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Auch orthodoxe Kirche fordert „Milde“

Auch am Tag nach der Urteilsverkündung hat das Urteil gegen die drei regierungskritischen russischen Musikerinnen der Punkbank Pussy Riot weiter für Empörung gesorgt. Für die Verteidigung war bereits im Vorfeld festgestanden, dass man gegen jeden Schuldspruch Berufung einlegen würde. Aus Sicht von Beobachtern stehen die Chancen für eine Strafmilderung offenbar nicht so schlecht.

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Russische Medien äußerten am Samstag die Erwartung, dass die Strafe von jeweils zwei Jahren Lagerhaft in einem Berufungsverfahren zumindest reduziert werden dürfte. Nach der Berufung durch die Verteidiger werde das zuständige Moskauer Gericht vermutlich die Strafe von zwei Jahren Lagerhaft in ein Jahr verwandeln und „diese Idiotinnen freilassen, damit sie ihre Kinder und Angehörigen wiedersehen können“, schrieb etwa die Zeitung „Komsomolskaja Prawda“.

Verteidigerteam der Pussy-Riot-Aktivisten

APA/EPA/Maxim Shipenkov

Die Verteidigung droht mit dem Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Auch Denis Dwornikow von der zivilen Kammer, der die russische Behörden berät, sagte, eine Abmilderung der Strafen im Berufungsprozess voraus. Vermutlich würden die Verurteilten schon einen Monat nach dem Verfahren in die Freiheit entlassen, mutmaßte Dwornikow nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax. Zudem forderte bereits am Vortag auch die mit der Staatsführung eng verbundene russisch-orthodoxe Kirche „Milde“ für die drei Frauen.

Weiter kein Kommentar von Putin

Präsident Wladimir Putin hatte sich Anfang des Monats gegen ein „zu hartes“ Urteil ausgesprochen, zu der Gerichtsentscheidung äußerte er sich bisher nicht. Putin habe nicht das Recht, dem Gericht seine Meinung aufzuzwingen, sagte sein Sprecher Dimitri Peskow gegenüber der Website PublicPost.ru. Ein Gnadengesuch bei Putin stand auf der Gegenseite auch bei Pussy Riot nie zur Debatte.

Das Gericht hatte die 22-jährige Nadeschda Tolokonnikowa, die 24-jährige Maria Alechina und die 30-jährige Jekaterina Samuzewitsch am Freitag wegen „Rowdytums“ aus religiösem Hass für schuldig erklärt und zu jeweils zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. Sie hatten bei einer kurzen Performance in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale im Februar ein „Punkgebet“ gegen Putin aufgeführt.

Weltweite Kritik

Das Urteil wurde von zahlreichen westlichen Politikern scharf kritisiert. Auch bei vielen Russen stieß das Urteil auf Unverständnis: 77 Prozent der Befragten zeigten sich „nicht einverstanden“ mit der Strafe, wie aus einer Telefonumfrage für den Radiosender Moskauer Echo vom Samstag hervorging. In vielen Städten, darunter Berlin, Brüssel, Wien und Moskau, gab es am Freitag Solidaritätskundgebungen für die drei Frauen.

Hingegen begrüßten Mitglieder der Kreml-Partei Geeintes Russland die Verurteilung. Auch das Weltkonzil des Russischen Volkes, das vom russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill geleitet wird, verteidigte den Richterspruch. Es sei notwendig gewesen zu zeigen, dass das „Punkgebet“ ein Verbrechen und nicht ein Akt freier Kreativität sei, hieß es.

Anklage gegen Kasparow?

Neuerlich ein schiefes Licht auf Russlands Umgang mit Oppositionellen warf am Tag der Urteilsverkündung unterdessen die scharfe Vorgangsweise der Sicherheitskräfte gegen die vor dem Gerichtsgebäude demonstrierenden Pussy-Riot-Sympathisanten.

Garry Kasparov wird von russischen Polizisten verhaftet

Reuters/Tatyana Makeyeva

Ex-Schachweltmeister Kasparow bleibt im Visier der Behörden

Zusammen mit rund 50 weiteren Demonstranten wurde am Samstag auch der frühere Schachweltmeister und Oppositionspolitiker Garri Kasparow wieder freigelassen. Bisher sei auch keine Anklage gegen ihn erhoben worden, sagte einer von Kasparows Mitstreitern, Alexander Riklin, laut AFP. Kasparow müsse aber am Montag wieder zum Verhör erscheinen. Laut Interfax wird dem Oppositionellen vorgeworfen, einem Polizisten ins Ohr gebissen zu haben. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft. Kasparow wies den Vorwurf zurück und erklärte im Gegenzug, in der Untersuchungshaft geschlagen worden zu sein.

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