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Graue Taube als bunte Primadonna

Der Schweizer Künstler Julian Charriere hat ein besonderes Verhältnis zu Tauben und der Farbe ihrer Federn. Seit 2010 arbeitet er an Projekten mit domestizierten und wilden Tauben. Jetzt sorgt er auf der Biennale in Venedig für Aufsehen, weil er bunt gefärbte Tauben in die „Markusstadt“ eingeschleust hat.

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„Some pigeons are more equal than others“ - es ist ein abgewandeltes Zitat aus George Orwells „Animal Farm“, das der eigenwilligen Aktion von Charriere den Namen gegeben hat. In einem Studio in Kopenhagen hat man wilde Tauben eingefangen, sie auf ein Förderband gesetzt und dann mit Lebensmittelfarbe eingesprüht. Jetzt, im Rahmen der laufenden Biennale in Venedig, hat man die Tauben in der Lagunenstadt ausgesetzt und beobachtet, wie die Menschen auf das markant bunte Federvieh reagieren.

Bunte Taube in Venedig

APA/EPA/ANSA/Andrea Merola

Überraschung auf dem Markusplatz: Gelber Mais für blaue Taube

Bunte Shirts für Mensch und Tier

Der deutsche Fotograf Julius von Bismarck hat die Aktion in Venedig fotografiert und damit nicht nur das Verhältnis Mensch und befremdliches Tier eingefangen - sondern zugleich auch Momente von großer Schönheit festgehalten: Die sonst zu Tausenden durch die Stadt wirbelnden grauen Vögel tauchen auf seinen Bildern wie schrille Primadonnen in der morbiden Stadtlandschaft der Lagunenstadt auf.

Viele Besucher des Markusplatzes reagierten mit großem Erstaunen, als sie den gelben, roten, blauen oder violetten Tauben begegneten. Charriere möchte mit seiner Aktion die Tauben eigentlich nobilitieren. Oft bezeichnete man die Tiere als „fliegende Ratten“, eine Wahrnehmung, die Charriere mit den bunten Tieren umkehren möchte.

Tierschützer: „Eingriff in die Natur“

Tierschützer reagierten erwartungsgemäß weniger begeistert auf die Aktion. Es sei „unverständlich, dass jemand, nur um mediale Aufmerksamkeit zu erregen, in den Lauf der Natur eingreife“, empörte sich etwa die italienische Tierschutzorganisation ENPA. Andere Organisationen äußerten zwar Verständnis für die Absicht der Aktion, sahen aber ebenfalls die Tiere für mediale Aufmerksamkeit und persönlichen Profit missbraucht.

Bunte Taube in Venedig

Julius v. Bismarck

Bunte Taube über bunten Touristen. Eigentlich die ideale Venedig-Tarnung.

Charriere hielt schon rund um die Aktion fest, dass den Tieren nichts passiert sei, während der Färbeaktion in Kopenhagen. Die Tiere hätten sich zu „keinem Moment in Gefahr“ befunden. Überdies wolle er ja die Öffentlichkeit dazu bewegen, die Tauben als bereichernden Teil des öffentlichen Lebens zu sehen.

Die befreite weiße Taube

Bereits 2010 hatte Charriere in Berlin eine Taubenaktion lanciert, bei der er das Spiel Wilde Taube - Zuchttaube umdrehte. Im Projekt „White Pigeon“ wurde eine weiße Zuchttaube in das Farbkleid einer Wildtaube gesetzt und zu ihren grauen Artgenossen auf den Straßen und Plätzen ausgelassen. Die Taube, so der Ansatz, solle ihre Freiheit wiedererlangen.

Blickt man auf die tierische Ausrichtung der documenta, die ja noch bis Mitte September läuft, dann hätten die bunten Federn konzeptionell gut nach Kassel gepasst - mehr Aufmerksamkeit war der Aktion aber wohl in der Taubenmetropole Venedig garantiert.

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