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„Verwerfliche Gleichgültigkeit“

Nach dem Amoklauf bei einer „Batman“-Premiere im US-Bundesstaat Colorado ist der mutmaßliche Täter am Montag formell des Mordes angeklagt worden. Insgesamt wurden von der Staatsanwaltschaft 142 einzelne Anklagepunkte gegen den 24-jährigen James Holmes verlesen.

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Holmes wird unter anderem Mord, versuchter Mord und Sprengstoffbesitz zur Last gelegt. Im Zusammenhang mit den Todesopfern verfolgt die Staatsanwaltschaft gleich zwei unterschiedliche Mordvorwürfe gegen Holmes: Zu der Anklage wegen Mordes kommen zwölf weitere Anklagepunkte, weil der Schütze mit „verwerflicher Gleichgültigkeit“ getötet haben soll. Die Anklage lautete formell auf 24-fachen Mord. 116 Anklagepunkte betreffen den Vorwurf des versuchten Mordes.

Offizielle Gerichtszeichung von der Verhandlung mit James Holmes

AP/Jeff Kandyba, Pool

Gerichtszeichnung von der zweiten Holmes-Anhörung

Die Staatsanwaltschaft erwägt nach eigenen Angaben, die Todesstrafe für Holmes zu fordern. Eine Entscheidung darüber muss spätestens 60 Tage nach der Anklageerhebung fallen. Die Todesstrafe wird in Colorado äußerst selten verhängt. Seit der Wiedereinführung in den 70er Jahren wurde in dem Bundesstaat erst ein Straftäter hingerichtet.

Langwieriger Prozess erwartet

Bis zum Beginn der Hauptverhandlung könnte es nach Ansicht von Staatsanwältin Carol Chambers bis zu ein Jahr dauern. Es sei sehr umfangreiches Beweismaterial zu prüfen. Im Gegensatz zur ersten Anhörung vor Gericht waren diesmal Kameras nicht zugelassen. Im Zentrum des Verfahrens dürfte die Frage stehen, ob Holmes zurechnungsfähig ist. Die nächste Anhörung sei für den 9. August angesetzt, berichtete die „Denver Post“. Das Verfahren könnte den Angaben zufolge mit einer Voranhörung am 12. November beginnen.

Holmes war vor einer Woche erstmals vor Gericht erschienen. Der junge Mann mit grellrot gefärbten Haaren hatte dabei kein Wort gesagt und wirkte geistig abwesend. Der merkwürdige Auftritt führte zu Spekulationen, dass Holmes womöglich unter dem Einfluss von Medikamenten gestanden sei. Bei der Anhörung am Montag erschien Holmes konzentrierter. Auf die Frage von Richter William Sylvester, ob er die Anklagepunkte verstehe, antwortete er mit „Ja“.

Mordpläne an Uni verschickt?

Die Motive hinter der Tat liegen unterdessen weiter im Dunkeln. Nach Angaben seiner Anwälte war Holmes bei einer Psychiaterin an seiner Universität in Behandlung. Medienberichten zufolge habe er die Psychiaterin der Universität von Colorado, Lynne Fenton, konsultiert. Ein Grund für die Behandlung sei laut dem TV-Sender CNN nicht genannt worden.

Die auf Schizophrenie spezialisierte Professorin sei allerdings Adressatin von Notizen des 24-Jährigen mit angeblichen Mordplänen und Gewaltfantasien gewesen, die nun zu einer juristischen Kontroverse zwischen Anklage und Verteidigung führten.

Holmes’ Anwälte wollen verhindern, dass der Inhalt der Papiere als Beweismittel im Prozess benutzt wird. Sie argumentierten in ihrem Antrag, der Inhalt der Sendung falle unter das Ärztegeheimnis, da Holmes Patient der Psychiaterin gewesen sei. Mit der Berichterstattung durch die Medien seien die Rechte ihres Mandanten verletzt worden.

Zehn Überlebende weiter im Spital

Holmes soll kurz nach Mitternacht am 20. Juli bei einer Premierenvorstellung des neuen „Batman“-Films „The Dark Knight Rises“ in Aurora nahe Denver wahllos ins Publikum geschossen haben. Dabei wurden zwölf Menschen getötet und 58 weitere verletzt. Zehn Überlebende wurden am Montag weiter im Krankenhaus behandelt, vier von ihnen befinden sich nach wie vor in kritischem Gesundheitszustand.

Die Polizei hatte den 24-jährigen Studenten kurz nach der Tat auf dem Parkplatz des Kinos gefasst. In seine Wohnung hatte der Verdächtige US-Medien zufolge selbst gebaute Granaten sowie Treibstoff platziert und mit einem Zündmechanismus versehen. Die Polizei konnte die Sprengfallen entschärfen.

Festnahme nahe Washington

Eine Woche nach dem Massaker in Aurora nahm die Polizei in der Nähe von Washington einen weiteren möglichen Amokläufer fest. In dessen Wohnung wurden 20 Gewehre und Pistolen sowie große Mengen Munition gefunden, berichtete die Polizei am Freitag. Der Mann habe seinem Arbeitgeber gedroht.

Nach Angaben eines Zeugen habe sich der Verdächtigte am Telefon als „Batman“-Bösewicht Joker ausgegeben - was die Polizei an den mutmaßlichen Todesschützen von Aurora erinnerte. „Ich bin ein Joker. Ich werde meine Pistole laden und alle in die Luft sprengen“, soll er gesagt haben. Bei seiner Festnahme habe der Mann ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Nicht Pistolen töten Menschen - ich töte sie“ getragen, ergänzte ein Ermittler.

Der zuständige Polizeichef Mark McGaw sagte, dass es sich vermutlich um eine ernste Gefahr gehandelt habe. „Wir können aber nicht genau ermessen, was wir hier verhindert haben“, fügte er hinzu.

Vorstoß für schärfere Waffengesetze

Als Reaktion auf die Morde in Colorado leiteten Vertreter der Demokraten im Kongress eine Verschärfung der Waffengesetze ein. Der am Montag von Senator Frank Lautenberg und der Abgeordneten Carolyn McCarthy in Washington vorgestellte Gesetzesentwurf sieht ein Verkaufsverbot für große Mengen Munition über das Internet vor. Dem Vorstoß werden aber kaum Chancen eingeräumt, da eine Mehrheit im Kongress strengeren Waffengesetzen ablehnend gegenübersteht.

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