„Nicht mehr korrekte“ Gesinnung
Über Jahrzehnte hinweg ist das Gerücht kursiert, dass vom Bildhauer Wilhelm Frass 1935 im Denkmal des „toten Soldaten“ in der Krypta am Wiener Burgtor ein Nazi-Huldigungsschreiben versteckt wurde. Nun herrscht Klarheit - und das Gerücht hat sich bewahrheitet. Allerdings: In der Metallkapsel im Betonsockel des Denkmals steckte noch ein zweites Schriftstück mit völlig konträrem Inhalt.
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Das zweite Schriftstück, von Frass’ Assistenten Alfons Riedel verfasst, stellt einen Aufruf zum Pazifismus dar. „Wir können mit Fug und Recht von einer Sensation sprechen“, erklärte Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Die beiden Schriftstücke, die am Mittwoch „in penibler Art und Weise“ geborgen wurden, würden die „Ambivalenz der Errichtungszeit“ des Denkmals darstellen, in der es keinen Konsens über staatliche oder nationalistische Identität gegeben habe, stellte Historikerin Heidemarie Uhl fest.
Bildhauer rühmte sich selbst des „Hochverrats“
Bewahrheitet habe sich das „hochverräterische Schriftstück“, das der Bildhauer Frass bereits 1938 in einem Brief an den Kunsthistoriker Karl Hareiter selbst als solches bezeichnet hatte. Das Schreiben datiere auf den 8. April 1935, ähnele einer Grundsteinurkunde, so die für die Militärhistorische Denkmalkommission tätige Historikerin, und „hat durchaus Manifestcharakter“. Das Gedenken an die im Ersten Weltkrieg Gefallenen werde damit konterkariert, das Schreiben sei „gegen Österreich gerichtet“.

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Die Untersuchung des Denkmals
Die zweite „Sensation“ sei aber Riedels Schreiben. Bisher könne sie leider „fast nichts außer Hypothesen“ darüber sagen, bedauerte Uhl. Zu erkennen sei aber, dass es auf anderem Papier als Frass’ Schriftstück und „offensichtlich in Eile“ verfasst wurde. Es vermittle eine „ganz andere Botschaft“, „hier haben wir einen pazifistischen Aufruf“, das habe niemand erwartet, gab sich die Historikerin erstaunt. Bisher habe man von Riedel aber gar nichts gewusst. Bekannt von ihm sind vor allem Arbeiten im Auftrag des Wiener Gemeindewohnbaus.
Darabos deutet Verbleib von Denkmal an
Die beiden Schriftstücke, deren Authentizität bereits bestätigt wurde, werden nun weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen unterzogen und dann voraussichtlich dem Heeresgeschichtlichen Museum übergeben, kündigte Generalleutnant Christian Segur-Cabanac, der die Öffnung des Denkmals geleitet hatte, an. Das Schreiben von Riedel in der Kapsel sei übrigens obenauf gelegen, merkte er an. Ein Notar habe die Arbeiten begleitet, die Hülse werde nun versiegelt in einem Koffer aufbewahrt.

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Der Fundort der Botschaften im Sockel des Denkmals
Die Krypta am Heldenplatz soll nun - wie bereits angekündigt - völlig neu gestaltet werden. Was mit dem Denkmal des toten Soldaten geschehe, müsse man noch diskutieren, so der Minister. Eine Entfernung sieht er nach Ausheben der Kapsel aber nicht als zwingend notwendig an. Es gebe schließlich auf der ganzen Welt viele Denkmäler von Künstlern, deren politische Gesinnung man heutzutage „nicht mehr korrekt findet“, wie die APA Darabos zitiert. Am Beispiel des Burgtor-Denkmals offenbart sich damit ein typisch österreichisches Dilemma.

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Darabos in der Krypta des Burgtors
Konzept für Neugestaltung bis 26. Oktober
Wie so oft stellt sich auch im konkreten Fall die Frage, wie weit sich Österreich mit nach wie vor vorhandenen nationalsozialistischen Überbleibseln abfinden will. Dem Soldatendenkmal etwa wird auf ewig die Tatsache anhaften, dass Frass damit Österreich als Staatsgebilde de facto dem Hohn preisgab - und sich dessen auch rühmte, als es nach dem „Anschluss“ an Nazi-Deutschland 1938 opportun war. Frass ist etwa auch in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben.
Dass das seit 1938 in Umlauf befindliche Gerücht über die versteckten Nazi-Parolen nun aufgeklärt werden konnte, liegt vor allem an der Beharrlichkeit des grünen Abgeordneten Harald Walser. Er hatte seit Jahren auf die Untersuchung des Denkmals gedrängt. Bis zum Nationalfeiertag am 26. Oktober diesen Jahres soll jedenfalls ein Konzept zur Neugestaltung der Räume vorliegen, bis dahin ist die Krypta öffentlich nicht zugänglich.
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