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FPÖ für Jahre in der Krise

Es war das Treffen, bei dem die FPÖ implodieren sollte: Vor genau zehn Jahren, am 7. September 2002, fand im steirischen Knittelfeld das sagenumwobene „Delegiertentreffen“ statt. Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider hatte in die steirische Bezirkshauptstadt geladen, um der FPÖ-Regierungsmannschaft den Marsch zu blasen. Das Ergebnis war für die Freiheitlichen fatal.

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Obfrau Susanne Riess-Passer ging am nächsten Tag, Klubchef Peter Wesenthaler zog den Hut und sagte Adieu, und Finanzminister Karl-Heinz Grasser ward fortan nur noch in der ÖVP gesehen. Ein historisches Wahldebakel folgte.

Sticheleien aus Kärnten

Der „Knittelfelder Putsch“ hatte eine lange Vorgeschichte. Schon bald nachdem Haider im Jahr 2000 im Zuge der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen den FPÖ-Vorsitz an Riess-Passer abgegeben hatte, begann sich das Verhältnis zwischen den langjährigen Weggefährten einzutrüben. Sticheleien aus Klagenfurt gehörten zum Alltag der blauen Regierungsmannschaft in Wien. Krisensitzung jagte Krisensitzung, oft nächtelang.

Ex-FPÖ-Parteiobfrau Susanne Riess-Passer, Hubert Gorbach, Klubobmann Peter Westenthaler, Verteidigungsminister Herbert Scheibner und Finanzminister Karl Heinz Grasser im September 2002

APA/Hans Klaus Techt

Umstürzendes FPÖ-Plakat als Sinnbild wenige Tage vor „Knittelfeld“

In die Luft ging das blaue Regierungsexperiment schließlich wegen der Verschiebung der Steuerreform als Folge einer Hochwasserkatastrophe. Angeführt unter anderem von Ewald Stadler rüsteten FPÖler vor allem aus der zweiten Reihe für einen Sonderparteitag, was Riess-Passer mit einer Rücktrittsdrohung beantwortete.

Kompromisspapier fällt „Reißwolf“ zum Opfer

Die Unterzeichner des Sonderparteitagantrags wurden schließlich von Haider kurzfristig in das Knittelfelder Kulturhaus gebeten, die Position der Regierung sollten dort nach langem Hin und Her Finanzminister Grasser und Verteidigungsminister Herbert Scheibner vertreten, wobei der Ausflug in die Steiermark die beiden ohnehin nicht besonders befreundeten Parteifreunde noch weiter entfremden sollte.

Die Situation in Knittelfeld war eher skurril. Medien waren nicht im Tagungsraum zugelassen, einzelne schafften es, sich kurzfristig hineinzuschummeln, der einzige, der bis zum Schluss nicht enttarnt wurde, war Helmut Schliesselberger von den „Salzburger Nachrichten“, dem so die Ehre zuteilwurde, Zeuge des Schauspiels zu werden, wie Haiders Gefolgsmann Kurt Scheuch das Kompromisspapier, das der Landeshauptmann eigentlich mit Riess-Passer ausgearbeitet hatte, zum allgemeinen Gaudium auf offener Bühne zerriss. Den Titel „Reißwolf“ ist der heutige Chef der Kärntner nicht mehr losgeworden.

Riess-Passer, Westenthaler und Grasser gehen

Was Haider in Knittelfeld wirklich vorhatte, ist schwer nachvollziehbar. Einerseits hielt er auch vor den rund 400 Delegierten bis zuletzt am Kompromisspapier fest, auch gegen den lautstarken Widerstand der Masse, andererseits waren es seine Getreuen wie Scheuch, die die Stimmung zum Kochen brachten.

Nach Ende des Delegiertentreffens ging es schnell. Während sich der eigentliche Riess-Passer-Gesandte Herbert Scheibner zu Haider setzte, um die scheinbare Befriedung - kein Sonderparteitag und nochmaliges Reden über die Steuerreform - zu verkünden, rauschte der von den Delegierten ausgebuhte Grasser wutschnaubend ab. Die Vizekanzlerin, die an dem Tag durchs Burgenland tourte, reagierte flott. Schon am nächsten Tag verkündete Riess-Passer ihren Rückzug aus der Politik, an ihrer Seite Westenthaler und Grasser.

Absturz bei Neuwahl

Freiheitliche Chaostage folgten. ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel nutzte die Gunst der Stunde, warf die Freiheitlichen sofort aus der Regierung und brachte Neuwahlen auf den Weg. Haider war einmal da, einmal wieder weg. Mathias Reichhold, der auch von der Riess-Passer-Partie wieder ins Haider-Lager gewechselt war, versuchte sich ein paar Wochen als Parteichef, ehe es Sozialminister Herbert Haupt überlassen war, die FPÖ in das unvermeidliche Wahldebakel zu führen. Auf zehn Prozent der Stimmen stürzte man ab.

Es folgten Rücktrittsangebote und eine regelrechte Ausschlussorgie von prominenten Funktionären. Die Regierungsposten wollte man dann aber doch nicht aufgeben, und so raufte sich die FPÖ Anfang 2003 zu einer zweiten Regierungsperiode mit der ÖVP zusammen.

Personalkarussell dreht sich weiter

Kurz nach dem erneuten Regierungsantritt begann auch schon die nächste Personaldebatte. Nachdem Haider den Sessel von Parteichef Haupt angesägt hatte, gab dieser Ende 2003 erschöpft den Vizekanzlerstaffelstab an Infrastrukturminister Hubert Gorbach ab. Sozialstaatssekretärin Ursula Haubner wurde Haupt als geschäftsführende Parteiobfrau zur Seite gestellt. Im Frühjahr 2004 kam die Stunde des als Hoffnungsträger geltenden Strache, er wurde Obmann der Wiener Freiheitlichen.

Die internen Streitereien waren aber noch immer nicht verstummt, und das Personalkarussell drehte sich munter weiter. Nach der schweren Niederlage bei den EU-Wahlen Mitte 2004 kam auch schon der nächste Führungswechsel. Haubner löste Haupt als Parteichefin ab, auch einige FPÖ-Minister mussten gehen.

BZÖ gegründet

Damit war es aber noch lange nicht getan. Wenige Tage später wurde Strache als Zugeständnis an den rechten Parteiflügel zum Vizeparteichef gekürt. Doch auch diese Konstellation währte nicht lange. Zwei Monate nachdem Haubner im Jänner 2005 Haupt als Sozialministerin gefolgt war, rief sie einmal mehr die FPÖ-Neu aus. Am 4. April verkündeten schließlich Haider, Haupt, Gorbach und Klubobmann Herbert Scheibner die Gründung des BZÖ, der rechte Parteiflügel „behielt“ die FPÖ.

Strache übernimmt

Was von der FPÖ übrig geblieben war, versuchte sich noch rechtzeitig vor der Wien-Wahl zu erfangen. Einen Eintrag in die freiheitlichen Geschichtsbücher sicherte sich der eigentlich schon vor der Pension stehende Hilmar Kabas als Interimsparteiobmann mit dem Ausschluss Haiders aus der FPÖ. Strache übernahm wenig später sichtlich nicht ohne Bauchschmerzen die Führung.

Unter Strache, einer der Antreiber der „Revolution“ in Knittelfeld, erholte sich die Partei, das BZÖ stagnierte. Die Streitereien zwischen den Parteien sollten bis heute andauern, als Folge davon spalteten sich die Kärntner Freiheitlichen 2009 nach dem Tod Haiders vom BZÖ wieder ab und vereinigten als FPK sich mit der FPÖ.

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