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Gericht gab Bauern vorerst recht

Fünf Millionen brasilianische Bauern haben den US-Saatgutriesen Monsanto geklagt. Sie fordern 6,2 Milliarden Euro von dem Konzern. Der Grund liegt in Monsantos umstrittenem Lizenzsystem. Die Bauern beschuldigen den Konzern, Gebühren für Saatgut einzunehmen, das dieser fälschlicherweise als sein eigenes bezeichnet.

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Monsanto habe jährlich exorbitante Profite durch Lizenzen auf „erneuerbare“ Saatguternte, beschreibt das Nachrichtenportal RT die Vorwürfe der brasilianischen Bauern. Unter „erneuerbar“ wird jenes Saatgut verstanden, das aus Samen aus der Ernte des Vorjahres angebaut wird.

Diese uralte Praxis nutzt Monsanto aus, um seine Einnahmen zu steigern. Das Unternehmen verlangt Lizenzgebühren für jede Erntegeneration, die aus Monsantos genetisch verändertem Saatgut hervorgeht. Neben dem eigentlichen Preis für das Saatgut müssen die Bauern zwei Prozent fortdauernde Lizenzgebühren für jede anschließende Ernte zahlen, selbst wenn der Bauer eine spätere Saatgutgeneration verwendet.

Ein Bauer füllt Saatgut in einen Behälter seiner Pflanzmaschine

AP/Seth Perlman

Die von Monsanto patentierten Gene finden sich in mehr als 90 Prozent der in den USA angebauten Sojapflanzen

„Faktisch private Steuer“

„Monsanto wird bezahlt, wenn es das Saatgut verkauft. Das Gesetz gibt den Produzenten (den Bauern, Anm.) das Recht, das Saatgut, das sie kaufen, zu vervielfachen, und nirgends auf der Welt muss (erneut) gezahlt werden. Die Produzenten zahlen faktisch eine private Steuer auf den Anbau“, berichtete Jane Berwanger, die Anwältin der Bauern, laut RT gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Diese jährliche Gebühr verlangt Monsanto, sobald ein Bauer Saatgut kauft - demnach theoretisch unendlich lange und ohne eine Ausstiegsmöglichkeit.

In einer ersten Entscheidung gab ein brasilianisches Gericht den Bauern recht und ordnete an, dass Monsanto umgerechnet 1,6 Mrd. Euro zahlen muss. Der Saatgutweltmarktführer legte jedoch Berufung gegen das Urteil ein - der Fall ist noch nicht entschieden.

Auf dem Spiel steht in der Klage laut RT sehr viel: Brasilien war vergangenes Jahr nach den USA der weltweit zweitgrößte Sojaproduzent und -exporteur. 85 Prozent des brasilianischen Sojas sind genetisch verändert. Der Wirtschaftszweig floriert und ist mittlerweile für rund 26 Prozent der Agrarexporte des Landes verantwortlich. Womit die beteiligten Bauern jedoch nicht gerechnet hatten, war der hohe Preis, den sie für diesen Erfolg zahlen müssen.

Umstrittener Saatgutriese

Monsanto ist die Nummer eins auf dem Milliardenmarkt für genetisch manipuliertes Saatgut: Allein in den USA wachsen rund 95 Prozent aller Sojabohnen und 80 Prozent des gesamten Getreides mit Hilfe von Monsantos Gentechnologie. Kritiker werfen dem umstrittenen Konzern vor, sich diese Marktdominanz mit Ellbogenpolitik gegenüber der Konkurrenz und seinen Lizenznehmern erarbeitet zu haben.

Bauern sowie Umwelt- und Verbraucherschützer beklagen, dass sich das veränderte Genmaterial mit jenem konventioneller Pflanzen vermischt. Besonders heftigen Widerstand gibt es seit Jahren gegen das Unkrautvernichtungsmittel Roundup von Monsanto mit dem Hauptwirkstoff Glyphosat.

Studien belegen Gefährlichkeit von Unkrautgift

Saatgutproduzenten wie Monsanto machen Getreide, Sojabohnen und Mais gentechnisch gegen Glyphosat immun. Sind die gentechnisch veränderten Pflanzen dann auf dem Feld, kann der Landwirt mittels des Herbizids alle anderen Pflanzen vernichten, ohne seiner gewünschten Nutzpflanze zu schaden. Mehrere Studien belegten allerdings die gefährlichen Auswirkungen von Glyphosat auf Mensch und Umwelt.

Dubiose Praktiken

Auch die Lizenzpolitik des Konzerns ist seit langem umstritten: Ende 2009 berichteten mehrere US-Medien ausführlich über die fragwürdigen Details der Vereinbarungen. So locke Monsanto unabhängige Saatgutproduzenten mit großzügigen Rabatten in sein Lizenzprogramm. Gleichzeitig grenze es damit auch Konkurrenten vom Markt aus. Unternehmen erhielten diese Vergünstigungen nämlich nur, wenn sie sich verpflichten, mindestens 70 Prozent ihres Saatguts von Monsanto zu beziehen.

Eine andere Lizenzbestimmung soll vorgesehen haben, dass Unternehmen, die ihren Eigentümer wechseln, ihren kompletten Monsanto-Bestand „sofort“ vernichten müssten. Das US-Justizministerium nahm damals Ermittlungen auf, ob es sich bei den Praktiken um verbotene Kartellgeschäfte handelt.

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