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„Super-Brokkoli“ und Snackpaprika

Die Geschichte der Tomatensorte „Toscanella“ ist schnell erzählt: Durch jahrelanges Züchten mit dem Schwerpunkt auf Preis, Aussehen und Haltbarkeit ging irgendwann der Geschmack der Supermarkttomate verloren. Konsumenten wünschten sich wieder intensiver schmeckende Paradeiser. Der Agrochemiekonzern Syngenta lieferte als Antwort Saatgut für die Sorte „Toscanella“.

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Für jene, die es etwas süßer mögen, hat Syngenta die Paradeisermarke „Kumata“ entwickelt - mit einer leicht säuerlichen Note und einer bräunlich-roten Farbe. „Die Leute wollen nicht die alten Tomaten essen, die vor 20 Jahren entwickelt wurden. Sie wollen die neuen, die besser und erschwinglich sind“, sagte Syngenta-Chef Mike Mack gegenüber dem Schweizer „Blick“.

Züchtungen ohne Genmanipulation

Ebenfalls bestens auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt: der Minipaprika „Angello“, den Syntega kürzlich auf den Schweizer Markt gebracht hat. Konzipiert als Gemüsesnack für Schule und Büro kommt das knallrote Gemüse ganz ohne Kerne aus. Gezüchtet sei alles ohne genetisch veränderte Organismen, wie man bei dem Saatgut- und Pestizidhersteller betont.

Mit spezieller Software lässt man Pflanzen im Computer „wachsen“ - zum Beispiel mit dem Simulationsprogramm Decision Support System for Agro-Technology Transfer (DSSAT). Alle Parameter wie Pflanzensorte, Bodenbeschaffenheit, Wetter und Anbautechnik werden darin bestimmt, und die Entwicklung der Saat kann in allen Stadien beobachtet werden. Dienen soll dieses Werkzeug der Entscheidungshilfe beim Anbauen von Pflanzen und der Optimierung des Ertrags.

Agrochemiekonzerne als Gemüsezüchter

Neu ist das künstliche Züchten und Kreuzen von Gemüsesorten nicht, auffällig ist jedoch, dass es offenbar für die großen Agrochemiekonzerne immer mehr an Bedeutung gewinnt: Syngentas Hauptgeschäftsfeld sind eigentlich Pflanzenschutzmittel. Das Saatgutgeschäft wird aber immer ertragreicher: Der Umsatz in diesem Bereich stieg im Vorjahr im zweistelligen Bereich. Auch US-Konkurrent Monsanto, der größte Produzent in diesem Bereich, profitiert von gestiegenen Absatzzahlen beim Saatgut.

Drittgrößter Saatgutproduzent

Syngenta ist Weltmarktführer bei Pflanzenschutzmitteln und nach Monsanto und DuPont drittgrößter Saatguthersteller. Das Schweizer Unternehmen setzt mit Früchte- und Gemüsesaatgut jährlich eine halbe Milliarde um. Der größere Teil des Umsatzes von insgesamt 13 Milliarden Dollar stammt von Reis-, Mais- und Getreidesaaten sowie von Insektiziden, Herbiziden und anderen Pflanzenschutzmitteln.

Monsanto etwa verkauft neben Getreidesaatgut auch eine Art „Super-Brokkoli“, der nach Angaben des Konzerns ein Vielfaches der gesunden Pflanzenstoffe einer herkömmlichen Sorte enthält - angeblich bei gleichzeitig „ausgezeichnetem Geschmack“.

Die drei Großen teilen sich Markt auf

Landwirtschafts- und Konsumentenorganisationen finden die Tatsache, dass immer mehr Saatgut von Pestizidherstellern verkauft wird, bedenklich. Die Konsumenten - und nicht zuletzt die Bauern, die in teure Lizenzverträge eingespannt werden - würden dadurch immer mehr von einigen wenigen Herstellern abhängig. Der Schweizer Großkonzern Syngenta gehört nach Monsanto und DuPont zu den größten Playern auf dem weltweiten Saatgutmarkt.

Eine Schweizer Studie, durchgeführt von Entwicklungs-, Landwirtschafts- und Konsumentenorganisationen, zeigt, dass Syngenta und Monsanto bei Paprika 56 Prozent, bei Paradeisern 62 Prozent und bei Karfiol gar 71 Prozent aller in Europa geschützten Sorten besitzen und somit den Markt dominieren. Das berichtet das Hilfswerk Swissaid.

Transparenz zählt nicht zu den Stärken

Was die Studie ebenfalls zeigt: Herkunftstransparenz gibt es in den wenigsten Fällen. In vielen Fällen ist weder dem Endkunden noch Einzelhändlern klar, woher ein Produkt tatsächlich stammt - was Konsumentenschützern sauer aufstößt. Syngenta stört das nicht: Wichtig für ihn sei, dass die Konsumenten überzeugt sind, dass das, was sie essen, gesund ist, so Syngenta-Chef Mack kürzlich im Interview mit dem Schweizer „Blick“. „Es ist nicht so wichtig, dass die Konsumenten wissen, welchen Beitrag Syngenta leistet, um die Ernten zu verbessern.“

Profiteure hoher Lebensmittelpreise

Der Erfolg gibt Syngenta-Chef Mack jedenfalls recht: Die Umsätze schnellen in die Höhe - im ersten Halbjahr 2012 kletterte der Konzernumsatz um sieben Prozent auf 8,3 Milliarden Dollar. Syngenta verdient auch kräftig an den hohen Lebensmittelpreisen: Die schlimmste Dürre in den USA seit 1956 treibe die Sojapreise in Südamerika in die Höhe, so Mack im Juli. „Die Sojabohnenpreise in Südamerika sind für die Bauern sehr attraktiv und sie haben einen großen Anreiz, Syngenta-Produkte zu verwenden“, sagte er weiter.

Die Preise für die Agrargüter wie Mais und Soja, die im Juli Rekordnotierungen erreichten, ermutigen die Bauern, größere Flächen zu bebauen und mehr in Saatgut und Pflanzenschutzmittel zu investieren. Kürzlich hatte sich auch Monsanto optimistisch geäußert und die Prognose angehoben.

Kampf um alte Sorten

Der Trend zu den vielen neuen, speziell gezüchteten Sorten hat aber auch Gegenbewegungen hervorgerufen: Der heimische Verein Arche Noah zum Beispiel hat es sich zum Ziel gesetzt, alte Gemüsesorten zu erhalten. Im Sortenarchiv des Vereins werden Tausende alte Handelssorten, Lokalsorten und Landsorten erhalten und in einem Vermehrungsgarten bei Schloss Haindorf in Niederösterreich zyklisch vermehrt (mehrere hundert pro Jahr).

Durch Kooperationen mit Supermarktketten wird versucht, diese Sorten wieder einem größeren Publikum zugänglich zu machen. So verkauft beispielsweise Spar unter der Marke „wie früher“ Saatgut für längst verschwunden geglaubte Gemüsearten wie den Winter-Herrenkürbis „Bauer“, die Paradeiser „Justens Gelbe“ und die robuste Gurke „Dekan“.

Petra Fleck, ORF.at

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