Gutes Geschäft mit der Ware Natur
Dass die Umwelt geschützt werden muss, ist nicht erst seit der jüngsten Klimakonferenz in Rio bekannt. Dass Umweltschutz aber auch lukrativ sein kann, hat sich erst in den letzten Jahren gezeigt. Doch während Tiere und Pflanzen meist vom Geschäft mit der „Ware Natur“ profitieren, gehen viele Maßnahmen an der lokalen Bevölkerung vorbei, warnen Experten.
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Müssen Ökosysteme verkauft werden, um gerettet zu werden? Hilft die Einrichtung von Naturreservaten bei der Bekämpfung von Armut? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die britische Forscherin Melissa Leach vom britischen Institute of Development Studies. Auf Basis von Fallstudien aus 17 Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika wurden Ökomaßnahmen genauer unter die Lupe genommen und ihre Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung beleuchtet.
Landenteignung im Namen der Natur
Ökosysteme zu retten, ist längst kein Thema mehr, das Umweltorganisationen für sich gepachtet haben, sondern wird zunehmend zu einem lukrativen Wirtschaftszweig. Ob Patenschaften für ein Stück Regenwald, der Anbau von Pflanzen zur Gewinnung von Biotreibstoffen oder Ökotourismus in Naturreservaten - im Namen des Umweltschutzes lässt sich viel Geld machen.
Doch die einheimische Bevölkerung hat meist wenig davon, warnen Leach und ihre Kollegen James Fairhead und Ian Scoones in einer Sonderausgabe des „Journal of Peasant Studies“. „Green Grabbing“ erinnere an koloniale Praktiken, nur diesmal im Namen der Natur, bekräftigt Leach in einem Artikel in der Zeitschrift „al-Jazeera“.
Sauberes Geld für schmutziges CO2
Als ein Beispiel nennt Leach den Handel mit CO2-Emissionen. 2005 wurde mit dem Kyoto-Vertrag festgelegt, das westliche Industrieländer mit einem hohen Ausstoß an Treibhausgasen, Verschmutzungszertifikate zukaufen müssen. Verkauft werden sie meist von Schwellen- und Entwicklungsländern mit geringem Energieverbrauch und viel Grünland. Der Handel blüht, allein Österreich musste seit 2005 für 700 Mio. Euro CO2-Zertifikate zukaufen, um die Kyoto-Bestimmungen zu erfüllen.

Reuters/Finbarr O'Reilly
Kinder im liberianischen Regenwald
Die Verkäufer von Emissionszertifikaten sind natürlich bestrebt, ihre positive CO2-Bilanz noch weiter zu verbessern, um noch mehr Zertifikate anbieten zu können. Eine Maßnahme ist unter anderem die Aufforstung von Wäldern. Ein Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, ist das britische Unternehmen Envirotrade mit Sitz in Mauritius. Ein Pilotprojekt läuft derzeit in Mosambik. In Nhambita pachtete Envirotrade 150.000 qkm Land von der dortigen Regierung - fast 19 Prozent der gesamten Staatsfläche.
Holz statt Getreide
Die Bewohner des Landstriches sind angehalten, Bäume zu pflanzen und dafür zu sorgen, dass sie gedeihen. Dafür erhalten sie sieben Jahre lang eine jährliche Vergütung. Der Anbau von anderen Pflanzen außer den vorgeschriebenen Bäumen (Mango, Cashew und Nutzhölzer) wird ihnen untersagt, was die Lebensmittelversorgung beeinträchtigen könnte, kritisiert die Organisation La Via Campesina, die sich für die Rechte von Bauern in Entwicklungsländern einsetzt. Nach sieben Jahren laufen die Zahlungen aus, die Bauern müssen die neuen Wälder jedoch weiter umsorgen. Rechte für die lokale Bevölkerung sind in den Verträgen keine festgeschrieben.
Ähnlich ist die Situation in Liberia, wo das britische Unternehmen Carbon Harvesting Corporation seit 2008 mit 4.000 Quadratkilometer Regenwald auf den CO2-Märkten handelt. Der Gewinn fließt an die Regierung, alle lokalen Rechte über die Regenwaldressourcen wurden stillgelegt, schreibt Leach in ihrem Artikel „The Dark Site of the Green Economy: Green Grabbing“.
Neues Grün durch Biokohle
Selbst angesehene Projekte, wie die Gewinnung von neuem Grünland durch den Einsatz von Biokohle sind laut Leach aus Sicht der sozialen Nachhaltigkeit nicht unproblematisch. Die Verwendung von Biokohle ist in zweifacher Hinsicht interessant: Die aus Pflanzenresten gewonnene Kohle macht karge Böden wieder ertragreich, gleichzeitig werden durch die CO2-neutrale Erzeugung Zertifikate frei.
Organisationen wie die neuseeländische Carbonscape planen bereits die Begrünung von über neun Millionen Quadratkilometer „ungenütztem Land“ in Afrika. „Das ist jedoch Land, auf dem die ansässigen Bauern und Hirten ihr Leben bestreiten“, so Leach.
Sanfter Tourismus mit ruppigen Folgen
Und auch der boomende Ökotourismus hat seine Schattenseiten, wie Leach anhand des Maya-Biosphärenreservats in Guatemala zeigt. Der riesige Nationalpark erstreckt sich auf einer Fläche von 21.602 qkm. Seit 2008 wird dort in Teilen des Reservats Ökotourismus betrieben. Doch nicht immer sind die Einheimischen die Profiteure. Im Gegenteil, viele Dörfer wurden gewaltsam in sogenannte „Pufferzonen“ umgesiedelt, um den Besuchern eine intakte und unbewohnte Natur zu präsentieren, kritisiert Leach.

