Digitale Verkäufe reichen noch nicht
Die Umwälzungen auf dem Spielemarkt hinterlassen auch wirtschaftlich tiefe Spuren. Obwohl mehr Menschen spielen, gehen laut jüngsten Zahlen die Umsätze laufend zurück - vor allem im bisherigen Kerngeschäft mit Konsolenspielen.
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In den USA sank der Umsatz mit Hard- und Software im Juli bereits den achten Monat in Folge. Im vergangenen Monat wurde im US-Handel laut dem Marktforscher NPD Group um 20 Prozent weniger für Videospiele und Hardware ausgegeben als im Vormonat, alleine die Hardware ging um 32 Prozent zurück. Im Juni hatte der Umsatz um 37 Prozent nachgegeben.
Digitale Verkäufe wachsen stark
Im Gegenzug zogen digitale Verkäufe laut NPD deutlich an. Von April bis Juni wurden in den USA 1,47 Mrd. Dollar mit Handygames, Browserspielen und Downloads von großen Spielen und zusätzlichen Inhalten umgesetzt. Das sei ein Anstieg um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal, so NPD, damit könne der Rückgang anderer Bereiche aber nicht kompensiert werden. Ein Milliarde Dollar wurde demnach im Handel umgesetzt, in Summe hätten die Käufer im zweiten Quartal aber um 16 Prozent weniger für Spiele ausgegeben.
Deutscher Markt noch mit Wachstum
Der deutsche Markt wuchs laut dem Branchenverband BIU zwar im ersten Halbjahr, allerdings nur um ein Prozent. Im laufenden Jahr soll er ebenfalls schrumpfen und mit 2,5 Milliarden Euro rund vier Prozent unter Vorjahresniveau liegen. Auch in Deutschland geht der Trend hin zu neuen Spiele- und Erlösformen: Der Umsatz mit Online- und Browsergames stieg laut BIU-Hochrechnung um 17 Prozent auf 229 Millionen Euro, wobei vor allem das Kaufen zusätzlicher Inhalte etwa in Facebook-Spielen laut BIU besonders boomt.
Konsolenspiele, laut BIU die „tragende Säule“ des Markts, erwirtschafteten trotz einer leichten Preissteigerung rund sieben Prozent weniger Umsatz. Das stärkste Wachstum zeigen laut BIU mobile Spiele, hier stieg der Absatz um 60 Prozent auf 10,8 Millionen, der Erlös stieg nur um 40 Prozent auf 20,4 Mio. Euro.
Langlebige Konsole nicht der einzige Grund
Laut BIU ist vor allem die längere Lebensdauer der Konsolen der Hauptgrund für das Schrumpfen des Marktes, da diese länger genützt würden. Es spielen laut Experten aber noch andere Faktoren mit. So beklagen viele Spieler fehlende Innovationen bei den Spielen selbst, gerade bei den teuren und umsatzbringenden Konsolenspielen gebe es hauptsächlich Fortsetzungen bereits erfolgreicher Spieletitel.
Ubisoft-Chef Yves Guillemot erhofft sich durch neue Konsolen einen erheblichen Innovationsschub, wie er am Rande der Gamescom sagte. „Wenn Verbraucher sich ein neues Gerät kaufen, probieren sie gerne etwas aus.“ Am Ende eines Zyklus konzentrierten sich die Hersteller auf ihre großen Marken, so Guillemot.
Hartes Geschäft Handygames
Und auch wenn Nutzer mehr Handygames spielen, die Preise dafür sind deutlich niedriger, sodass sie trotz des Booms weniger zum Gesamtumsatz beitragen. Der deutsche Entwickler Bigpoint, der mit Browsergames groß wurde, zog sich eben erst aus dem Geschäft mit Handygames zurück, weil auf dem derzeit rauen Markt kein Geld zu verdienen sei, so Bigpoint-Chef Heiko Hubertz gegenüber der Spielewebsite Gamesindustry.biz. Der Berliner Mitbewerber Wooga hat sich von seinen erfolgreichen Facebook-Spielen dafür zumindest teilweise auf Handygames umorientiert. Auch Activision und Elecontric Arts setzen auf Smartphone-Spiele.
Bedrohung durch Kostenlosspiele
Die größte Bedrohung sehen aber gerade große Spielefirmen in den Free-to-play-Angeboten, den grundsätzlich kostenlosen Spielen im Browser, die für besondere Gegenstände und einen schnelleren Spielfortschritt Geld verlangen. Alleine auf Facebook gibt es laut Angaben des Sozialen Netzwerks derzeit 235 Mio. Spieler. Mittlerweile bieten fast alle großen Spielefirmen diese Spieleform an, Electronic Arts (EA) will sein im Abomodell erfolgloses Spiel „Star Wars: The Old Republic“ auf Free-to-Play umstellen, und auch der Egoshooter-Spezialist Crytek setzt auf das Modell.
Crytek-Gründer und -Chef Cevat Yerli warnte jüngst in einem Interview mit der Spielewebsite VG247.com, dass sich die Spieler ohne neue Konsolen von dieser Plattform überhaupt ab- und anderen Spieleformen zuwenden. Es sei höchste Zeit für eine neue Konsolengeneration, vor allem Tablet-PCs würden massiv Druck auf die Industrie ausüben. Bis auf die Wii U von Nintendo, die noch heuer auf den Markt kommen soll, hat bisher aber noch kein Hersteller eine neue Generation angekündigt.
Kein Ende des Abwärtstrends?
Der aktuelle Abwärtstrend soll sich laut Marktforschern auch mit dem bis Ende des Jahres anstehenden Launch von Nintendos nächster Konsole, der Wii U, zudem nicht ändern. NPD rechnet für das Gesamtjahr in den USA mit 14,5 Milliarden Dollar Umsatz im Handel mit Videospielen - das wäre ein Rückgang von 15 Prozent für das Gesamtjahr und fünf Prozent für die Monate bis Jahresende, so die Spielewebsite Gamasutra.
Ubisoft-Chef Guillemot ist hingegen der Meinung, dass eine neue Gerätegeneration den schwächelnden Markt wieder anschiebt - vorausgesetzt, die Titel seien innovativ. Auch der Trend zu Gratisspielen werde dem Segment für hochwertige Konsolen- und PC-Titel nicht schaden. Diese neuen Produkte sprächen andere Zielgruppen an, zeigte sich Guillemot überzeugt - etwa Nutzer, die kein Geld für klassische Spiele ausgeben würden.
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