Debatte über Rolle Deutschlands
Euro-Gruppe-Chef Jean-Claude Juncker hat in der europäischen Schuldenkrise schnelle Entscheidungen angekündigt - es bestehe „dringender Handlungsbedarf“. Hart ging er mit der Linie einiger deutscher Politiker ins Gericht, die eine Rettung des Euro in Griechenland für nicht mehr notwendig hielten. Aus Deutschland kam erneut scharfe Kritik.
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Besonders verärgert reagierte die bayrische CSU, die die Aussagen Junckers als „Unverfrorenheit“ zurückwies. Juncker verdrehe mit seiner Kritik an Deutschland die Tatsachen, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt am Montag im Bayerischen Rundfunk.
„Sich jetzt hinzustellen und Deutschland als Teil des Problems, Teil der Krise zu bezeichnen ist an Unverfrorenheit nicht mehr zu überbieten“, so Dobrindt. „Ob man so jemand wirklich in dieser Funktion als Euro-Gruppe-Chef behalten kann, (...) da mache ich ein großes Fragezeichen.“ Junckers Amtszeit war gerade erst verlängert worden, er will das Mandat jedoch mit Jahresende niederlegen. CSU-Chef Horst Seehofer sagte zu Junckers Äußerungen: „Manches Interview schafft erst Probleme, und dieses gehört dazu.“ Allerdings reiche der Fall nicht für Ärger, „sondern nur für Erstaunen“.
Euro-Zone „wie eine Filiale behandelt“
Juncker hatte in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag-Ausgabe) scharfe Kritik am Verhalten einiger deutscher Politiker geübt. Er frage sich, warum Deutschland die Euro-Zone „wie eine Filiale“ behandle.
Danach gefragt, wie viel Zeit Griechenland noch für Reformanstrengungen bleibe, sagte Juncker: „Ich wundere mich immer wieder, dass man vor allem in der Bundesrepublik stets mahnt, wir müssen den Troika-Bericht abwarten. Aber schon bevor er da ist, erklärt man, was drin steht.“ Das sei keine europäische, sondern deutsche Innenpolitik. „Wieso eigentlich erlaubt sich Deutschland den Luxus, andauernd Innenpolitik in Sachen Euro-Fragen zu machen? Warum behandelt Deutschland die Euro-Zone wie eine Filiale?“
Juncker betonte, ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone gehöre nicht zu seiner „Arbeitshypothese“. Zuletzt hatte der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) gesagt, für ihn habe ein Austritt Athens „längst seinen Schrecken verloren“. Weitere Politiker der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP hatten sich ähnlich geäußert.
Dringender Handlungsbedarf
Das Verhalten Deutschlands sei umso schwerwiegender, als dringender Handlungsbedarf bestehe. „Die Welt redet darüber, ob es die Euro-Zone in einigen Monaten noch gibt“, so Juncker. Die Euro-Länder müssten jetzt „mit allen verfügbaren Mitteln“ ihre feste Entschlossenheit zeigen, die Finanzstabilität der Währungsgemeinschaft zu garantieren: „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“ Juncker kündigte Entscheidungen über Euro-Rettungsmaßnahmen für die nächsten Tage an.
„Wir sind an einem entscheidenden Punkt angekommen“, sagte der luxemburgische Regierungschef. Juncker sprach sich ferner für die Einführung eines hauptamtlichen „europäischen Finanzministers“ aus. Dieser müsse „eine prominente Persönlichkeit sein, die durchaus nationale Haushaltspläne stoppen kann“.
Barroso sieht sich bestätigt
Unterdessen sieht sich die EU-Kommission durch die jüngsten Aussagen Junckers zur Dringlichkeit neuer Rettungsmaßnahmen für den Euro bestätigt. Was Juncker angekündigt habe, bestätige nur das, was EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso bereits bei seinem jüngsten Besuch in Athen erklärt habe, sagte ein EU-Kommissionssprecher am Montag in Brüssel. Demnach würden die EU-Institutionen und die EZB alles unternehmen, um die Stabilität der Euro-Zone zu sichern.
Es gebe aber kein neues Ansuchen von Krisenländern, europäische Hilfsinstrumente zu nutzen, sagte der Sprecher. Vor allem Spanien und Italien waren in den vergangenen Wochen verstärkt unter den Druck der Finanzmärkte geraten und mussten Rekordzinsen für frisches Geld bezahlen.
Zuversicht bei Schäuble und Geithner
Im Urlaubsort Sylt traf am Montag der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Timothy Geithner zusammen. Mit Blick auf die Reformanstrengungen in Euro-Krisenstaaten äußerten beide Zuversicht. In einer gemeinsamen Erklärung nach einem Treffen war von „beachtlichen Anstrengungen“ in Spanien und Italien die Rede. Auch Fortschritte in Irland und Portugal hoben Geithner und Schäuble positiv hervor. Sie verwiesen dabei auf die erfolgreiche Platzierung irischer Anleihen. Von Griechenland war nicht die Rede.
Blair: Deutschland soll Euro retten
Auch der britische Ex-Premierminister Tony Blair meldete sich zu Wort, er forderte Deutschland zur Rettung des Euro auf. Die Euro-Krise sei anders als frühere Krisen, schrieb Blair in einem Gastbeitrag für die „Bild“-Zeitung (Montag-Ausgabe). „Sie ist für uns eine neue Erfahrung, am ehesten noch vergleichbar mit der Situation in den 1930er Jahren. Sämtliche Alternativen sind unschön. Aber die beste dieser Alternativen für Europa, und insbesondere für Deutschland, besteht darin, den Euro zu retten.“
Noch kein Hilfsantrag aus Spanien
Wie am Montag aus der EU-Kommission verlauete, stellte Spanien im Kampf gegen die hohen Zinsen für Staatsanleihen bisher keinen Antrag auf Hilfe des Euro-Rettungsschirms EFSF. „Es gibt bisher keinen Antrag eines Mitgliedsstaates, das Instrument zu nutzen.“ Die Kommission reagierte damit auf Junckers Äußerungen. Dieser hatte gesagt, dass die Beschlüsse des EU-Gipfels von Ende Juni umgesetzt würden. Sie sehen vor, dass der Rettungsfonds notfalls Anleihen über die EZB aufkaufen darf.
Indes rutschte Spanien noch tiefer in die Rezession: Die Wirtschaftsleistung sank im zweiten Quartal um 0,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Italien nahm fünf- und zehnjährige Staatsanleihen im Umfang von knapp 5,5 Mrd. Euro zu niedrigeren Zinsen auf. Das Vertrauen von Managern und Verbrauchern in die europäische Wirtschaft sank allerdings laut einer neuen Erhebung.
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