Alle Beteiligten bauen schon vor
Mit Worten wie „Erdbeben“ und „Alptraum“ haben die Verurteilten im Birnbacher-Prozess am Montagabend die kompromisslosen Urteile bedacht. Doch auch sie denken schon weiter, vor allem an die nächste gerichtliche Instanz. Auch aus anderen Reaktionen auf den Spruch des Klagenfurter Schöffensenats wird klar, dass die Urteile nicht nur ein Schlusspunkt, sondern auch ein Anfang sind.
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Dass sich dieselben Beschuldigten noch einmal wegen derselben Causa vor Gericht wiederfinden werden, ist gut möglich: Die Anwälte dreier Verurteilter - des ehemaligen Kärntner ÖVP-Chefs Josef Martinz und der beiden Ex-Vorstände der Kärntner Landesholding (KLH), Hans-Jörg Megymorez und Gert Xander - legten umgehend Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde ein. Auch die Staatsanwaltschaft will die Causa noch einmal verhandeln: Ihr sind die Urteile nicht streng genug. Steuerberater Dietrich Birnbacher erbat sich drei Tage Bedenkzeit.
„Der andere ist nicht mehr da“
Die Erkenntnisse aus dem Prozess könnten zudem Verfahren gegen weitere Schlüsselfiguren bringen. Richter Manfred Herrnhofer betonte, das gesamte Untreuekonstrukt sei auf Befehl der Politik geschaffen und Martinz folgerichtig mit dem harten Urteil von fünfeinhalb Jahren unbedingter Haft für das „schmutzigste Geschäft“ in der Geschichte Kärntens bedacht worden. Als politischen Akteur habe dieses Urteil nur deshalb Martinz allein getroffen, weil „der andere nicht mehr da ist“ - gemeint ist der verstorbene BZÖ-Landeshauptmann Jörg Haider.
Die Urteile
Ex-ÖVP-Chef Josef Martinz wurde wegen Untreue (Paragraf 153 StGB) zu einer unbedingten Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt, Hans-Jörg Megymorez und Gert Xander zu drei bzw. zwei Jahren Gefängnis. Steuerberater Dietrich Birnbacher, der als Einziger geständig war, erhielt drei Jahre - zwei davon bedingt auf drei Jahre.
In mehrfacher Hinsicht unterstrich Herrnhofer außerdem, dass das Scheingeschäft eines Millionenhonorars für Birnbachers „Expertise“ zum Hypo-Verkauf aktiv von der Kärntner Politik abgesichert wurde. Tatsächlich ist die Staatsanwaltschaft aufgrund Birnbachers Aussagen im Prozess schon gegen Ex-FPK-Chef Uwe Scheuch und dessen Parteifreund Landesrat Harald Dobernig aktiv geworden. Birnbachers Verteidiger Richard Soyer mutmaßte bereits in seinem Schlussplädoyer über kommende Belege dafür, dass „sich Verbrechen nicht auszahlt“.
FPK und ÖVP rücken möglichst weit ab
Da das Urteil nicht rechtskräftig ist, gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung. Birnbacher selbst etwa baute dementsprechend schon unmittelbar nach dem Urteil für die Zukunft vor und unterstrich noch einmal, er werde nun „alles in meiner Macht Stehende tun, um meine Schuld nicht nur über die gerichtlich verhängte Strafe, sondern auch faktisch zu tilgen“. Birnbacher überlegt, in Berufung zu gehen. Das bedeutet, dass er den Schuldspruch akzeptiert, jedoch noch seine Strafe drücken will.
Die politischen Akteure bauten ebenso für künftige Zeiten vor: Der nunmehrige FPK-Obmann Kurt Scheuch, Uwe Scheuchs Bruder, will aus den Urteilen etwa herauslesen, dass „die Freiheitlichen in Kärnten in keiner Weise mit dem ÖVP-Birnbacher/Martinz-Skandal etwas zu tun haben“. Die ÖVP verwies darauf, dass durch Martinz’ Ausschluss aus der ÖVP „die Konsequenzen schon längst gezogen“ worden seien. Martinz selbst hatte in seinem Prozessschlusswort beklagt, dass ihn „die eigenen Leute“ als Erste „fallengelassen“ hätten.
Noch mehr Politikverdrossenheit durch Urteil?
SPÖ und Grüne umgekehrt wiesen in ihren Reaktionen explizit darauf hin, dass am Montagabend in Klagenfurt „ein System verurteilt“ worden sei beziehungsweise „weitere Kapitel jetzt auf ihre juristische Bearbeitung warten“. Die Grünen betonten zudem, dass „die Kärntner Regierungspolitik unter der Proporzregierung aus SPÖ, FPK/BZÖ und ÖVP Korruption nicht verhindern konnte“ - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Nach Meinung der Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle sind die Grünen auch die Einzigen, die aus der Causa komplett unbeschadet hervorgegangen sind und bei der kommenden Kärntner Wahl davon auch profitieren könnten. Die Expertin zeigte sich am Dienstag gegenüber dem Ö1-Morgenjournal allerdings wenig optimistisch: Die Affäre sei noch lange nicht aufgearbeitet, als unmittelbare Folge des Urteils werde vor allem die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung weiter steigen - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Konsequenzen für künftige Verfahren erwartet
Unmittelbare Folgen im Hinblick auf die Korruptionsbekämpfung in Österreich könnte das Urteil allerdings für Causen haben, die in absehbarer Zeit vor heimischen Gerichten verhandelt werden sollten - etwa die Vorwürfe gegen Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser und jene gegen den ÖVP-nahen Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly. Dazu kommt noch die Arbeit der Staatsanwälte etwa in der Causa BUWOG. Allein dadurch, dass die Causa betont nüchtern als „normales“ Delikt abgehandelt wurde, brach sie mit bisherigen Gepflogenheiten in Österreich.
Bereits in den ersten Kommentaren zu den Urteilen von Montagabend wird auch auf diesen Umstand verwiesen. Die „Presse“ verweist etwa in ihrer Dienstag-Ausgabe darauf, dass Strassers Name als angeblicher „Experte“ für derartige „Finanzierungsmodelle“ schon im Birnbacher-Prozess gefallen sei. Die „Tiroler Tageszeitung“ wiederum vermutet, die Klagenfurter Urteile „dürften die Nervosität der Angeklagten in den kommenden Korruptionsprozessen massiv erhöhen“.
Lukas Zimmer, ORF.at
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