Themenüberblick

Ministerriege sieht keine Versäumnisse

Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) sieht Österreich trotz der wenig schmeichelhaften Schlussfolgerungen der neuen OECD-Bildungsstudie „auf einem guten Weg“. Auch Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle sieht in den jüngsten Zahlen keinen Anlass, seine bisherige Linie zu überdenken. Umso heftiger fällt die Kritik von Opposition und Interessenvertretern aus.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Schmied räumte am Dienstag zwar ein, man sei „noch nicht am Ziel“, die „Aufholjagd“ habe aber begonnen. Nun gelte es, hartnäckig und unbeirrbar weiterzuarbeiten und den etwa mit Bildungsstandards, der neuen Oberstufe und Matura sowie mehr Ganztagsangeboten eingeschlagenen Weg konsequent fortzusetzen und sich „nicht beirren zu lassen von Zwischenrufen oberhalb und unterhalb der Gürtellinie“.

Kostenfaktoren „nur zum Teil bewusst gesetzt“

Die Studie zeige, dass die österreichische Bevölkerung insgesamt ein hohes Bildungsniveau aufweise, so Schmied mit Verweis auf überdurchschnittliche Werte bei Matura/Lehrabschlüssen. Vorsichtig argumentierte sie bei den hohen Kosten des Bildungswesens. Diese seien - etwa bei der „guten Ausstattung der Schulen“ - nur „zum Teil bewusst gesetzt“. Andere Faktoren betreffen laut Schmied etwa teure Verträge des älteren Lehrpersonals.

Ebenfalls einen Beitrag zu den hohen Kosten leistet für Schmied die geringe Unterrichtsverpflichtung der Lehrer im internationalen Vergleich. Durch das von ihr angestrebte neue Dienstrecht wolle sie Lehrer von administrativen Aufgaben entlasten. Bei den Lehrergehältern sei Österreich im OECD-Vergleich „gut positioniert“, meinte Schmied: „Und das ist auch gut so.“ Es spreche jedoch einiges für die angestrebte Drehung der Gehaltskurve, durch die Lehrer am Beginn ihrer Laufbahn mehr und am Schluss weniger verdienen sollen.

Für Töchterle sind „inaktive Studenten“ das Problem

Töchterle sieht sich durch die Ergebnisse der aktuellen OECD-Studie in seinem Zuständigkeitsbereich der Unis darin bestätigt, dass in Österreich mehr private Mittel an die Hochschulen gehen müssen. Damit meint er neben Spenden und Investitionen von Unternehmen explizit einmal mehr Studiengebühren. Um die unter dem EU- und OECD-Schnitt liegende Akademiker- und Hochschulabschlussquote zu steigern, will Töchterle eine Verringerung der Zahl „inaktiver Studenten“ erreichen.

Laut eigener Aussage will Töchterle die Verbindlichkeit des Studiums erhöhen. Als Maßnahmen nannte er in einer Aussendung mehr Studienberatung, verbesserte Rahmenbedingungen durch einen „geregelten Zugang“ in Massenfächern, bessere Betreuungsverhältnisse durch die geplante Studienplatzfinanzierung sowie moderate Studienbeiträge, ohne jedoch auf Gründe für Studienabbruch wie die nötige Bestreitung des Lebensunterhalts durch Nebenjobs einzugehen.

Grüne und ÖH mit heftiger Krtik an Regierung

Zum Unterschied von den Regierungsvertretern sieht der grüne Bildungssprecher Harald Walser die Ergebnisse der OECD-Studie als weiteren Beleg für die soziale Ungerechtigkeit im österreichischen Schulsystem: Noch immer hänge der Schulerfolg zentral vom Elternhaus ab. Frühe Selektion bereits nach der Volksschule, hohe Nachhilfekosten und fehlende ganztägige Angebote würden einen Aufstieg von Kindern aus bildungsfernen Schichten verhindern. Walser fordert die Einführung einer ganztägigen Gesamtschule.

Lehrergewerkschaft „gesprächsbereit“

Die Lehrergewerkschaft zeigt sich gesprächsbereit über mehr Unterrichtszeit für Lehrer. Sollte Schmied ein Konzept vorlegen und der Nachweis erbracht werden, dass die Lehrer merkbar entlastet werden, könne man über eine neue Verteilung der Arbeitszeit sprechen, erklärte Paul Kimberger, Chefverhandler der Lehrergewerkschaft, gegenüber der „Presse“ (Mittwoch-Ausgabe). „Eine höhere Unterrichtsverpflichtung ist dann eine Möglichkeit“, so Kimberger.

„Ansagen allein nützen nichts. Was fehlt, sind konkrete Konzepte“, kritisierte der Chefverhandler der Lehrergewerkschaft. Zur Entlastung der Pädagogen brauche es etwa Sozialarbeiter, administratives Personal oder Schulpsychologen. Insgesamt sei mit mindestens 14.000 Spezialisten zu rechen, so Kimberger.

„Realitätsverweigerung“ der Regierung

Aus Sicht der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) sollten bei der Regierung angesichts der Studienergebnisse „alle Alarmglocken schrillen“: Die soziale Durchlässigkeit im österreichischen Bildungssystem habe sich seit Jahrzehnten nicht verbessert. Dass die Regierung weiter so tue, als wäre alles in Ordnung, sei „Realitätsverweigerung“. Die Regierung müsse nun so rasch wie möglich den Hochschulsektor ausbauen, das Stipendiensystem rundum erneuern und die Beratung verbessern.

Der Präsident der Universitätenkonferenz (uniko), Heinrich Schmidinger, ortet am Festhalten am freien Hochschulzugang bei gleichzeitig ansteigenden Studierendenzahlen ohne deutliche Erhöhung der öffentlichen Unifinanzierung eine Ursache für die ungelösten Probleme an den Hochschulen. Zudem fordert Schmidinger per Aussendung noch für den Herbst eine „eindeutige Lösung“ in der offenen Studiengebührenfrage.

WIFO für mehr Schulautonomie

Die AK fordert angesichts der Studienresultate die Einführung der Gesamtschule und mehr ganztägige Betreuung, außerdem sollen Lehrabschluss und Berufsreifeprüfung kostenlos nachgeholt werden können. Zudem brauche es „endlich ausreichende Finanzierung“ der Unis, einen Ausbau der Fachhochschulen, Verbesserung des Studienbeihilfensystems und Verhandlungen auf EU-Ebene, um die Kostenbelastung durch Studenten aus anderen EU-Ländern zu vermindern.

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Karl Aiginger, plädierte bei einer Pressekonferenz für einen radikalen Ausbau der Schulautonomie. Auch die Entscheidung, welche Lehrer man anstelle, müsse direkt an der Schule fallen. Auch wie die Lehrerarbeitszeit geregelt wird, solle „der Arbeitgeber an der Schule entscheiden“. In einer eigenen, am Dienstag präsentierten Bildungsstudie forderte das WIFO, die Bildungspolitik solle dafür sorgen, dass die Wirtschaft mit einem „Mix an Qualifikationen“ versorgt werde.

Links: