Was tun gegen Zeugenschwund?
Der Zeugenschwund im Untersuchungsausschuss sorgt quer durch alle Fraktionen für Empörung, über die Konsequenzen herrscht allerdings Uneinigkeit. Die Opposition drängt auf eine Verlängerung des Ausschusses über den von der Koalition als Endtermin ins Auge gefassten 16. Oktober hinaus. SPÖ und ÖVP lehnten das am Mittwoch neuerlich ab - genauso wie die von allen Oppositionsparteien beantragte Ladung von Kanzler Werner Faymann (SPÖ) zur Inseratenaffäre.
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SPÖ-Fraktionschef Otto Pendl sagte, man werde beim Versuch der „Kriminalisierung“ des Bundeskanzlers nicht mitspielen. Der Opposition gehe es um die Gleichsetzung von Inseratenschaltungen mit Hunderte Millionen Euro schweren Verfehlungen, kritisierte Pendl mit Blick auf andere im Ausschuss behandelte Themen wie die Telekom-Austria-Affäre. Da mache die SPÖ nicht mit.
ÖVP verweist auf Kompromiss
ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon begründete die Ablehnung der Faymann-Ladung damit, dass man erst vor wenigen Tagen (unter der Drohung von SPÖ und ÖVP, den Ausschuss andernfalls sofort zu beenden, Anm.) einen Kompromiss mit der Opposition über eine Ladungsliste erzielt habe, auf der Faymann nicht aufscheine. Amon rechnet daher nicht mehr mit Faymanns Aussage: „Ich sehe nichts, was da passieren kann.“
BZÖ-Ausschussmitglied Stefan Petzner kritisierte, dass die Koalition die Ladung des Kanzlers ohne Begründung abgelehnt habe. Ähnlich auch der Grüne Peter Pilz, der nun „jeden Tag“ neue Fakten über Faymann und dessen früheren Büroleiter und nunmehrigen Medienstaatssekretär Josef Ostermayer vorlegen will. FPÖ-Fraktionsführer Harald Vilimsky möchte im Ausschuss die Aussagen Faymanns jenen des ehemaligen ÖBB-Managers Stefan Wehinger gegenüberstellen.
ÖBB-Werbung für Schüssel kein Thema
Ebenfalls abgelehnt wurde von der Koalition die Forderung, die Finanzierung der 60er-Feier des damaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP) im Jahr 2005 durch die ÖBB im Ausschuss zu thematisieren. Man könne nicht „auf alles aufhüpfen“, sagte Pendl am Mittwoch in einer Sitzungspause. Amon sieht im Bekanntwerden des Sponsorings der Feier durch die ÖBB ein „Ablenkungsmanöver“.
Der Ausschuss wollte sich am Mittwoch eigentlich der Inseratenaffäre um Faymann widmen und dazu drei frühere leitende Mitarbeiter der staatlichen Autobahngesellschaft ASFINAG befragen. Ex-ASFINAG-Sprecher Marc Zimmermann sowie die unter Faymann abgelösten Ex-Vorstände Franz Lückler und Mathias Reichhold (FPÖ) sagten jedoch ab, Ex-Infrastrukturminister Reichhold, weil er als Landwirt angeblich im „Ernteeinsatz“ und daher unabkömmlich sei.
Polizeiliche Vorführung?
Amon und Vilimsky drohten den nicht erschienenen Auskunftspersonen die polizeiliche Vorführung an. „Es kann nicht sein, dass ein Ausschuss in dieser sehr heiklen Phase durch lapidare Erklärungen abgewürgt werden soll“, so Vilimsky. Auch für Amon ist Reichholds Entschuldigung „nicht ausreichend“. Er geht davon aus, dass eine polizeiliche Vorführung bis zum Ende des Ausschusses am 16. Oktober noch möglich wäre.
Anders sieht das SPÖ-Fraktionsvorsitzender Pendl. Für ihn ist die Vorführung wegen des Fristenlaufes und der Einspruchsmöglichkeiten der Betroffenen keine Option. „Das funktioniert auch nicht von heute auf morgen“, sagte Pendl. Außerdem sei der Zeugenschwund „kein Phänomen dieses Ausschusses“, sondern Zeichen für den allgemeinen Reformbedarf der Verfahrensordnung.
Pilz will Reichholds Eierernte beobachten
Das Fernbleiben von Reichhold, der einen Ernteeinsatz als Grund anführte, kommentierte Pilz lakonisch: Die Eierernte des „Hendl- und Hühnerbauern Reichhold“ werde genau beobachtet. Die ferngebliebenen Zeugen müssten erneut unter Androhung von Vorführung geladen werden. Reichhold selbst sagte, er habe Spezialsoja, „das in dieser Woche abgeerntet werden muss, sonst ist es vernichtet“ - mehr dazu in oestereich.ORF.at.
Für Rosenkranz sind die Absagen nur „Anfangsschwierigkeiten“. Dass es tatsächlich zur polizeilichen Vorführung einzelner Auskunftspersonen kommen wird, glaubt Rosenkranz nicht und verweist darauf, dass alle Zeugen Alternativtermine angeboten hätten.
Opposition pocht auf Verlängerung
Grüne und BZÖ wollen jedenfalls weiterhin die Verlängerung des Ausschusses. Pilz fordert außerdem - wie auch Vilimsky - die Ladung Faymanns zur Inseratenaffäre. Außerdem will Pilz zur TA-Affäre noch weitere zehn Zeugen beantragen und droht SPÖ und ÖVP mit der Veröffentlichung neuer Unterlagen zu den TA-Ostgeschäften. Für Petzner ist das Ende am 16. Oktober ebenfalls „nicht haltbar“: „Der Untersuchungsausschuss muss so lange tagen, bis alle Zeugen erschienen sind.“
Vorführung erst nach zwei Ladungen
Wie eine polizeiliche Vorführung von Auskunftspersonen theoretisch funktionieren könnte, schilderte Verfahrensanwalt Klaus Hoffmann: Dafür müsste dem betreffenden Zeugen zuerst einmal eine Vorführung angedroht werden. Lässt er den Ladungstermin trotzdem verstreichen, müsste eine zweite Ladung erfolgen. Verstreicht auch dieser Termin, dann könnte der Ausschuss bei der Polizei die Vorführung beantragen. Hoffmann rechnet allerdings offenbar nicht damit, dass das tatsächlich geschieht, und verweist auf das Ende bis 16. Oktober: „Sie kennen den Zeitplan.“
Die Grüne Gabriela Moser weint angesichts der aktuellen Entwicklung ihrem vor kurzem zurückgelegten Ausschussvorsitz jedenfalls nicht nach: Sie sei froh, dass sie nicht mehr das Aushängeschild für einen „Untersuchungsausschuss im Schnellwaschgang“ sei, sagte sie vor Sitzungsbeginn.
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