Am Anfang stand Bericht über Privatkredit
Der umstrittene Privatkredit des zurückgetretenen deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff und die Folgen beschäftigen die deutsche Öffentlichkeit seit Mitte Dezember 2011, als die ersten Details ans Licht gekommen sind. Die Vorwürfe gegen ihn - vom günstigen Kredit über Gratisurlaube bis zu unterbundener Berichterstattung - wurden immer mehr, bis Wulff die Reißleine zog.
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13. Dezember 2011: Die „Bild“-Zeitung berichtet erstmals über den Verdacht, Wulff habe als niedersächsischer Ministerpräsident womöglich den Landtag getäuscht. Dabei geht es um einen privaten Kreditvertrag über 500.000 Euro zum Kauf eines Hauses, den Wulff und seine Frau Bettina mit der Frau des Osnabrücker Unternehmers Egon Geerkens geschlossen hatten. Geschäftliche Beziehungen zu Geerkens hatte Wulff im Februar 2010 in seiner Antwort auf eine Landtagsanfrage verneint. Über seinen Sprecher lässt er nun mitteilen, die damalige Anfrage sei „korrekt beantwortet“ worden.
14. Dezember 2011: Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Wulff „volles Vertrauen“ aus. Zugleich wird bekannt, dass Wulff die Hilfe der Geerkens auch in Anspruch nahm, als er den Privat- durch einen Bankkredit ablöste. Zudem soll Egon Geerkens 2008 und 2009 insgesamt dreimal einer Wirtschaftsdelegation des damaligen Ministerpräsidenten angehört haben.
15. Dezember 2011: Wulff bedauert in einer schriftlichen Erklärung, dass durch den Privatkredit „ein falscher Eindruck“ entstanden sei. „In der Sache“ habe er aber „nichts zu verbergen“. Zudem gibt er an, ein erstes Darlehen bei der BW-Bank, mit dem der Geerkens-Kredit abgelöst wurde, in ein langfristiges Bankdarlehen „festgeschrieben“ zu haben.
16. Dezember 2011: Geerkens sagt dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“, er sei an den Verhandlungen über den Kreditvertrag zwischen seiner Frau und den Wulffs maßgeblich beteiligt gewesen. Wulffs und Geerkens’ Anwälte bekräftigten aber, der Kreditvertrag sei mit Geerkens’ Frau geschlossen worden.
18. Dezember 2011: Wulff sagt dem Sender MDR Info, er könne sein Handeln verantworten. Zugleich räumt er insgesamt sechs Urlaube in Anwesen befreundeter Unternehmer ein.
19. Dezember 2011: Merkel spricht Wulff ihr „vollstes Vertrauen“ aus. Zugleich gibt es neue Enthüllungen: Laut „Bild“ wurden Zeitungsanzeigen, mit denen im Herbst 2007 während des Landtagswahlkampfs für das Wulff-Buch „Besser die Wahrheit“ geworben wurde, von dessen Unternehmerfreund Carsten Maschmeyer bezahlt. Wulff lässt erklären, ihm sei von den Zahlungen nichts bekannt gewesen.
22. Dezember 2011: Wulff räumt in einer persönlich vor Kameras im Schloss Bellevue vorgetragenen Erklärung Fehler ein. Dazu zählt er sein Krisenmanagement sowie das Verschweigen des Privatkredits nach der Parlamentsanfrage. Der deutsche Bundespräsident betont, sein Amt auch in Zukunft „gewissenhaft ausüben“ zu wollen. Zudem entbindet er seinen langjährigen Sprecher Olaf Glaeseker von seinen Aufgaben. Bekannt wird zugleich, dass auch der Kredit bei der BW-Bank, mit dem der Geerkens-Kredit abgelöst wurde, besonders günstige Konditionen beinhaltete.
25. Dezember 2011: In seiner Weihnachtsansprache äußert sich Wulff nicht zu der Affäre.
27. Dezember 2011: Aus dem Aufsichtsrat der Stuttgarter BW-Bank kommen Forderung nach einer Überprüfung des ersten zinsgünstigen Darlehens für Wulff.
30. Dezember 2011: Die BW-Bank teilt mit, dass der Vertrag über das zweite Darlehen erst kurz vor Weihnachten von Wulff endgültig unterzeichnet wurde. Er gilt ab dem 16. Januar. Die Zinskonditionen wurden nach Angaben von Wulffs Anwälten jedoch bereits am 25. November von Wulff und der BW-Bank „fixiert“.
2. Jänner 2012: Durch Medienberichte wird bekannt, dass Wulff mit einem Anruf bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann versuchte, den ersten Enthüllungsbericht über seine Eigenheimfinanzierung zu verhindern. Daraufhin gehen weitere Politiker auch der Koalition auf Distanz zu Wulff.
4. Jänner: Merkel macht über einen Sprecher deutlich, dass sie von Wulff weitere Aufklärung erwarte. Wulff gibt wenig später ARD und ZDF ein Interview, in dem er erneut Fehler einräumt und bedauert, einen Rücktritt aber ablehnt.
11. Jänner 2012: Wulffs Anwalt lehnt eine Veröffentlichung der Journalistenfragen und Antworten unter Berufung auf die „anwaltschaftliche Verschwiegenheitspflicht“ ab.
