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Hunderte militante Kämpfer vereint?

Nach Berichten des britischen „Guardian“ haben sich in Nordirland paramilitärische anti-britische Splittergruppen zu einer Nachfolgeorganisation der 2005 aufgelösten Provisional Irish Republican Army (IRA) zusammengeschlossen. Die Gruppe erlebt den Angaben zufolge Zustrom aus bestehenden kleineren Terrorgruppen.

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Die selbsternannten Nachfolger der ehemals aktiven nordirischen Terrororganisation planen dem Bericht zufolge, ihre Angriffe auf Sicherheitskräfte und andere Symbole britischer Präsenz in Nordirland zu intensivieren.

„Volk für falschen Frieden verkauft“

Das Manöver ist offenbar eine Reaktion enttäuschter Hardliner auf den Friedenskurs der irisch-republikanischen Sinn Fein - die Partei war ehemals der politische Arm der IRA, wird aber von den Splittergruppen kollektiv entschieden abgelehnt. „Das irische Volk wurde für einen falschen Frieden verkauft, abgesegnet von einem symbolischen Parlament in Stormont“, heißt es unter Anspielung auf den Sitz des nordirischen Parlaments.

Splittergruppen vereinigt

Der Mechanismus steht dabei jedenfalls ganz in der Tradition der IRA: Drei der vier wichtigsten Terrorgruppen, die derzeit in Nordirland operieren, fügten sich gemäß dem „Guardian“-Bericht zusammen - zwei davon sind Splittergruppen der Provisional IRA (PIRA, Provisorische irisch-republikanische Armee, Anm.), die aus der Spaltung der IRA im Dezember 1969 hervorging und über Jahrzehnte für Attentate und Anschläge verantwortlich war.

Der nun neu gegründeten Terrorgruppe gehört nach Angaben die Formation Real IRA an, zudem die Gruppe Republican Action Against Drugs (RAAD). Die Real IRA war nach der Abspaltung von der PIRA 1997 hervorgegangen, sie zeichnete 1998 für einen schweren Bombenanschlag im nordirischen Omagh verantwortlich, bei dem 29 Menschen ums Leben kamen und über 300 verletzt wurden. Zu keiner Zeit stieg sie auf die offiziell vereinbarte Waffenruhe ein. Sie ist eine illegale Organisation in der Republik Irland und wird im Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten als terroristische Vereinigung geführt. Die EU führt die Organisation ebenfalls auf ihrer Liste der Terrororganisationen.

Gegen Drogendealer

Die RAAD hat wiederum eine andere Intention. Erst 2008 gegründet, hat es sich die Gruppe offiziell zum Ziel gemacht, gegen Drogendealer vorzugehen. Dabei kommen etwa Rohrbomben zum Einsatz, aber auch Brand- und Schussattacken werden verübt.

Zudem traten der neuen Koalition verschiedene unabhängige bewaffneter Gruppierungen bei. Nur eine Fraktion blieb der neuen Koalition fern: die Continuity IRA. Ihre Anhänger sehen sie als die nationale Armee einer 32 Grafschaften umfassenden Irischen Republik, eines von irischen Nationalisten von 1919 bis 1922 einseitig ausgerufenen Staates, an.

Die Continuity IRA bleibt völlig unabhängig. Den neuen Paramilitärs sollen auch Hunderte Dissidenten angeschlossen sein, darunter auch ehemalige Mitglieder der 2005 aufgelösten Provisional IRA, die seitdem nicht mehr organisiert aufgestellt waren. Die RAAD und die Real IRA würden aufgelöst und gehen komplett in der neuen Formation auf, hieß es.

Erster bedeutender Zusammenschluss seit 1998

Mit der Fusion hätten sich erstmals seit dem Good-Friday-Abkommen von 1998, bei dem die Provisional IRA ein Niederlegen der Waffen ankündigte, mehrere Fraktionen anti-britischer Kräfte zusammengeschlossen.

Mit dem Abkommen hatten Protestanten und Katholiken den Nordirland-Konflikt beendet, in dem mehr als 3.000 Menschen ums Leben gekommen waren. Doch die Gewalt war zu keiner Zeit ganz in den Griff zu bekommen: Immer wieder gab es gewalttätige Zwischenfälle und Bombendrohungen, die sich gegen die Zugehörigkeit Nordirlands zu Großbritannien richteten.

Einheitliche Führungsstruktur

Laut einem Statement der neuen Dachorganisation, das dem Guardian vorliegt, habe man eine einheitliche Führungsstruktur geschaffen. Die Führungsriegen nationalistischer Kräfte hätten die Schaffung eines „freien und unabhängigen Irlands“ bislang verabsäumt, es hätte einige Rückschläge gegeben. Die neue Organisation sieht sich nach eigenen Aussagen den Zielen der Provisional Irish Republican Army verpflichtet.

Die Gruppe habe sich eine „einheitliche Struktur, unter einer einzigen Führung“ gegeben, hieß es in einer Erklärung, die bei der Zeitung einging. Die Gruppe unterwerfe sich „der Verfassung der Irisch-Republikanischen Armee“. Hunderte Paramilitärs seien aufseiten der militanten Republikaner derzeit kampfesbereit.

Der laufende Friedensprozess könnte damit vor Rückschlägen stehen. Die neue Organisation plant dem Bericht zufolge Anschläge auf Sicherheitskräfte und andere Ziele, die als britische Symbole gelten. Besonders im Fokus stünden Filialen der Ulster Bank, auch die Kulturhauptstadt des kommenden Jahres, Londonderry, sehe einer konkreten Bedrohung entgegen.

Zwischenfall bei Olympiafackellauf

Erst Anfang Juni hatte es in Londonderry, dem Zentrum der anti-britischen Widerstandsbewegung - einen Zwischenfall mit dem olympischen Fackelkomitee gegeben. Die anwesende Polizei wurde von einer etwa 200-köpfigen Gruppe an IRA-Unterstützern angegriffen. Der Fackellauf musste abgebrochen werden, das Ziel sollte ursprünglich das Rathaus sein. Erklärtes Ziel waren die Militanten der Polizei, verlautete aus den Splittergruppen.

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