Grabenkämpfe nach Assad drohen
Seit Wochen sind die syrische Hauptstadt Damaskus und die wichtige Handelsstadt Aleppo heftig umkämpft. Die Tage des Regimes von Präsident Baschar al-Assad dürften gezählt sein. Doch wer soll danach in Syrien die Macht übernehmen? Die Gräben zwischen den drei größten Oppositionsparteien scheinen immer tiefer zu werden.
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Nach dem Ausbruch der Kämpfe in Syrien haben sich drei große Oppositionsgruppen formiert, die teils aus dem Ausland, teils als Rebellen im Inland ihre Machtansprüche nach dem Fall von Assad geltend machen. Doch die Einigkeit zwischen den Gruppen ist gering. Das zeigt allein die Tatsache, dass am Wochenende gleich drei verschiedene Pläne für eine neue Regierung präsentiert wurden. Unterdessen mehrt sich die Kritik am Verhalten der Rebellengruppen innerhalb der umkämpften Städte.
Drei Oppositionsgruppen - drei Pläne
Der Syrische Nationalrat (SNC), eine alteingesessene oppositionelle Dachorganisation mit Sitz in Paris, erklärte am Freitag, es würden bereits Gespräche für ein Syrien nach Assad geführt. Geplant sei auch, staatliche Institutionen und sogar die regierende Baath-Partei mit an Bord zu holen, um ein Machtvakuum zu verhindern. Bassma Kondmani, SNC-Sprecherin, wollte auch nicht ausschließen, dass der umstrittene syrische General Manaf Tlass, ein enger Vertrauter Assads, in eine künftige Regierung eingebunden werde.
Am nächsten Tag meldete sich die Freie Syrische Armee, eine nur locker organisierte Rebellengruppe, die den Aufstand gegen Assad anführt, mit eigenen Plänen zu Wort. Sie forderte eine engere Zusammenarbeit von militärischen und zivilen Machtträgern und die Einrichtung eines stärkeren Verteidigungsapparates.
Neue Gruppe hat sich abgespalten
An Sonntag wurde bekannt, dass sich zudem eine Gruppe von syrischen Aktivisten vom SNC abgespalten hat, um als eigenständige Oppositionsgruppe im Ausland eigene Vorschläge für eine mögliche neue Regierung durchzusetzen. Unter der Führung des ehemaligen Juristen Ahitham al-Maleh nennt sich die Gruppe nun Rat für die Syrische Revolution. „Wir distanzieren uns nicht vom SNC hinsichtlich seiner Visionen, aber hinsichtlich seiner Methoden“, sagte Maleh gegenüber Reuters.
Radikale Gruppen übernehmen Macht
Dass die syrische Opposition gespalten ist, ist nicht neu, schließlich umfasst sie so unterschiedliche Gruppen wie Kurden, Araber, sunnitische Muslime und religiöse Minderheiten, geflüchtete Militärs und verfolgte politisch Andersdenkende. Der SNC musste sich zum Beispiel lange den Vorwurf gefallen lassen, dass er in die Kämpfe nicht involviert ist, sondern Machtansprüche aus dem Ausland stellt.

Reuters/Goran Tomasevic
Kämpfer der Freien Syrischen Armee in Aleppo
Auf der anderen Seite mehren sich alarmierende Berichte über die Taten von Rebellen der Freien Syrischen Armee. So würden sich den Kämpfern immer öfter radikalislamische Al-Kaida-Terroristen anschließen, deren Ziel es ist, nicht nur das Regime zu stürzen, sondern auch die sunnitische Glaubensrichtung in Syrien zu stärken, wie ein Bericht der westlichen International Crisis Group nahelegt.
Vor allem in den umkämpften Gebieten um die Handelsstadt Aleppo würden immer öfter radikale Gruppierungen die Kontrolle übernehmen. Neben der Aufrechterhaltung der lokalen Sicherheit und Unterstützung bei Streitigkeiten würden aber auch immer öfter Personen mit anderem religiösen Hintergrund drangsaliert, gefoltert und sogar getötet. Innerhalb der Freien Syrischen Armee habe längst die Scharia geltende Gesetze ausgehebelt, berichten Augenzeugen der Nachrichtenagentur Reuters.
Entführungen und Folter
Personen, die sich den Rebellen nicht anschließen würden, würden geschlagen und bedroht, sagte der Einwohner Abu Ahmed Journalisten in Asas. Streitigkeiten innerhalb der Rebellengruppen würden mit Entführungen und Morden gelöst. Ein Mann sei entführt worden, weil er Gemüse an Kurden verkauft habe, erzählte Ahmed Reuters. Am Sonntag wurde bekannt, dass 48 Iraner von Rebellen entführt wurden, die im arabischen Fernsehen als „Spione“ vorgeführt wurden. Es wird befürchtet, dass es nach dem Fall von Assad zu einem Bürgerkrieg und weiteren Massenmorden kommen könnte, ähnlich wie im Irak nach dem Ende von Saddam Hussein, wie die International Crisis Group warnt.
Aber es gibt auch optimistische Ansichten über die Entwicklungen in Syrien. So sehen einige Experten in der zersplitterten Opposition auch Vorteile, weil es ein Zeichen für einen neuen Pluralismus nach vielen Jahren der Unterdrückung sei. „Es entsteht eine neue politische Gesellschaft fast aus dem Nichts. Da ist Vielfalt normal und gesund“, sagte Nadim Schehadi, Nahost-Experte des Londoner Thinktanks Chatham House.
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