Aufgeheizte Stimmung
Eskaliert der schwelende Streit zwischen China und Japan um eine Inselgruppe im Ostchinesischen Meer, droht auch ein Handelskrieg zwischen den beiden Ländern. Dieser hätte verheerende Folgen für die beiden größten Volkswirtschaften in Asien - und für den Rest der Welt.
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Beide Volkswirtschaften sind abhängig voneinander und eng miteinander verbunden. Dennoch argumentierten staatliche chinesische Zeitungen zuletzt damit, dass China die japanische Wirtschaft mit einem Handelskrieg treffen könne, ohne selber ähnlich stark zu leiden. Demonstranten rufen zum Boykott japanischer Waren auf. Der Ruf nach Sanktionen steht im Raum.
Japans Wirtschaft würde im Fall von Sanktionen empfindlich getroffen werden, Chinas Verlust wäre vergleichsweise gering - so der Analyst Jin Baisong, der einen eng mit dem chinesischen Wirtschaftsministerium verzahnten Thinktank leitet, gegenüber der englischsprachigen „China Daily“.
Der Stein des Anstoßes
Die Proteste hatten sich entzündet, nachdem die japanische Regierung vergangene Woche trotz eindringlicher Warnungen Chinas einen Teil einer unbewohnten Inselgruppe im Ostchinesischen Meer einem privaten, japanischen Besitzer abgekauft hatte. Die Inselgruppe - in China Diaoyu und in Japan Senkaku genannt - birgt seit längerem politischen Zündstoff. Sie liegen in fischreichen Gewässern, zudem werden umfangreiche Gasvorkommen unter dem Ozean vermutet.
Japanische Firmen schließen Tore
Wegen der aufgeheizten antijapanischen Stimmung in China stellen nun immer mehr japanische Firmen - darunter Schwergewichte wie Toyota und Sony - ihre Arbeit in China vorübergehend ein. Die Liste der Konzerne ist lang.
Neben Toyota und Sony sind es Canon, Mitsubishi Electric, Panasonic, Mazda, Honda, Yamaha, Suzuki und der Baumaschinenhersteller Komatsu. Hitachi Construction Machinery teilte mit, 25 japanische Beschäftigte würden aus Sicherheitsgründen nach Japan zurückbeordert. Der Handelskonzern Aeon schloss 30 seiner 35 Supermärkte in China. Nissan Motor gab unterdessen bekannt, nach einem zweitägigen Stopp am Mittwoch die Produktion wiederaufnehmen zu wollen.

AP/Kyodo
Marineschiffe beider Länder vor der Inselgruppe im Ostchinesischen Meer
Toyota und Honda hatten bereits nach dem Wochenende von heftigen Schäden nach Übergriffen in der ostchinesischen Stadt Qingdao berichtet. Japan-Restaurants verbarrikadierten am Dienstag die Türen aus Angst vor Überfällen. Die Ratingagentur Fitch warnte vor einer drohenden Verschlechterung der Kreditwürdigkeit einiger japanischer Auto- und Technologiefirmen wegen der angespannten Lage. Einige Experten sagten, dass die jüngsten Entwicklungen langfristig zu einem Überdenken der japanischen Investitionen in China führen könnten.
Größter Exportmarkt
Das Handelsvolumen beider Länder erreichte im vergangenen Jahr 340 Milliarden US-Dollar (259 Mrd. Euro). Das Reich der Mitte ist der größte Markt für japanische Exporte. China kaufte 2011 für 194 Milliarden US-Dollar (147 Mrd. Euro) „Made in Japan“, wie die Zollverwaltung in Peking berichtete. Ein Fünftel des japanischen Außenhandels wird mit China abgewickelt.
Umgekehrt ist Japan für China der drittgrößte Exportmarkt, wenn Hongkong als Umschlagplatz nicht berücksichtigt wird. Chinas Ausfuhren nach Japan beliefen sich auf 148 Milliarden US-Dollar (112 Mrd. Euro). Mehr als die Hälfte der chinesischen Exporte nach Japan werden von japanischen Unternehmen in China selbst getätigt.
Investitionen und Technologietransfer
China profitiert massiv von japanischen Investitionen und dem Technologietransfer. Während die europäische Schuldenkrise die Investitionen aus Europa in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 2,7 Prozent fallen ließ, stiegen die Investitionen aus Japan um 19,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Allein im vergangenen Jahr investierten japanische Unternehmen 6,3 Milliarden US-Dollar (4,8 Mrd. Euro) in China. Seit 1996 akkumulierten sich die Investitionen nach chinesischen Angaben auf 69 Milliarden US-Dollar (52 Mrd. Euro). Nach japanischen Statistiken sind es 2011 sogar zwölf Milliarden Dollar (9,1 Mrd. Euro) und insgesamt mehr als 80 Milliarden US-Dollar (rund 70 Mrd. Euro) an Investitionen gewesen.
Liefer - und Produktionsketten bedroht
In Chinas Staatsmedien wird darauf verwiesen, dass China seit 2010 der größte Kreditgeber Japans sei und hier einen Hebel habe, um Druck auf Tokio auszuüben. Demnach besitzt China japanische Staatsanleihen im Wert von umgerechnet 230 Milliarden US-Dollar (175 Mrd. Euro). Ein Handelskrieg würde Liefer- und Produktionsketten wichtiger Industriezweige - von iPads bis zu Autos - unterbrechen, warnen Experten. Gerade in der gegenwärtigen Schwäche der Weltkonjunktur wären die Auswirkungen besonders schmerzlich.
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