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„System ist antiquiert“

Bauern genießen in Österreich - was die zu zahlenden Abgaben betrifft - einen Sonderstatus. Als Bemessungsgrundlage für die Steuerlast wird ein fiktiver Gewinn herangezogen, der mit dem tatsächlichen Ertrag meist nicht einhergeht. Die Folge: Österreichs Bauern zahlen um ein Vielfaches weniger Steuern als „regulär“ Steuerpflichtige.

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So zahlte ein österreichischer Bauer im Jahr 2010 im Schnitt nur 260 Euro Einkommensteuer, wie laut „Presse“ aus Daten eines von der Arbeiterkammer (AK) vorgelegten Berichts hervorgeht. Demnach belief sich das gesamte Einkommensteueraufkommen der Land- und Forstwirtschaft 2010 auf nur 45 Millionen Euro, bei 173.000 Betrieben.

Laut AK, die sich schon länger auf Bauernprivilegien eingeschossen hat, entgehen dem Fiskus durch das geltende Steuerrecht mindestens 300 bis 400 Millionen Euro im Jahr. Die Regelung geht laut Angaben der „Presse“ auf die Nachkriegszeit zurück, als man Bauern vor einer „Bürokratieflut“ schützen wollte.

Einzigartiges Berechnungssystem

Bei der Einkommenspauschalierung wird die Steuerlast auf Basis eines fiktiven Ertragswerts berechnet, des Einheitswerts. Der tatsächliche Gewinn ist für die Berechnung nicht von Bedeutung.

Einheitswerte als Bemessungsgrundlage

Die Pauschalierung der Einkommenssteuer läuft über die Einheitswerte, die zuletzt im Jahre 1988 festgelegt wurden. Bei einem Einheitswert von bis zu 100.000 Euro wird der Gewinn derzeit pauschal mit 39 Prozent des Einheitswerts besteuert. Die aktuelle Regelung läuft Ende 2015 aus, SPÖ und ÖVP verhandeln über eine Regierungsvorlage. Die SPÖ pocht auf eine Herabsetzung der Vollpauschalierungsgrenze auf 30.000 Euro, für den Wiener Steuerberater Gottfried Schellmann ist das zu wenig.

Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof

So legte Schellmann nun Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein. Dieser bestätigte der „Presse“ (Sonntag-Ausgabe) die Prüfung des Verfahrens, die vermutlich noch sechs Monate dauern werde. Schellmann verfasste im Vorjahr gemeinsam mit dem Linzer Steuerrechtsprofessor Georg Kofler für die Arbeiterkammer jenes Gutachten zur Einkommenssteuer für Landwirte, das nun die Basis für die Klage darstellt. Demnach ist Pauschalierung für die Bemessung der Einkommenssteuer gesetzes- und verfassungswidrig.

„Kein Platz mehr im Steuerrecht“

„Dieses System ist antiquiert und hat keinen Platz mehr im Steuerrecht“, wird Schellmann, selbst Sohn eines Weinbauern - für diese gilt die Pauschalierung nicht -, in der Zeitung zitiert. Ein Großteil der Bauern zahle kaum Steuern, obwohl zumindest das obere Viertel der heimischen Landwirte im Schnitt rund 43.000 Euro jährlich verdient, wie die aktuelle AK-Erhebung zeigt.

Dazu kämen noch die Subventionen der EU, die bei der Gewinnermittlung außen vor bleiben. Mehr als 90 Prozent der österreichischen Landwirte sind vollpauschaliert, eine Bilanzierung erübrigt sich somit.

Politische Richtungsdiskussion

Bauernvertreter machen sich unterdessen naturgemäß für eine Beibehaltung der Pauschalierung stark. Für die „Mehrzahl der Betriebe“ soll die Regelung erhalten bleiben, sagte August Astl, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer. Und Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) „will nicht, dass hinter jedem Misthaufen ein Finanzbeamter steht“.

Ursprünglich war 2010 eine Angleichung der Einheitswerte geplant. Der ehemalige ÖVP-Landwirtschafts- und Finanzminister Josef Pröll hatte erst Ende 2010 überraschend die Grenze für die Vollpauschalierung von 65.000 Euro auf 100.000 Euro Einheitswert hinaufgesetzt.

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