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Opposition bereitet Machtübernahme vor

Die Opposition stellt sich nach der Parlamentswahl in der Südkaukasusrepublik Georgien auf eine Machtübernahme ein: Präsident Michail Saakaschwili gestand am Dienstag seine Niederlage ein. Saakaschwilis rasch erfolgte TV-Ansprache dämpfte Sorgen, dass ein Regierungswechsel unter Umständen gewaltsam verlaufen könnte.

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„Es ist klar, dass der Georgische Traum eine Mehrheit gewonnen hat“, räumte Saakaschwili dem Oppositionsbündnis des Milliardärs Bidsina Iwanischwili den Sieg ein. Er werde den Willen der Wähler respektieren, seine Partei gehe in die Opposition, so der Staatschef bei seiner Fernsehansprache. Die erst im April gegründete Bewegung Georgischer Traum lag nach Auszählung von einem Viertel der Wahlzettel bei 53 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission am Dienstag in Tiflis mitteilte. Wahlbeobachter berichteten von mehreren Zwischenfällen bei der Auszählung.

Das gegnerische Lager von Präsident Saakaschwili kam demnach auf gut 41 Prozent der Stimmen, räumte aber zunächst nur eine Teilniederlage ein. Aufgrund der Besonderheiten des Wahlgesetzes und der Direktmandate sei am Ende aber doch noch ein Sieg seiner Partei möglich, sagte Saakaschwili im Staatsfernsehen mit verdüsterter Miene.

Stern seit 2008 im Sinkflug

Saakaschwili war im Zuge der Protestbewegung 2003 an die Macht gelangt. Der im Westen ausgebildete Politiker galt zunächst als Hoffnungsträger der Demokratiebewegung, doch sein Stern begann nach der Niederlage im militärischen Konflikt mit Russland im Sommer 2008 zu sinken. Kritiker warfen ihm zuletzt autoritäre Tendenzen und die Unterdrückung der Opposition vor. Ein Skandal um die Folterung von Gefangenen beschädigte zuletzt das Ansehen seiner Regierung.

Famiie Sakaschwilli bei der Stimmabgabe

AP/Efrem Lukatsky

Saakaschwili ist seit der Rosenrevolution 2003 an der Macht. Iwanischwili wirft dem einstigen Helden der georgischen Demokratiebewegung eine inzwischen autoritäre Staatsführung vor.

Europaflaggen, Autokorsos und Hupkonzerte

Es galt jedoch als sicher, dass das Machtmonopol von Saakaschwili neun Jahre nach der unblutigen Rosenrevolution von 2003 gebrochen ist. Bisher amtierte der Staatschef mit einer Zweidrittelmehrheit und regierungstreuen Parteien im Parlament. Die Hauptstadt Tiflis ging komplett an die Opposition, die bisher nicht im Parlament vertreten war. In der Metropole feierten Zehntausende die ganze Nacht mit Europaflaggen, Autokorsos und Hupkonzerten den vermeintlichen Sieg der Opposition.

Die Saakaschwili-Gegner erhielten aus Sicht von Kommentatoren vor allem durch einen Folterskandal Auftrieb. Mitte September veröffentlichte Videos zeigten, wie Wärter Gefangene vergewaltigen und misshandeln. Die Opposition rechnet mit mindestens 93 der 150 Sitze im Parlament. Der bisherigen Regierungspartei Vereinte Nationale Bewegung gestand sie 46 Sitze zu, wie es in der Mitteilung hieß. Die Verteilung von elf Mandaten war demnach noch unklar.

„Es gab Gewalt, es gab Lügen“

Der 56 Jahre alte Iwanischwili rief Saakaschwilis Lager zur Zusammenarbeit auf. „Es gab Gewalt, es gab Lügen. Heute müssen wir uns zusammenschließen und ein neues einiges Georgien aufbauen“, sagte der reichste Mann des Landes mit einem strahlenden Lächeln. Iwanischwili strebt wie sein Gegner eine Mitgliedschaft des verarmten Landes in der EU und NATO an.

Wahlbeobachter berichteten von zahlreichen Zwischenfällen bei der Auszählung. In Chaschuri im zentralen Teil des Landes hätten maskierte Spezialeinheiten Wahllokale gestürmt, Beobachter vertrieben und Wahlprotokolle zugunsten der Regierung gefälscht, berichtete der Oppositionskanal TV9. Die Wahlzentrale teilte mit, dass dort die Ergebnisse annulliert würden. Zudem hieß es, dass die Website der Wahlkommission in der Nacht von Hackern attackiert worden sei. Diese funktionierte am Morgen wieder normal.

Georgischer Milliardär Bidsina Iwanischwili und Ehefrau beten in einer Kirche

AP/Georgy Abdaladze

Iwanischwili ließ sich am Tag der Wahl beim Kirchgang fotografieren

OSZE: Freie Wahl trotz Einschüchterung

Internationale Beobachter sprachen von einer „freien“ Wahlentscheidung der Bürger. Sie riefen die rivalisierenden Parteien auf, für den Fortschritt der Demokratie zusammenzuarbeiten. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) lobte die Parlamentswahl als demokratisch und frei, beklagte aber auch eine Atmosphäre der Einschüchterung. Der Wahlkampf sei äußerst konfrontativ und von persönlichen Angriffen geprägt gewesen, sagte am Dienstag Tonino Picula, der die OSZE-Kurzzeitbeobachtermission leitete, in der Hauptstadt Tiflis.

Sein Kollege Luca Volonte rief die Lager zur Zusammenarbeit im künftigen Parlament auf. Es gelte, die demokratischen Reformen in der Ex-Sowjetrepublik fortzusetzen. Insgesamt waren am Vortag 3,6 Millionen Wähler aufgerufen, das Parlament zu wählen. Die Wahlbeteiligung lag bei mehr als 60 Prozent. Das alte Parlamentsgebäude in Tiflis ist nach Angaben des Machtlagers verkauft worden. Das neue Parlament liegt in der zweitgrößten Stadt Kutaissi etwa 220 Kilometer westlich von Tiflis.

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