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Idylle mit Ablaufdatum

Vor allem wegen seiner paradiesischen Strände und seiner berühmten Tauch- und Surfreviere lockt die indonesische Insel Bali jedes Jahr Millionen Touristen an. Doch der Urlauberboom setzte der Insel zu. Heute sind die Probleme mit dem Massentourismus offenkundig.

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Bali ist mittlerweile weit mehr als das „Mallorca für Australier“. Als vor vier Jahren Kultur- und Tourismusminister Jero Wacik verkündete, dass Bali bald von Touristen überrannt werden würde, die dem Stress entkommen wollen, wurde er noch ausgelacht, schrieb die britische Zeitung „Guardian“ anno 2010. Im selben Jahr lief der unter anderem auf Bali spielende Hollywood-Blockbuster „Eat Pray Love“ nach dem gleichnamigen Besteller von Elizabeth Gilbert an: Eine Frau in der Scheidungskrise - gespielt von Julia Roberts - nimmt sich eine Auszeit, reist durch mehrere Länder und findet schließlich auf Bali zu sich selbst.

Verheerender Anschlag 2002

2002 waren bei Explosionen auf der Ferieninsel Bali 202 Menschen ums Leben gekommen, darunter Dutzende ausländische Touristen.

Pauschaltouristen auf Selbstfindungstrip

Zahlreiche Reiseanbieter sprangen auf den „ELP“-Zug auf. In den USA gibt es seither mehrtägige Pauschalreisen auf den Spuren Gilberts, die den Teilnehmern Selbstfindung versprechen, wie sie Gilbert in ihrer Autobiografie auf der Insel fand. Die ersten Touristen entdeckten Bali in den 1970er Jahren, sie waren vor allem am reichen kulturellen Erbe der „Insel der Götter“ interessiert. Tausende Tempel stehen in der Hindu-Enklave des muslimischen Landes.

Tempelanlage in Ubud

ORF.at/Günther Rosenberger

Tempelanlage in Ubud

Mittlerweile ist der Tourismus der wichtigste Devisenbringer. Die Freude über den nach den verheerenden Bombenanschlägen 2002 überraschend rasch erstarkten Tourismus weicht nun allmählich der Skepsis. Viele Inselbewohner beklagen mittlerweile, dass Bali „over“ (vorbei) sei, berichtete die französische Zeitung „Le Monde“ unlängst. Die Folgen des Massentourismus, vor allem massive Umweltprobleme, seien nicht in den Griff zu bekommen, berichtet Wayan Suardana von der Umweltorganisation Friends of the Earth Indonesia - Wahana Lingkungan Hidup Indonesia (WALHI) laut „Le Monde“.

WALHI vereinigt mehr als 450 NGOs, die über 24 der insgesamt 31 Provinzen des indonesischen Inselstaats verteilt sind.

Gesetze verpuffen

Zwar wurde ein Umweltschutzgesetz erlassen, es scheitert aber offenbar an der Umsetzung. Demnach müssten etwa zwischen touristischen Anlagen und dem Strand mindestens 150 Meter Pufferzone sein, zwischen den Hotels und den zahlreichen Tempeln müsste ein Abstand von mindestens fünf Kilometern bestehen. Doch blieben die gesetzlichen Bestimmungen bisher weitgehend unbeachtet.

Der nationale Geschäftsführer von WALHI, Berry Nahdian Forgan, weist darauf hin, dass alle Bemühungen, die Umwelt zu schützen, nicht erfolgreich sein können, solange die Regierung nicht sicherstelle, dass vorhandene Umweltgesetze auch vollzogen werden. Die mächtigen lokalen Präfekte, Bupati, scheinen kein Interesse zu haben, das zu tun.

Surfschüler am Kuta Beach in Bali

APA/EPA/Made Nagi

Ansturm auf das Surferparadies

Um ihre teuren Wahlkämpfe zu finanzieren, seien sie an maximalen Gewinnen aus dem Tourismus interessiert, wird Ketut Adyana, Mitglied eines Provinzparlaments, in „Le Monde“ zitiert. Er sei zwar nicht grundsätzlich gegen den Tourismus, die Politik müsse aber an die langfristigen Folgen denken und nicht alles auf eine Münze setzen: „Die Ironie ist, dass die Touristen eines Tages in Bali nicht mehr das finden werden, was sie suchen.“

Zu wenig Grundwasser

Die Folgen sind unabsehbar: Die Infrastruktur ist nicht ausreichend, die Strände in der Hauptsaison überfüllt, es kommt zu Engpässen in der Wasserversorgung, wachsenden Abfallbergen und Verschmutzung. Die Hotelanlagen zapfen die Grundwasserreserven über Gebühr an: fürs Duschen und Saubermachen, den Swimmingpool und die Gartenbewässerung. Ein Zimmer eines Viersternhotels brauche rund 300 Liter täglich, errechnet „Le Monde“. „2015 könnte Bali eine Trinkwasserkrise haben“, wird Suardana zitiert.

Jährlich werden laut „Le Monde“ rund 700 Hektar Land für neue Hotelanlagen, Privatgrundbesitz reicher Ausländer oder Straßenbau umgewidmet. Täglich landen 13.000 Kubikmeter Abfall im Müll, nur die Hälfte davon wird wiederverwertet. Die Zahl der Autos steigt jährlich um 13 Prozent.

Reisterrassen bei Jatiluwih

ORF.at/Günther Rosenberger

Reisfelder müssen bewässert werden

Standardisiertes „Package“ für Touristen

Der allgegenwärtige Tourismus greift auch massiv in das Leben der Bewohner ein. Einiges wandte sich zum Guten: „Die Leute sind wohlhabender geworden, der Lebensstandard hat sich verbessert“, beschreibt der Poet und Theaterdirektor Ketut Juliarsa die Vorteile gegenüber „Le Monde“. Andererseits verändere der Massentourismus die Alltagskultur der Inselbewohner. Die lokalen Unterschiede werden demnach immer mehr vereinheitlicht: „Wir bieten ein standardisiertes Package für Touristen an.“

Die balinesische Kultur werde gegen die Wand gefahren, befürchten viele. Audrey Lamou vom französischen Kulturinstitut Alliance Francaise in Denpasar: „Balinesen finden zunehmend Gefallen am schnellen Geld. Die traditionellen Gamelan-Orchester werden immer weniger, die balinesische Sprache weicht der indonesischen.“ Ida Bagus Ngurah Wijaya, Chef der Touristeninformation Bali und Inhaber eines der größten Flagschiffhotels der Insel, ist in seinem Statement gegenüber „Le Monde“ um Schadensbegrenzung bemüht. Er räumt „Probleme bei der Wasserversorgung, ungenügender Infrastruktur, Stromversorgung und Müllentsorgung“ ein, doch „noch ist nichts verloren“.

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