13. Jänner 2012: Nach starkem Druck von allen Seiten kündigt Wulffs Anwalt an, die Fragen und Antworten doch noch zu publizieren, sofern die Medien die Veröffentlichung freigeben.
18. Jänner 2012: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft teilt mit, dass sie keine Anhaltspunkte sieht, um ein Ermittlungsverfahren gegen Wulff oder Verantwortliche der BW-Bank einzuleiten. Der niedersächsische Landtag streitet erstmals im Plenum darüber, ob Wulff in seiner Zeit als Ministerpräsident gegen das Ministergesetz verstoßen hat. Wulff legt Fragen und Antworten zu den Vorwürfen gegen ihn vor.
19. Jänner 2012: Die Privat- und Geschäftsräume von Wullfs Ex-Sprecher Olaf Glaeseker werden durchsucht. Untersuchungen gibt es auch beim Eventmanager Manfred Schmidt, der zu Wulffs Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident enge Kontakte zur Staatskanzlei in Hannover gehabt haben soll. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden Immobilien in Wunstorf, Berlin und der Schweiz durchsucht. Den Beschuldigten würden Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung vorgeworfen, hieß es.
20. Jänner 2012: Die Staatsanwaltschaft hegt keinen dringenden Tatverdacht gegen Glaeseker. Es bestehe ein „Anfangsverdacht“. Wullfs Anwälte bestätigen, dass sich ihr Mandant als niedersächsischer Ministerpräsident von der Firma Zentis zum Münchner Filmball einladen ließ. Das sei jedoch im Einklang mit dem niedersächsischen Ministergesetz gestanden.
26. Jänner 2012: Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hält das günstige Darlehen ihrer Tochter BW-Bank an Wulff für regelkonform.
28. Jänner 2012: Merkel spricht gegenüber „Bild“ Wulff trotz der Kredit- und Medienaffäre erneut ihr Vertrauen aus. „Unser Bundespräsident wird viele weitere wichtige Akzente für unser Land und unser Zusammenleben setzen.“
29. Jänner 2012: Ermittler durchsuchen Dienstzimmer von Wulffs Ex-Sprecher Glaeseker im Bundespräsidialamt.
2. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft, ob sich Wulff in Zusammenhang mit der Nutzung eines Autos der Vorteilsnahme schuldig gemacht haben könnte. Das Ehepaar Wulff lässt die Berichterstattung über die angeblich kostenlose Nutzung eines Privatwagens gerichtlich stoppen.
9. Februar 2012: Merkel stärkt Wulff erneut den Rücken. Sie lobt die „Transparenz“ des Bundespräsidenten. Sie habe weiterhin volles Vertrauen in Wulff und seine Amtsführung.
16. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft Hannover beantragt die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten.
17. Februar 2012: Wulff erklärt seinen Rücktritt.
29. Februar 2012: Das Bundespräsidialamt teilt mit, dass Wulff bis zu seinem Lebensende einen Ehrensold in Höhe seiner bisherigen Bezüge erhalten soll. Das sind 199.000 Euro pro Jahr.
2. März 2012: Beamte des niedersächsischen Landeskriminalamts und ein Staatsanwalt durchsuchen Wulffs Wohnhaus in Großburgwedel.
8. März 2012: Wulff wird mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet. Viele Prominente bleiben der Zeremonie fern.
18. März: Der frühere DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck wird von der Bundesversammlung als Nachfolger von Christian Wulff zum neuen deutschen Bundespräsidenten gewählt.
30. März 2012: Wulff bezieht sein neues Büro in Berlin, das ihm mit einem Dienstwagen bis Jahresende auf Staatskosten zusteht. Diese Regelung gemeinsam mit den fast 200.000 Euro Pensionsbezug jährlich sorgen für Kritik.
22. Juli 2012: Wulff gerät noch stärker ins Visier der Staatsanwaltschaft. Die Behörde prüft, ob sie die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn ausweiten soll. Wulff soll sich als CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen für Steuererleichterungen für die Versicherungswirtschaft eingesetzt haben.
30. September 2012: Der „Spiegel“ berichtet, dass Wulff als niedersächsischer Ministerpräsident persönlich um Gelder bei Siemens geworben haben soll. Angeblich sei es dabei um die Finanzierung eines Films seines Freundes David Groenewold gegangen. Die Staatsanwaltschaft Hannover bestätigte, dass „in die Richtung“ ermittelt werde.
7. Jänner 2013: Das Ehepaar Wulff gibt seine Trennung bekannt.
12. April 2013: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt Anklage wegen Bestechlichkeit. Dabei geht es um einen Hotelaufenthalt Wulffs und seiner nunmehrigen Ex-Frau in München, den der Filmproduzent Groenewold 2008 bezahlte.
12. Mai 2013: Die „Bild am Sonntag“ berichtet, dass Wulff im Prozess gegen seinen langjährigen Sprecher Glaeseker als Zeuge aussagen soll. Insgesamt sollen 47 Zeugen - darunter etliche Prominente wie EU-Kommissar Günther Oettinger, Niedersachsens Ex-Ministerpräsident David McAllister (CDU) und TV-Moderatorin Sabine Christiansen - geladen werden.
27. August 2013: Die Justiz eröffnet ein Verfahren wegen Vorteilsnahme. Angeklagt ist auch der Produzent Groenewold. Der Vorwurf der Bestechung wurde auf den Vorwurf der Vorteilsgewährung abgemildert.