„Ein ewiger One-Night-Stand“
Etwa 400.000 Wörter umfassen die Tagebuchaufzeichnungen und Notizen des 1984 verstorbenen Schauspielers Richard Burton, die in Großbritannien nun erstmals in Buchform herausgegeben worden sind. Darin werden nicht nur jede Menge Details aus dem Leben des zweimaligen Ehemanns von Elizabeth Taylor offenbart, sondern auch seine hingebungsvolle Liebe zur Literatur - und sein eigenes schriftstellerisches Talent.
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Mit viel Humor und teils schonungsloser Ehrlichkeit, wie sie meist nur in Tagebüchern zu finden ist, notierte er seine Gedanken zu Menschen, mit denen er zusammenlebte, -arbeitete oder die er bei einer der unzähligen High-Society-Partys traf. Die britische Tageszeitung „Telegraph“ veröffentlichte in den letzten Tagen in einer Serie Auszüge aus dem nun erschienenen Buch „The Richard Burton Diaries“.
Darin ist zu lesen, dass Peter O’Toole etwa charmant sei, aber „ein richtiger Schwindler“, der ihn während eines Besäufnisses im Flugzeug bezüglich der Zahl seiner Oscar-Nominierungen angeschwindelt hätte - „Hält er uns für Idioten?“ Marlon Brando wäre mit seiner undeutlichen Artikulation „zwei Generationen früher, beim Stummfilm, besser aufgehoben gewesen“, und Lucille Ball war in den Augen Burtons ein „verlebtes Monster“ ohne Charme und Humor.
Mit Taylor (in den Tagebüchern meist nur als „E“ bezeichnet), seiner großen Liebe, die er zweimal heiratete und von der er sich zweimal scheiden ließ, war Burton gern gesehener Gast auf Partys der besseren Gesellschaft auf der ganzen Welt. Dass die Geschichten über die regelmäßigen Streitausbrüche ebenso wenig Legenden sind wie der übermäßige Alkoholkonsum beider Schauspieler ist in den Tagebüchern ebenfalls sehr oft Thema.

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Taylor und Burton waren gern (aber selten nüchtern) gesehene Partygäste
Drei Flaschen Vodka am Tag
„Ich habe im Laufe des Tages, so höre ich von Freunden, drei Flaschen Wodka getrunken. Und das beinhaltet natürlich den Abend nicht, ich denke ich habe mich dann eingebremst“, schrieb Burton 1968. Immer wieder versuchte er auch, seinen Hang zum Alkohol zu begründen: Zu trinken sei für ihn wie ein Schmerzmittel, das ihn vergessen lasse, wie langweilig und ängstlich die Menschen sind - und „ich vergaß, wie langweilig ich selbst bin“.
Seine Entzugsversuche unternahm Burton weniger wegen seiner körperlichen Verfassung (immer wieder nimmt er Bezug auf seine geschädigte Leber), sondern vielmehr aus Sorge um sein Äußeres und darüber, „dass ich vorübergehend alle sexuellen Bedürfnisse verloren habe, was sehr frustrierend für E ist. Wenn sie zurückkommen, dann wird das eine gewaltige Explosion. Falls sie zurückkommen, was ich sehr hoffe.“
„Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ im wahren Leben
Wer die Passagen über die Beziehung des Hollywood-Traumpaares liest, könnte meinen, dass der Film „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ weniger auf dem gleichnamigen Theaterstück von Edward Albee basiert als vielmehr auf der Realität. Leidenschaft wechselte sich mit Alkoholexzessen ab, Streit mit wertvollen Geschenken. Vieles, was man in Burtons Tagebüchern lesen kann, hielt man bis dato für geschickt platzierte PR-Arbeit, doch die privaten Aufzeichnungen zeigen, dass das Leben der beiden tatsächlich geprägt von Dramen war.
Begonnen hat die Liebe zwischen Burton und Taylor bei einem Filmdreh Anfang der 1960er Jahre. Die Geschichte der legendären ägyptischen Königin soll auf die Kinoleinwand kommen - mit Taylor in der Titelrolle als Cleopatra, Burton, der sie damals noch etwas abschätzig „Miss Tits“ genannt und bei einem der ersten Treffen gesagt haben soll: „Du bist zu fett“, wurde zu Marcus Antonius - und das Schicksal nahm seinen Lauf.

