Methanol in Rum und Wodka
Hochprozentiges zu trinken ist in Tschechien derzeit gefährlich. Seit Tagen ist mit giftigem Methanol gepanschter Alkohol im Umlauf. Die Zahl der Toten steigt an. Seit vergangener Woche starben mindestens 18 Menschen an dem schädlichen Alkohol. Schon geringe Mengen der Chemikalie Methanol können bis zum Tod führen.
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Experten sprechen bereits von der schlimmsten Vergiftungsserie seit über 30 Jahren. „Allein in den vergangenen 24 Stunden wurden fünf neue Patienten in Krankenhäuser eingeliefert“, sagte der tschechische Gesundheitsminister Leos Heger am Donnerstag in Prag. Die Patienten hätten Rum und Wodka mit hochgiftigem Methanol getrunken. Die Regierung erließ mittlerweile ein generelles Verbot für den Straßenverkauf von hochprozentigem Alkohol. Der polnische Zoll warnt ebenfalls vor dem Kauf von Alkohol unbekannter Herkunft.
Erste Festnahmen
Am Freitag wurden erste Festnahmen bekannt: Im Osten des Landes seien neun Verdächtige inhaftiert worden, wie Polizeipräsident Martin Cervicek bestätigte. Bei einer Razzia im südmährischen Zlin stellten die Beamten rund 500 Wodka-, Rum- und Obstbrandflaschen mit gefälschten Markenetiketten sicher. In Proben wurde ein hoher Gehalt des hochgiftigen Methanols festgestellt.
Keine Entwarnung
Gesundheitsminister Leos Heger gab nach einer Sitzung des Krisenstabs in Prag keine Entwarnung. Es herrsche weiter Unklarheit über die Hintermänner und die genauen Verteilerkanäle der gefährlichen Alkoholgetränke. Das Verkaufsverbot für Hochprozentiges an Kiosken und Straßenständen bleibe in Kraft.
Herkunft völlig unklar
Bisher ist die Quelle des Methanols noch völlig unklar. Die Suche läuft auf Hochtouren. In mehr als der Hälfte der untersuchten Stichproben fand die Feuerwehr erhöhte Methanol-Werte. Im Zuge einer Razzia wurden Sechs-Liter-Plastikflaschen mit gepanschtem Wodka sichergestellt. Der lokale Hersteller betonte, dass es sich dabei um die Fälschung seines Markenprodukts handle.
Methanol
Das farblose Methanol ist die einfachste chemische Verbindung aus der Reihe der Alkohole. Es ist im Gegensatz zum trinkbaren Ethanol giftig. Schon das Einatmen kann gefährlich sein. Es dient auch als Lösungsmittel oder Treibstoff.
Die Regierung berief am Mittwoch einen Krisenstab ein. Kontrollen auch in der Gastronomie sollen verschärft werden. Es wird nicht ausgeschlossen, den Ausschank von Alkohol flächendeckend zu verbieten, sollte sich die Lage nicht bessern. Der Schwarzmarkt mit hochprozentigem Alkohol in Tschechien boomt - von mobilen Verkaufsständen bis zu den 24-Stunden-Geschäften.
Der so verkaufte Alkohol wird nicht mehr gebrannt, sondern chemisch gemischt. Heger gab zu, dass die giftigen Spirituosen bereits im Einzelhandel verkauft werden könnten: „Es ist wahrscheinlich, dass auf kriminelle Weise technisches Methanol in die Alkoholgetränke gemischt wurde.“
Schwindel und Erblindung
Anzeichen dafür ist die Aussage eines zum Teil erblindeten Patienten, dass er die gefährliche Wodka-Flasche für seine Geburtstagsfeier in einem kleinen Geschäft gekauft habe. Der Prager Experte Karel Melzoch vermutet im dpa-Interview, dass es bei der illegalen Produktion von Schwarzmarktalkohol nun zu einem Fehler gekommen sei und dadurch das Methanol in den Trinkalkohol gelangt sei.

APA/EPA
Die tschechischen Behörden verschärften die Kontrollen und Razzien
Aber auch der finanzielle Aspekt dürfte eine Rolle spielen. Inklusive Steuern kostet ein Liter reiner Alkohol in Tschechien 12,50 Euro. Methanol liegt mit 24 bis 40 Cent im Einkaufspreis deutlich darunter. Seit 1999 hat sich laut dpa der Import von Methanol bereits verdreifacht.
Ethanol als Gegengift
Selbst wenn man nur einen Milliliter Methanol trinkt, kann das zu einer Vergiftung führen. Viele der Opfer sind nicht bei Bewusstsein, klagen über Schwindel, verminderte Sehkraft und drohen zu erblinden. Wer die Symptome zunächst als Kater deutet und zu spät ins Krankenhaus fährt, kann völlig erblinden oder an Atemlähmung sterben.
Einige schweben in Lebensgefahr. Als Gegengift wird den Patienten Ethanol verabreicht. Dadurch soll der Stoffwechsel im Körper blockiert und die schädliche Umwandlung des Methanols zu ätzender Ameisensäure verhindert werden. Unterstützung erhalten die behandelnden Ärzte in Tschechien bereits von einem Toxikologen aus Norwegen. Dieser verfügt laut Gesundheitsministerium auch über Medikamente, die es in Tschechien aufgrund der hohen Kosten nicht gibt.
Top beim Alkoholkonsum
Bisher sind vor allem die östlichen Provinzen in Tschechien betroffen. Einen Fall habe es aber auch in Pibram, südwestlich von Prag, gegeben, so die Behörden. Die Tschechen liegen beim Alkoholkonsum im weltweiten Vergleich an der Spitze. Sie trinken das meiste Bier pro Kopf. Beim generellen Alkoholkonsum pro Kopf sind sie laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach Moldawien auf Platz zwei.
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