Themenüberblick

Über 100 Gift-Container beschädigt

Das durch einen Brand schwer beschädigte Containerschiff „MSC Flaminia“ ist am Sonntag im deutschen Wilhelmshaven eingetroffen. Damit endete eine zweimonatige Irrfahrt über den Atlantik. Der Frachter war nach einer Explosion im Laderaum manövrierunfähig, doch kein Land wollte das mit Giftcontainern beladene Schiff im Hafen haben.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Erleichtert sind wir schon ein bisschen“, sagte der Leiter des Havariekommandos, Hans-Werner Monsees. „Aus unserer Sicht hat alles gut geklappt.“ Seit Wochen waren er und seine Mitarbeiter ununterbrochen im Einsatz, um die Bergung der „Flaminia“ vorzubereiten - ein kompliziertes Manöver, bei dem kein Risiko eingegangen werden durfte. Denn an Bord befindet sich ein Giftcocktail, dessen Gefahr zurzeit noch niemand abschätzen kann.

Ein Toter bei Explosion

Die Havarie der „MSC Flaminia“ hielt den deutschen Eigner, die Reederei NSB, und die Behörden mehrerer europäischer Länder wochenlang in Atem. An Bord des mit mehr als 2.800 Containern beladenen Schiffs war am 14. Juli auf dem Atlantik Feuer ausgebrochen, Teile der Ladung explodierten. Ein Seemann starb, ein Crewmitglied wird seitdem vermisst, drei weitere wurden verletzt.

MS Flaminia

dapd/Hero Lang

Das Feuer im Laderaum wütete tagelang unkontrolliert

Notliegeplatz verweigert

Atlantik-Anrainerstaaten wie Großbritannien und Frankreich hatten dem Schiff keinen Notliegeplatz zur Verfügung gestellt. Nach wochenlangen Verhandlungen hatte sich Deutschland als verantwortlicher Flaggenstaat dann doch noch für das Schiff verantwortlich erklärt. Schlepper mussten den 300 Meter langen Containerriesen deshalb durch den Ärmelkanal bis nach Wilhelmshaven bringen.

Sorgen bereiten vor allem die an Bord befindlichen Container mit Gefahrengut, von denen eine potenzielle Umweltgefahr ausgeht. Die „MSC Flaminia“ hatte nach Angaben des Havariekommandos 151 Boxen mit bedenklichen Industriechemikalien geladen - darunter etwa Klebstoffe, der pharmazeutische Grundstoff Testosteron, entzündliche Kosmetik-Sprays sowie Nitromethan, ein brennbares Lösungs- und Reinigungsmittel, das auch als Treibstoffzusatz im Motorsport verwendet wird. Etwa 100 Gefahrengutcontainer wurden durch Brände beschädigt oder zerstört.

20 Mio. Liter kontaminiertes Löschwasser

In Wilhelmshaven soll die „Flaminia“ entladen, die beschädigten Container und das mit Giftstoffen belastete Löschwasser sollen entsorgt werden. Das werde mehrere Woche dauern, sagte der stellvertretende Stabsleiter vom Havariekommando, Jens Rauterberg, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Am Montag werden als Erstes Spezialisten an Bord gehen, die nach der Brandursache suchen sollen. Erst wenn die Staatsanwaltschaft das Schiff freigibt, kann mit der Entsorgung begonnen werden. Eine Firma, die das übernimmt, ist noch nicht gefunden.

Unter deutscher Flagge

Der im Atlantik havarierte Containerriese „Flaminia“ war zuletzt im Auftrag der Reederei Niederelbe Schifffahrtsgesellschaft aus Buxtehude (NSB) unterwegs. Das unter deutscher Flagge fahrende Schiff ist knapp 300 Meter lang und 40 Meter breit. Heimathafen ist Hamburg, Besitzer der „Flaminia“ ist ein Schiffsfonds.

„An Deck ist die Luft sauber“, sagte Rauterberg. Das hatte eine erste Auswertung von Proben ergeben, die ein Expertenteam am Samstag genommen hatte. Unter Deck werden die Brandermittler jedoch noch eine Atemmaske tragen müssen, weil die Luft nach wie vor belastet ist. Wie stark die 20 Millionen Liter Löschwasser kontaminiert sind, stehe noch nicht endgültig fest, sagte Rauterberg. Das würden erst die genauen Analysen zeigen.

Der Liegeplatz am Containerterminal im neuen JadeWeserPort ist weiträumig abgesperrt. Der Hafen wird in knapp zwei Wochen eröffnet. Die „MSC Flaminia“ soll auch danach dort liegen bleiben. Von dem Schiff geht nach Angaben des Havariekommandos keine Gefahr aus. „Sonst hätten wir es nicht hierher geschleppt“, sagte Rauterberg. Kritiker fürchteten, dass das zum Weltnaturerbe zählende Wattenmeer zu Schaden kommen könnte.

Reederverband überlegt Klage

Die Weigerung der Atlantik-Anrainerstaaten, der „MSC Flaminia“ im Rahmen des existierenden europäischen Havarie-Notfallkonzepts einen Liegeplatz anzubieten, sorgte in Deutschland für Irritationen. Der Verband Deutscher Reeder (VDR) kündigte am Freitag an, den Fall dem europäischen Reederverband vorzulegen. Die oppositionellen Grünen im deutschen Bundestag forderten Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) auf, auf EU-Ebene schnellstens über ein verbindliches Nothafenkonzept zu verhandeln.

Links: