Die Mutter aller TV-Duelle
Die TV-Duelle der Präsidentschaftskandidaten gehören - in den USA länger als irgendwo anders - zu den Höhepunkten des Wahlkampfes. Innerhalb von 90 Minuten müssen die Kandidaten einem Millionenpublikum ihre Sachkenntnis, ihre Schlagfertigkeit und ihre Volksnähe beweisen. Das kann triumphal gelingen, aber auch - wie die Geschichte beweist - katastrophal ins Auge gehen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
In Österreich wurde gerade erst seit einem Jahr überhaupt an allen Tagen der Woche Fernsehen ausgestrahlt, da änderten die ersten Fernsehdebatten des Jahres 1960 die US-Präsidentschaftswahlkämpfe für immer: Der junge, dynamische und gut aussehende demokratische Senator John F. Kennedy traf auf den republikanischen Vizepräsidenten Richard Nixon, der gerade eine Krankheit überstanden hatte und sich nicht schminken lassen wollte. Abgemagert, müde und mit dunklem Bartschatten sah er so schlecht aus, dass sogar seine Mutter anrief, um sich nach seinem Gesundheitszustand zu erkundigen.
Mit Ford vs. Carter ging es weiter
Nixons TV-Niederlage gegen Kennedy war so verheerend, dass US-Präsidenten die nächsten 16 Jahre lang keine große Lust verspürten, vor laufenden Kameras in den Debattenring zu steigen - speziell Nixon selbst nicht, der es im zweiten Anlauf 1968 doch noch ins Weiße Haus schaffte.
Das nächste Fernsehduell gab es erst wieder 1976, als Amtsinhaber Gerald Ford gegen den Erdnussfarmer Jimmy Carter antrat - und sich prompt mit der Behauptung blamierte, Osteuropa werde nicht von der Sowjetunion dominiert. Er versuchte tagelang, diesen Lapsus auszubessern, wurde aber trotzdem geschlagen - als Nixons Vizepräsident und Nachfolger vermutlich aber eher aufgrund der Spätfolgen der Watergate-Affäre. Seit damals standen einander bei allen US-Präsidentschaftswahlkämpfen die Kontrahenten mindestens einmal vor den Fernsehkameras gegenüber, seit 1984 auch die Bewerber für das Amt des Vizepräsidenten.
Reagan-„Punch“ für Carter
Ab 1980 stand mit dem Ex-Schauspieler Ronald Reagan, der mit dem Beinamen „der große Kommunikator“ in die Geschichte einging, ein echter Medienprofi auf der TV-Bühne. Als Herausforderer des unglücklichen Carter, der mit der Geiselnahme der US-Botschaftsangehörigen in Teheran und einem Wirtschaftsabschwung zu kämpfen hatte, setzte er den entscheidenden „Punch“, als er zum Schluss des TV-Duells die pointierte rhetorische Frage an die Wähler stellte: „Geht es Ihnen wirtschaftlich besser als vor vier Jahren?“ - ein Standardsatz, der seither immer wieder im Wahlkampf eingesetzt wird, je nach der Stimmung im Land vom Amtsinhaber oder vom Herausforderer.
„Werde Jugend nicht politisch ausschlachten“
Vier Jahre später kokettierte der mittlerweile 73-jährige Reagan mit seinem hohen Alter und nahm dem Thema die Spitze, indem er in der TV-Debatte mit seinem demokratischen Herausforderer Walter Mondale ironisch einwarf: „Ich werde Altersfragen in dieser Kampagne nicht thematisieren - Ich werde die Jugend und Unerfahrenheit meines Opponenten nicht politisch ausschlachten.“ Mondale war zu diesem Zeitpunkt 56. Reagan erntete mit seinem Sager die Lacher - und siegte haushoch.
1988 stutzte der demokratische Vizekandidat Lloyd Bentsen seinen republikanischen Gegenspieler Dan Quayle zurecht, als dieser seine eigene Amtserfahrung mit jener Kennedys verglich. „Ich habe Jack Kennedy gekannt“, konterte Bentsen, „Jack Kennedy war ein Freund von mir. Senator - Sie sind kein Jack Kennedy.“
Der fatale Blick auf die Uhr
Den meisten TV-Debatten musste sich über die Jahre Reagans Vizepräsident und Nachfolger George Bush senior unterziehen: 1984 gegen Geraldine Ferraro, 1988 gegen Michael Dukakis und 1992 gegen Bill Clinton. 1988 wurde Dukakis dabei gefragt, ob er die Todesstrafe für jemanden befürworten würde, der seine, Dukakis’, Frau vergewaltigt und ermordet habe. Dukakis antwortete mit einem allgemeinen Statement gegen die Todesstrafe und half Bush damit, ihn in der Folge erfolgreich als gefühlskalten Intellektuellen darzustellen.
Bush ließ nie einen Zweifel an seiner Verachtung für das, was er als Showbusiness bezeichnete - und ließ in der Debatte mit Clinton das Publikum an seiner Unlust teilhaben, indem er wiederholt auf seine Armbanduhr blickte. Das verstärkte den Eindruck des arroganten Ölbarons, der sich wenig um die Probleme der kleinen Leute schert: Clinton gewann die Wahl mit dem Versprechen, die US-Wirtschaft wieder fit zu machen.
Argumente einfach ignoriert
Im Kampf um die Wiederwahl traf Clinton am 16. Oktober 1996 auf den republikanischen Kandidaten Bob Dole, einem früheren Senator. Clinton erklärt, nicht der 73-jährige Konkurrent, sondern seine Ideen seien zu alt für das Präsidentenamt. Auf Doles Kritik an Skandalen und „ethischen Fehlern“ der Regierung ging Clinton nicht ein. Bei der Wahl holte er eine große Mehrheit.
Spekulationen über mysteriöses Gerät
Der republikanische Gouverneur von Texas, George W. Bush, und Clintons Vize, Al Gore, ließen hingegen bei ihrem ersten Auftritt im Wahljahr 2000 keine Gelegenheit zur gegenseitigen Kritik aus. Dabei seufzte der Demokrat Gore immer wieder hörbar und despektierlich, wenn Bush sprach. Die Wahl ging äußerst knapp aus. Bush gewann schließlich dank einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes.
In der ersten Debatte bei der Wahl 2004 zeigte sich Präsident Bush immer wieder sichtlich verärgert über seinen Herausforderer, den demokratischen Senator John Kerry. Für Gerüchte sorgte ein mysteriöses Gerät in Bushs Jackentasche. Kerry hatte hingegen Wissenslücken beim Thema Irak. Bush behauptete sich im Amt.
„Joe, der Installateur“
In ihrem dritten Duell vor vier Jahren stritten der demokratische Senatoren Barack Obama und der republikanische Senator John McCain vor allem über die Steuerpolitik. Dabei spielte „Joe, der Installateur“ eine große Rolle. Der Mann aus Ohio hatte sich bei Obama über dessen Steuerpläne für den Mittelstand beklagt. McCain teilte die Befürchtungen, Obama hielt dagegen. Er machte Pluspunkte bei den Zuschauern und zog als erster Schwarzer ins Weiße Haus ein.
Zwar sind sich die Experten einig, dass sich die allermeisten Wähler durch die TV-Debatten nicht grundlegend umstimmen lassen, sondern lediglich ihre bisherige Meinung über die Kandidaten bestätigen lassen. Die Fernsehdebatten zielen aber gemeinhin vor allem auf die wichtige Gruppe der unentschlossenen Wähler ohne feste Parteibindung ab, die Wahlen entscheiden können - und am ehesten durch solche Fernsehduelle zu beeinflussen sind.