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Mehr Frauen als Männer betroffen

Aspirin, Paracetamol, Ibuprofen - schnell sind Schmerzmittel parat, um auftretende Kopfschmerzen und Migräne zu lindern. Je öfter man zur Tablette greift, desto mehr können sich diese Kopfschmerzen allerdings noch verstärken, warnen Experten. Das wird in der Diagnose und Ursachenforschung von Kopfschmerzen häufig übersehen.

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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fand für diese durch Schmerzmittel entstehenden Kopfschmerzen mit „Medication Overuse Headache“ (MOH) erstmals 2004 eine Bezeichnung. Den WHO-Angaben zufolge sind zumindest fünf Prozent weltweit davon betroffen. Andere Studien gehen von rund einem Prozent der Bevölkerung jedes Landes aus, das von medikamentenbedingten Kopfschmerzen betroffen ist. Frauen leiden mehr als dreimal so häufig an diesen Kopfschmerzen wie Männer.

„Eine Tablette täglich“ schon riskant

In Österreich dürfte die Zahl der Betroffenen mit einem Prozent der Bevölkerung ähnlich hoch sein, vermutet die Neurologin Karin Zebenholzer, stellvertretende Leiterin der Kopfschmerzambulanz an der Meduni Wien, im Interview mit ORF.at. Bei der Spezialambulanz selbst liegt der Anteil bei etwa 20 Prozent. Das britische Gesundheitsinstitut National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) gab an, dass in Großbritannien mindestens einer von 50 davon betroffen ist, berichtete die BBC. Das bedeutet, dass rund eine Million Briten nahezu täglich, zumindest aber an 15 Tagen im Monat an durch Schmerzmittel verursachtem Kopfweh leiden.

„Es reicht schon eine Tablette täglich an mindestens 15 Tagen im Monat mindestens drei Monate lang, um gefährdet zu sein“, sagt Zebenholzer. „Nimmt man die Medikamente gegen häufige Kopfschmerzen, lässt auch die Wirkung nach. Die Dosis muss erhöht werden.“ Oft nehmen Patienten zwei bis fünf Schmerzmittel pro Tag, weiß die Neurologin aus Erfahrung. Diese Ursachen für Kopfschmerzen werden zwar immer häufiger erkannt, in der Allgemeinmedizin gebe es aber noch Nachholbedarf: „Bei vielen Patienten dauert es im Schnitt fünf bis sechs Jahre bis zur Diagnose“, so Zebenholzer.

Medikamente an zehn bis 15 Tagen pro Monat

Zur Risikogruppe zählen Patienten, die ohnehin an durch Spannungen oder Migräne verursachten Kopfschmerzen leiden und dann immer häufiger zu Schmerzmitteln greifen - je nach Art des Medikaments regelmäßig mehr als zehn bis 15 Tage pro Monat. Das Problem bei der häufigen Einnahme von schmerzlindernden Medikamenten ist die sinkende Schmerzschwelle. Reize, die sonst nicht als schmerzhaft wahrgenommen werden, werden nun als Schmerzen empfunden. Als Konsequenz werden noch mehr Medikamente eingenommen.

Gefangen in einem Teufelskreis

Deutliches Zeichen für MOH sind Anzeichen von verstärktem Kopfweh trotz Einnahme der Medikamente. Die Symptome ähneln einer Mischung aus Migräneschmerzen und durch Spannungen verursachtem Kopfweh. Irgendwann landen die Patienten in einem Teufelskreis, denn der Körper stellt sich zusehends auf die chemischen Substanzen der zusätzlich eingenommenen Tabletten ein.

Häufig muss die Dosis erhöht werden, um eine gleichbleibende Wirkung zu erzielen. Experten zufolge können alle Schmerzmittel, die gegen Kopfweh eingesetzt werden können, diese Symptome bewirken. Auch gängige Mittel wie Aspirin und Paracetamol sind davon nicht ausgenommen. Besonders riskant sind Kombinationspräparate, die mehrere Wirkstoffe und zusätzlich Koffein enthalten. Diese unterliegen auch strengeren Gesetzen.

Stopp als einzige Therapiemöglichkeit

Einzige Therapie dagegen: sofort keine der häufig eingenommenen Schmerzmedikamente einzunehmen. Wenn das mit Entzugserscheinungen einhergeht, empfehlen Wissenschaftler ärztliche Begleitung, denn es ist wahrscheinlich, dass etwa Entzugskopfschmerzen auftreten. Lediglich die Dosis zu reduzieren reicht laut Experten nicht aus. Vielmehr wird beim Entzug oft eine begleitende vorbeugende Therapie eingesetzt - medikamentös auf eine bestimmte Zeit und mit ergänzenden Maßnahmen wie Akupunktur.

Präparate wie Aspirin und Ibuprofen, die nur einen Wirkstoff beinhalten, können laut Experten leichter abgesetzt werden als kombinierte Schmerzmittel. Allerdings müssen Patienten in manchen Fällen laut Zebenholzer auch hier mit Unruhe, Schlafstörungen, Übelkeit und vor allem Kopfschmerzen rechnen. Diese Nebenerscheinungen legen sich nach einigen Wochen. Zebenholzer: „Bei Patienten, die zu Kopfweh neigen, kann die Medizin diese Schmerzen aber nicht völlig beseitigen.“

Simone Leonhartsberger, ORF.at

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