Reuters
Großes Polizeiaufgebot in einem Dorf im Maya-Biosphärenreservat
Dass Ökotourismus nicht immer hält, was er verspricht, mussten auch die Bewohner in Borneo feststellen. Als 2005 das Delta des Kinabatangan-Flusses zu einem Tierreservat umgewandelt wurde, durften die Einheimischen nur noch mit Sondergenehmigung jagen und ihre Felder bestellen. Ihnen blieb meist nur ein winziges Stück Land, von dem sie kaum leben konnten. Und selbst das wurde ihnen oft von reichen Agrarkonzernen weggenommen, berichtet „Le Monde Diplomatique“.
Dörfer nach dem Geschmack von Touristen
Ökotourismus wurde als Ausweg aus der Misere gepriesen. Die Bevölkerung würde in den wie Pilze aus dem Boden schießenden Hotels Arbeit finden, und die Reiseveranstalter würden die Touristen durch die Dörfer führen, wo sie lokale Erzeugnisse kaufen würden. Doch es kam anders als geplant. Die Hotels waren mit den unzuverlässigen und ungelernten ehemaligen Bauern und Fischern bald unzufrieden und holten sich ihr Personal aus dem Ausland.

APA/EPA/Barbara Walton
Orang-Utans sind die Hauptattraktion in Borneo
Dank der anfänglichen Einnahmen konnten die Dorfbewohner ihre zugigen Palmhütten gegen Holzhäuser mit Blechdächern tauschen. Doch die Touristen beschwerten sich über die Verschandelung der malerischen Kulisse, und fortan wurden die Dörfer von den Reiseveranstaltern gemieden. „Homestay“-Programme, also die Unterbringung von Gästen direkt bei den Dorfbewohnern, fanden wenig Echo. Das Übernachten in den zwar einfachen, aber sauberen Hütten war den Touristen zu wenig abenteuerlich.
So profitieren von den bis zu 70.000 Besuchern jährlich fast ausschließlich die Tourismusindustrie und die Regierung. Und selbst die Tiere, die mittlerweile gut bewacht vor den Dorfbewohnern die touristische Hauptattraktion darstellen, leiden unter den gut gemeinten Schutzmaßnahmen. Da sie durch die Reservatsgrenzen an ihren Wanderungen gehindert werden, häufen sich die Fälle von Inzucht, so „Le Monde Diplomatique“.
Faire Absprachen notwendig
„Diese Fälle zeigen, dass ‚Green Grabbing‘ eine rasch wachsende Schattenseite der Green Economy darstellt“, schreibt Leach in ihrem „al Jazeera“-Artikel. Ökosysteme würden auf der Suche nach Profit ausgebeutet und die Armut in bereits armen Regionen noch verschärft. Würden Marktprinzipien auf nachhaltige und faire Wirtschaftszweige angewandt, dann müssten auch Gerechtigkeit und Fairness berücksichtigt werden, so Leach.
„Es müssen lokal faire Absprachen auf Basis von Transparenz, Verantwortung und freiem Willen getroffen werden“, so Leach. In der Eile, die schwer beschädigte Natur so rasch wie möglich zu retten, würden oft die wirtschaftspolitischen Strukturen, die der Grund für die Zerstörung waren, ignoriert. Leach plädiert dafür, auch die eng mit dem Raubbau an der Natur verwobenen sozialwirtschaftlichen Hintergründe nicht ganz außer Acht zu lassen. Erst dann könne von langfristiger Nachhaltigkeit gesprochen werden.
Gabi Greiner, ORF.at
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