Anleger nach 15 Monaten angeschwemmt
Ein rund 150 Tonnen schwerer Bootsanleger ist bisher das größte Stück Treibgut aus Japan, das nach dem Tsunami im März 2011 an der US-Küste angespült worden ist. Anfang Juni tauchte er im US-Bundesstaat Oregon auf, nun wird er zerlegt und entsorgt. Doch vorher müssen noch Meeresbiologen ihre Arbeit machen: Der Anleger ist voll mit invasiven Meereslebewesen, die das Ökosystem gehörig durcheinanderbringen könnten.
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Der 20 Meter lange, sechs Meter breite und zwei Meter hohe Ponton aus Beton, Stahlstangen und einer Styropor-Füllung wurde von der Flut in Agate Beach 160 Kilometer südwestlich von Portland an Land gespült. Mitarbeiter des japanischen Konsulats identifizierten den Anleger anhand von japanischen Aufschriften.

Reuters/Oregon Parks and Recreation Department
Anleger war voll mit Algen
Aus japanischem Hafen weggerissen
Demnach wurde der Anleger im Hafen von Misawa in der Präfektur Aomori von der riesigen Flutwelle mitgerissen, die den Nordosten Japans am 11. März 2011 nach einem schweren Erdbeben traf. Insgesamt seien vier Anlegestege weggespült worden, sagte Vizegeneralkonsul Hirofumi Murabayashi. „Das ist einer von ihnen.“ Wo sich die anderen Anleger befänden, wisse er nicht. Sie könnten noch irgendwo im Ozean schwimmen oder gesunken sein.
Der Betonteil soll nun in fünf Teile zerlegt und abtransportiert werden, einer davon wird in ein Denkmal für die Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe am 11. März 2011 umfunktioniert. Ursprünglich war überlegt worden, den Anleger sogar wiederzuverwenden - im nahen Newport hatte ein Sturm den alten Anleger weggerissen.
92 fremde Arten entdeckt
Doch die Behörden widersprachen, nachdem Meeresbiologen das japanische Betonstück untersucht hatten: Wissenschaftler von der Oregon State University fanden 92 Arten von lebenden Organismen - und etliche gelten als invasive Arten, die vor der US-Küste eigentlich nicht vorkommen.

Reuters/Oregon Parks and Recreation Department
Algen wurden untersucht und anschließend zerstört
So wurde etwa Wakame-Seetang gefunden, der in der Global Invasive Species Database zu den 100 invasivsten Arten gehört. Gemeinhin ist er aus der asiatischen Küche und der Miso-Suppe bekannt, allerdings wächst die Pflanze schnell und schneidet rasch andere Arten von Algen von der Lichtzufuhr ab. Länder wie Australien kämpfen bereits mit solchen Problemen.
Enorme Kosten
Auch der Nordpazifische Seestern gilt als gefährlicher Eindringling in fremde Ökosysteme - einmal eingeschleppt, ist er kaum mehr zu stoppen und verdrängt andere Spezies. Ähnlich verhält es sich mit der asiatischen Strandkrabbe, die an der US-Ostküste bereits für Probleme sorgt. Sie ernährt sich unter anderen von den Larven von Hummern und anderen kommerziell genutzten Meerestieren.
Und die verursachten Kosten sind enorm: Die Umweltschutzbehörde EPA schätzt die jährlichen Aufwendungen gegen invasive Arten auf 128 Milliarden Dollar, alleine Oregon gibt dafür 400 Millionen Dollar im Jahr aus. Dementsprechend sorgfältig haben die Wissenschaftler das angeschwemmte Riesenteil von Organismen befreit - soweit sie das konnten. Auf die Unterseite des Pontons konnten sie freilich noch nicht zugreifen. Sie zeigten sich aber verwundert, wie viele Pflanzen und Tiere 15 Monate lang im freien Ozean - also fernab ihrer natürlichen Umgebung überleben konnten.
Kommerzielle Schifffahrt verstärkt Problem
Gary Griggs, Direktor des kalifornischen Institute of Marine Sciences, sieht das Problem in einem weit größeren Rahmen. Fremde Spezies würden mittlerweile vor allem durch den steigenden Verkehr von Containerschiffen eingeschleppt, die als Ballast Tausende Liter „fremdes“ Wasser mit sich führen. So hätten sich in der Bucht von San Fransico bereits 240 neue Arten breitgemacht. Und das Tempo steigt. Von 1851 bis 1965 kam jedes Jahr etwa eine neue Art dazu. Mittlerweile passiert das statistisch gesehen alle dreieinhalb Monate.
Noch 1,5 Millionen Tonnen unterwegs?
Nach Angaben des Sprechers der Naturparkbehörde von Oregon, Chris Havel, handelte es sich beim angeschwemmten Anlegesteg um das größte Tsunami-Treibgut, das bisher an der nordamerikanischen Westküste angespült wurde. Der Schwimmponton sei größer als der japanische Kutter, der Anfang April vor der Küste von Alaska auftauchte und von der US-Küstenwache versenkt wurde. Er sei auch größer als der Schiffscontainer mit einem Harley-Davidson-Motorrad, der Anfang Mai in Kanada auftauchte.
Der verheerende Tsunami, der im März 2011 auf das Erdbeben der Stärke 9,0 im Nordosten Japans folgte, spülte Schätzungen zufolge insgesamt fünf Millionen Tonnen Trümmer fort. Rund 70 Prozent davon seien wahrscheinlich untergegangen, bleiben immer noch eineinhalb Millionen Tonnen, die irgendwo im Ozean treiben oder mittlerweile angeschwemmt wurden. Die US-Wetter- und Ozeanografiebehörde NOOA hat den bisher von Tsunami-Müll betroffenen Bundesstaaten Oregon, Washington, Kalifornien, Alaska und Hawaii zunächst je 50.000 Dollar zusätzlich für die Aufräumkosten überwiesen.
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