AP/Warner Bros
In „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ aus dem Jahr 1965 sind Taylor und Burton als Filmehepartner zu sehen, die sich das Leben gegenseitig zur Hölle machen
Beliebtes Paparazzi-Motiv
Obwohl beide noch anderweitig verheiratet waren, verliebten sie sich, trennten sich von ihren Ehepartnern und heirateten. Für Burton war es die zweite Ehe, für Taylor die fünfte. Die erste Zeit der jungen Liebe markierte so etwas wie den Anfang der modernen Paparazzi-Kultur - Fotografen folgten dem Paar auf Schritt und Tritt. Nicht immer angenehm, wie Burton in seinen Tagebüchern festhielt, doch oft auch sehr schmeichelhaft. Als sie etwa beim Shoppen im Italien-Urlaub ein Geschäft verließen, hätten ihnen die „Menschen, die zusammengelaufen sind, applaudiert. E fand das sehr süß, und das war es tatsächlich“, ist nun im Tagebuchauszug im „Telegraph“ zu lesen.
Die Verliebtheit, die Anziehung, die beide aufeinander ausübten, und die Leidenschaft werden in den Tagebüchern immer wieder zum Thema. Drei Jahre nach der ersten Hochzeit notierte Burton: „Ich liebe sie abgöttisch und ich möchte im Moment ständig mit ihr schlafen, was leider einige Tage nicht möglich ist. Wenn sie wieder hier ist, wird sie Schwierigkeiten haben zu gehen.“
„Leben ohne sie ist eine einzige Verschwendung“
Liebesschwüren wie „das Leben ohne sie ist eine einzige Verschwendung“ oder „E ist wie ein ewiger One-Night-Stand“ folgten jedoch immer wieder - und mit zunehmender Häufigkeit - Notizen über Streitereien, Eifersucht und Alkoholexzesse. „Seit einem Jahr streiten wir uns über alles und jeden. Ich habe immer heftig getrunken, aber während der letzten 15 Monate habe ich mich mit dem Zeug fast umgebracht, und Elizabeth sich ... Ich bin verzweifelt“, schrieb Burton.

Kindle Edition
Buchhinweis
„The Richard Burton Diaries“, Yale University Press, 704 Seiten, 28,10 Euro.
1972 enden die kontinuierlichen Tagebücher Burtons, 1975 führt er sie - wenngleich nur sporadisch - fort. Über die zweite Hochzeit hielt er etwa fest: „Wir haben uns entschieden, hier (in Südafrika, Anm.) so bald wie möglich zu heiraten, bevor E (oder ich, wenn wir schon dabei sind) die Meinung ändert. Ich liebe sie, maßlos und über alles.“
„Sie tut mir leid, das arme Ding“
Nur zwei Jahre später folgte die zweite Scheidung. Burton war danach von 1976 bis 1982 mit Susan Hunt, der ehemaligen Ehefrau von Formel-1-Legende James Hunt verheiratet, 1983 ehelichte er die BBC-Presseagentin Sally Hay. Ein Jahr vor seinem Tod kam es zu einer letzten Zusammenarbeit mit Taylor im Rahmen einer Broadway-Produktion.
Obwohl zu diesem Zeitpunkt nur noch sehr unregelmäßiger Tagebuchschreiber, war der Zustand seiner Ex-Frau Grund für mehrere Einträge. Sie sei dauerbetrunken und könne ihren Text nicht einmal ordentlich vom Drehbuch ablesen, sie erkläre ihm zweimal täglich, wie alleine sie sei. „Sie tut mir leid“, schrieb der Schauspieler, „das arme Ding“. Kurz darauf enden die Tagebücher, gut ein Jahr später, am 5. August 1984, erlag Burton den Folgen einer Gehirnblutung. Er wurde nur 58 Jahre alt.
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