Themenüberblick

„In letzter Generation nichts geschehen“

Studiengebühren sind nach Ansicht des OECD-Experten Andreas Schleicher kein Hindernis für den Bildungsaufstieg von Kindern aus schlechter verdienenden Haushalten, wie er anlässlich der Publikation der Studie „Education at a Glance“ (Bildung auf einen Blick) am Dienstag betonte. Die soziale Selektion beginne viel früher.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Wenn man sich fragt, was behindert die Bildungsmobilität, dann gelten Studiengebühren zwar im öffentlichen Bewusstsein als Hinderungsgrund. Dazu gibt es aber in der Datenlage keinen Hinweis. Wir können das so gut wie ausschließen“, so der OECD-Sonderbeauftragte für Bildungspolitik. „Das große Hindernis ist vielmehr die Schule.“ Dort stelle der soziale Hintergrund sehr wohl einen Faktor für Aufstiegsschwierigkeiten in weiterführende Schulen dar.

Hinterherhinken mit Methode

„Österreich hinkt auch heuer bei der Hochschulbildung hinterher“, so Schleicher. „Aber das ist nichts Neues. Was aber doch auffällig ist, ist die relativ schwach ausgeprägte Bildungsmobilität. Man wünscht sich ja doch, dass es die Kinder einmal besser haben.“ In Österreich sei der Anteil der Bildungsaufsteiger im OECD-Vergleich sehr gering - nur sechs Länder würden schlechter liegen. „Österreich ist beim Aus- und Umbau der tertiären Bildung sehr zögerlich. Das spiegelt sich auch in den geringen Aufstiegschancen wider.“

Auch bei den Akademikerquoten hat sich in Österreich im relativen Vergleich wenig getan. „In der letzten Generation ist hier relativ gesehen nichts geschehen“, so Schleicher - umso verwunderlicher angesichts der Tatsache, dass Akademiker in Österreich überdurchschnittlich hoch entlohnt werden und auch für den Fiskus ein gutes Geschäft sind. In Österreich überstiegen die öffentlichen Erträge akademischer Bildung die öffentlichen Kosten um ein Vielfaches: „Der Staat macht bei jedem Tertiärabsolventen einen Gewinn von 132.000 Dollar.“

Schulprobleme als Standortfrage

Dass die hohen Akademikergehälter nur das Spiegelbild eines Akademikermangels seien, lässt Schleicher so nicht gelten: „Wenn das wahr wäre, hätte der starke Anstieg der Hochschulabschlüsse im OECD-Raum zu einem Verfall des Einkommensvorteils führen müssen. Dieses Verknappungsargument ist eine These, die nur schwer haltbar ist.“ Auch in jenen Ländern, in denen die Abschlussquoten stark gestiegen seien, gebe es immer noch hohe Gehaltsvorteile für Akademiker.

Auffällig in Österreich ist für Schleicher nach wie vor, dass der Anteil privater Bildungsfinanzierung extrem niedrig sei. „Das ist immer noch ein Bereich, wo Österreich erheblich an Finanzmitteln schöpfen könnte, ohne soziale Benachteiligungen zu schaffen.“

Im Schulbereich machte der OECD-Experte darauf aufmerksam, dass in Österreich besonders häufig Migranten an Schulen in einem sozial benachteiligten Umfeld kommen. In der gesamten OECD gebe es nur acht Länder, in denen dieser Konzentrationseffekt noch stärker ausgeprägt sei, so Schleicher. „Soziale Probleme werden so in wenigen Schulen sehr stark konzentriert.“

Links: