionspläne vorlegen, 2014 will die EU-Kommission den Fortschritt bewerten. Brüssel gibt keine Empfehlung zur Schließung, fordert allerdings für alle Reaktoren Verbesserungen.

AKW Krsko in Slowenien

Reuters/Bor Slana

Das slowenische AKW Krso ging vor über 30 Jahren in Betrieb

Konkret mangelt es laut EU-Kommision etwa an einer internationalen Abstimmung bei Notfallplänen für Naturkatastrophen einschließlich Erdbeben, Überflutungen und extremen Wetterbedingungen. Die Westeuropäischen Atomaufsichtsbehörden (WENRA) sollen daher Leitlinien vorlegen, die Nuklearsicherheitsbehörde der Kommission (ENSREG) soll mindestens alle zehn Jahre Kontrollen durchführen. Die EU-Kommission kann die Staaten rechtlich nicht zu Nachrüstungen zwingen, will aber politisch Druck auf sie ausüben.

Nicht alle Reaktoren direkt überprüft

Im Zuge der „Stresstests“ wurden 145 Reaktoren in insgesamt 64 Atomkraftwerken in ganz Europa überprüft, darunter auch die im Zuge des Atomausstiegs in Deutschland bereits vom Netz genommenen. Neben den EU-Staaten, die Atomkraft nutzen, beteiligten sich auch die Schweiz und die Ukraine daran. Die europäischen Experten statteten nur 54 Reaktoren einen direkten Besuch an Ort und Stelle ab - berücksichtigt wurden dabei allerdings alle Reaktortypen.

Filter, Notfallausrüstung, Katastrophenpläne

Direkte Überprüfungen gab es in allen tschechischen und ungarischen Reaktorkomplexen und im slowenischen AKW Krsko. Bei den Anlagen Dukovany und Temelin in Tschechien bemängelte die EU-Kommission die Lagerung von Notfallausrüstung, mangelnde Leitlinien für schwere Unfälle, Sicherheitsvorkehrungen gegen Wasserstoffexplosionen und fehlender Filter, die ein Austreten von Radioaktivität beim Ablassen von Druck verhindern.

Derartige Filteranlagen werden auch für das ungarische AKW Paks empfohlen. Detaillierte Leitlinien für den Umgang mit schweren Unfällen werden auch für alle deutschen Atomkraftwerke eingemahnt. Den größten finanziellen Nachrüstbedarf hat Frankreich, das einen Großteil seiner Energieversorgung aus AKWs deckt. Bei ihnen deckte der Test zahlreiche Mängel auf.

Berlakovich: „Erheblicher Nachrüstungsbedarf“

„Die Auswertung der Stresstests durch die Europäische Kommission liegen nun vor, und es zeigt sich deutlich: Es gibt erheblichen Nachrüstungsbedarf“, betonte Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP). Es gehe nun darum, die Reaktoren laut den Empfehlungen nachzurüsten. „Dazu müssen die Betreiberstaaten nationale Aktionspläne ausarbeiten, die bis Ende des Jahres vorliegen müssen.“

Der tschechische Industrie- und Handelsminister Martin Kuba betonte dagegen, dass es in den AKWs Temelin und Dukovany „keine Mängel“ gebe. „So wie sich die Technologien entwickeln, entstehen neue Möglichkeiten zur Erhöhung der Sicherheit“, so Kuba im tschechischen Fernsehen. Ein Vorschlag zur Verbesserung bedeute noch nicht, dass es einen Mangel gebe.

Greenpeace fordert völlige Abschaltung

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte den „Stresstest“ als reines „Mascherl“ und „Beruhigungspille“ für den Weiterbetrieb, die den Menschen das Gefühl geben, „es passiert etwas“. Fakt bleibe, „dass alle Atomkraftwerke tickende Zeitbomben sind, wirkliche Sicherheit niemals garantiert werden kann. Nur ein abgeschaltetes AKW ist wirklich sicher.“

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