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Vergeltungsakt wegen Schmähfilms

In Afghanistan sind bei einem Angriff auf einen Militärstützpunkt zwei US-Marinesoldaten getötet worden. Dazu bekannten sich am Samstag die Taliban und sprachen von einem Vergeltungsakt wegen des in den USA gedrehten Mohammed-Schmähfilms, der derzeit wütende Proteste in der arabischen Welt auslöst.

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Nach US-Angaben wurde das Lager Camp Bastion in der heftig umkämpften südafghanischen Provinz Helmand am Freitagabend mit Minenwerfern, Panzerfäusten und Handfeuerwaffen beschossen. Mehrere Soldaten wurden verletzt.

Ein Sprecher des Gouverneurs von Helmand berichtete zusätzlich von 17 Leichen, dabei handele es sich vermutlich um in den Gefechten mit Soldaten getötete Aufständische. Die Verantwortung für die Attacken übernahmen die Taliban. „Das Ziel dieses Angriffs war Rache an den Amerikanern wegen des Films, der sich gegen den Propheten richtet“, sagte ein Taliban-Sprecher.

Prinz Harry war „niemals in Gefahr“

Während der Feuergefechte befand sich auch der britische Prinz Harry in Camp Bastion, blieb aber unverletzt. „Prinz Harry befand sich niemals in Gefahr“, sagte ein Sprecher der NATO-Schutztruppe ISAF. Britische Sicherheitsbehörden gingen unterdessen nicht von einem gezielten Angriff auf Prinz Harry aus. Dennoch werde geprüft, ob die Anwesenheit des Enkels von Königin Elizabeth auf dem Stützpunkt ein Motiv für den Angriff gewesen sei. Die Taliban hatten jüngst mit einer Ermordung oder Entführung des Prinzen gedroht.

Proteste in mehreren islamischen Ländern

Bereits am Dienstag waren in der libyschen Stadt Bengasi bei einem Angriff auf das US-Konsulat der amerikanische Botschafter und drei seiner Mitarbeiter getötet worden. Nach den traditionellen Freitagsgebeten war es in vielen weiteren islamischen Ländern, von Bangladesch bis Tunesien, zu gewaltsamen Protesten gekommen. Dabei kamen erneut mehrere Menschen ums Leben.

Im Sudan wurde die deutsche Botschaft von wütenden Demonstranten angegriffen, in Brand gesteckt und erheblich zerstört. Auch die britische Botschaft wurde attackiert. Anschließend zog die aufgebrachte Menge zur US-Botschaft weiter. Bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften gab es nach Informationen des TV-Senders Al-Arabija einen Toten.

Vier Tote in Tunis

In Tunis kamen beim Sturm aufgebrachter Muslime auf die US-Botschaft nach Angaben des Innenministeriums vom Samstag mindestens vier Menschen ums Leben. Zunächst war von zwei Toten die Rede gewesen. Rund 50 Demonstranten seien verletzt worden. Unter den Verletzten sind nach offiziellen Angaben 22 Polizisten. 28 Demonstranten seien festgenommen worden. Rund 70 Fahrzeuge wurden angezündet oder demoliert. Auch die amerikanische Schule in Tunis brannte zum Teil aus. Zudem wurde sie von Demonstranten geplündert.

In der libanesischen Stadt Tripoli kam ein Mensch ums Leben, 25 wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen verletzt. Demonstranten griffen eine Filiale der US-Imbisskette KFC an und setzten sie in Brand. Kurz vor den Ausschreitungen war Papst Benedikt XVI. in der Hauptstadt Beirut eingetroffen. Demonstranten riefen nach Berichten von Augenzeugen: „Wir wollen den Papst nicht“ und „Keine Beleidigungen mehr“.

Auch in Kairo, wo die gewaltsamen Proteste gegen das Mohammed-Schmähvideo begonnen hatten, gingen wieder Tausende auf die Straßen. Landesweit gab es bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften 200 Festnahmen. Der UNO-Sicherheitsrat verurteilte die Gewalt gegen diplomatische Einrichtungen.

„Nicht zu rechtfertigen“

US-Verteidigungsminister Leon Panetta sagte dem Magazin „Foreign Policy“ („FP“): „Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass diese Demonstrationen außer Kontrolle geraten.“ Nach der Entsendung von rund 50 Marineinfanteristen nach Libyen zum Schutz der dortigen US-Botschaft schickte das Pentagon etwa die gleiche Anzahl Marineinfanteristen auch in den Jemen. Laut „Foreign Policy“ erwägen die USA zudem, 50 Soldaten in den Sudan zu entsenden.

Der UNO-Sicherheitsrat verurteilte die Gewalt gegen diplomatische Einrichtungen. Die Angriffe seien „nicht zu rechtfertigen“, erklärten die 15 Mitglieder des höchsten UNO-Gremiums. Sie zeigten sich „zutiefst beunruhigt“ über die Lage. Das Gremium erinnerte die Gastgeber-Länder der diplomatischen Vertretungen an ihre Pflicht, ausländische Einrichtungen zu schützen.

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