Wachstum als sozialer Sprengstoff
Über 180.000 Streiks und Demonstrationen finden jährlich in China statt - das sind im Schnitt fast 500 pro Tag. Neben Korruption ist mangelnder Umweltschutz der Hauptgrund für die Aufstände. Mehrere Großprojekte wurden durch Bürgerproteste bereits zu Fall gebracht, und die Anzahl der ökologisch motivierten Proteste steigt rasant. Die KP-Führung hat bisher keine adäquate Antwort auf den Aufstand der chinesischen „Wutbürger“ gefunden.
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Offiziell gibt man den lokalen Behörden, die für die Fehlentscheidungen verantwortlich seien, die Schuld. Hinter den Kulissen wird das Problem in charakteristischer Manier der Dekade unter Präsident Hu Jintao abgehandelt: großflächige Proteste um jeden Preis vermeiden – sei es mit Gewalt oder mit Zugeständnissen.

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Das Polizeiaufgebot bei einem der letzten größeren Umweltproteste in Qidong war enorm. Die Aktivisten ließen sich dennoch nicht abhalten - im Gegenteil.

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Die Proteste richteten sich gegen die Einleitung von Industrieabwässern aus einem 100 Kilometer entfernten Papierwerk ins Meer nahe der Hafenstadt Qidong. Mit Hilfe von kleinen Blogs und Sozialen Netzwerken wurden Zehntausende Mitstreiter mobilisiert. Ein Regierungsgebäude wurde besetzt und verwüstet.

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Aus dem Haus schleppten die Demonstranten Kisten voller Alkohol und Zigaretten, die in China als Bestechungsmittel für Beamte gelten. Zwei Autos wurden umgekippt, die Dokumente aus dem Gebäude zwischen ihnen verteilt.

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Die Situation eskalierte zusehends ...

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... es gab Verletzte auf beiden Seiten

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Die Abstände der Proteste quer durch das Land scheinen immer kürzer zu werden: Erst einen Monat davor demonstrierte die Bevölkerung der Stadt Shifang erfolgreich gegen die Errichtung einer Kupferschmelze.

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Zunächst hieß es lediglich, man wolle das Projekt erneut überprüfen, schon bald darauf wurde es gänzlich abgesagt.

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Die ersten großen Proteste ein Jahr davor richteten sich gegen eine Chemiefabrik in der Stadt Dalian – ebenfalls mit Erfolg.

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Auch in Qidong lenkten die Entscheidungsträger ein. Der Stopp des Projekts wurde noch während der Demonstrationen auf einer Anzeigetafel verkündet: für den US-Soziologen Yang Guobin, der an der Analyse von Umweltprotesten arbeitet, ein Paradebeispiel der üblichen Vorgangsweise.

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Guobin: „Der Zugang unterstreicht den Einsatz von Gewalt, wenn notwendig. Aber wenn die staatliche Intervention nicht funktioniert, mache sofortige Zugeständnisse, um eine Eskalation der Bewegung zu verhindern. Handle in jedem Fall schnell.“
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