Die künstlichen Helfer von Stevia
Ist der auf die Süßkraft der Stevia-Pflanze bauende Süßstoff Stevia tatsächlich so natürlich, wie Hersteller versprechen? Mittlerweile kommt ja kein Super- und Drogeriemarkt mehr ohne Stevia-Produkte im Regal aus. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat nun 36 Süßstoffe untersucht, die auf Stevia-Basis funktionieren.
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Kalorienarm und im Gegensatz zu vielen herkömmlichen Süßstoffen naturbelassen - mit diesem Versprechen steht Stevia in vielen Regalen von Supermärkten. Die Süße stammt aus den Blättern der Stevia-Pflanze und hat nahezu keine Kalorien.
Wie natürlich Stevia ist, wollte der VKI nun genauer wissen. Denn als Süßungsmittel zugelassen sind nur die Steviolglykoside, die in einem aufwendigen industriellen Vorgang aus der Stevia-Pflanze herausgelöst werden. Hinzu kommt, dass Stevia in Pulver- und Tablettenform häufig auch Konservierungsmittel, Stabilisatoren und Trennmittel enthält - mehr dazu auch in help.ORF.at.
Eigentlich nichts Neues
Süßkraut wird schon seit Jahrhunderten wegen seiner starken Süßkraft als Süßstoff verwendet. Im November 2011 wurden die hauptsächlich aus Steviosid bestehenden Steviolglycoside durch die Europäische Kommission formell als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen.
„Hoher Chemieaufwand“
Die Auslobungen auf den Produkten suggerierten daher eine Natürlichkeit, die nicht den Tatsachen entspreche, kritisierte der VKI bei der Vorstellung seiner Untersuchungen im Vorjahr. Hinzu komme, dass Steviolglykoside oft weit gereist sind. Sie werden unter hohem Energieaufwand derzeit vorrangig in China hergestellt.
„Ein Produkt als natürlich zu verkaufen, das mit großem technologischem Aufwand hergestellt wird, ist an sich schon überraschend. Erstaunlich ist aber auch, dass in ‚Stevia‘-Produkten sehr oft andere Stoffe - darunter auch Zucker - für Süße sorgen“, erinnerte VKI-Geschäftsführer Franz Floss.

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Nettes Pflänzchen, hohe Süßkraft: Als Lebensmittelzusatz zugelassen ist allerdings nur der herausgefilterte Stoff Steviolglycosid
Versteckte Helfer
Bei zwölf von 36 untersuchten Produkten fanden die Tester weitere Süßungsmittel - am häufigsten den Zuckeralkohol Erythrit. In zehn Produkten war Zucker enthalten - meist in Form von Fruchtzucker, Apfelsaft oder Apfelsüße. „Produkte, die diesen Süßstoff enthalten, können daher auch wesentlich mehr Kalorien enthalten als angenommen“, sagte Floss. Hier lohne sich ein kritischer Blick auf die Zutatenliste.
Steviolglykoside sind nicht besser oder schlechter als andere Süßstoffe. Sie sollten aber in Maßen genossen werden, denn zu den Auswirkungen einer chronischen Überdosierung des Süßstoffes gebe es noch keine Studien, erinnerte der VKI.
Warum fremde Mittel dazukommen müssen
„Stevia“ in Pulver- sowie in Tablettenform enthält häufig nicht nur Konservierungsmittel wie Kaliumsorbat und Sorbinsäure, sondern auch Stabilisatoren wie Alkohol und Trennmittel in Form von Siliciumdioxid. Damit Stevia seine Süßkraft mit wenig Volumen entfaltet, werden zudem weitere Zutaten beigefügt, um das Mittel dosierbar zu machen. Dazu zählen Stoffe wie Inulin, Oligofruktose und Maltodextrin.
„Oftmals werden aus technologischen oder geschmacklichen Gründen auch andere Süßstoffe, Zucker oder Zuckeraustauschstoffe beigemengt“, erläuterte VKI-Ernährungswissenschaftlerin Katrin Mittl.
Diabetiker sollten auf Details achten
Auch für Diabetiker sind Steviolglykoside nur bedingt geeignet. Zwar werden diese insulinunabhängig verstoffwechselt und sind daher eine Alternative bei Typ-1-Diabetes. Bei Typ-2-Diabetes und auch generell gilt: Kuchen und Süßigkeiten nur in geringen Mengen verzehren, unabhängig davon, ob in ihnen Stevia, ein anderer Süßstoff oder Haushaltszucker steckt. Beim Konsumenten darf nicht der Eindruck entstehen, dass derartige Lebensmittel unbedenklich konsumiert werden können, nur weil sie mit Steviolglycosiden gesüßt sind.
Im Geschmackstest konnten sich mit Steviolglykosiden gesüßte Produkte im Vergleich zu mit Zucker und anderen Süßungsmitteln gesüßten Produkten nur schwer behaupten. Verkostet wurden u. a. Ketchup, Fruchtjoghurt, Vanilleeis und Milchschokolade. Lediglich ein Joghurt kam bei den Testern besser an als die gezuckerte Konkurrenz. Schokolade mit Steviolglykosiden erzielte im Vergleich das schlechteste Ergebnis.
Auf das Wording kommt es an
Für den VKI sollen Stevia-Produkte jedenfalls so beworben werden, dass der Konsument nicht in die Irre geführt wird. Seit Juni 2012 gibt eine Leitlinie des Bundesministeriums für Gesundheit, der zufolge etwa die Bezeichnungen „mit Steviolglykosiden“, „mit Steviolglykosiden aus pflanzlicher Quelle“ und auch „mit Süßstoff Steviolglykoside aus Stevia“ korrekt sind.
Blumige Formulierungen wie „mit Stevia“ und „natürlich gesüßt“ sollen mit der neuen Leitlinie der Vergangenheit angehören. Man wolle in Zukunft unter die Lupe nehmen, wie genau es Hersteller mit der Umsetzung dieser Leitlinie nähmen, so der VKI.
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