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Turbulente Throngeschichte

In der Geschichte Englands kam es immer wieder entweder zu erbitterten und oft blutigen Kämpfen um die Thronfolge oder zur verzweifelten Suche nach einem akzeptablen Erben. Die dramatischen Brüche in der englischen bzw. britischen Thronfolge inspirierten über die Jahrhunderte zahlreiche Künstler und Schriftsteller, insbesondere William Shakespeare.

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Nach dem Tod von Henry I. im Jahr 1135 wurde etwa nicht seine von ihm zur Thronerbin erklärte Tochter Mathilda Königin, stattdessen riss sein Bruder Stephan die Krone an sich, was zu einem jahrelangen Bürgerkrieg führte. Obwohl die Kaiserin Mathilda - so genannt wegen ihrer ersten Ehe mit dem römisch-deutschen Kaiser Henry V. - sich letztlich nicht auf Dauer die Herrschaft sichern konnte, gelang es durch eine Vereinbarung mit Stephan, ihrem Sohn die Thronfolge zu sichern, der schließlich 1154 als Henry II. zum König gekrönt wurde.

Erbitterter „Rosenkrieg“

Ebenfalls dramatisch fiel die Auseinandersetzung zwischen Richard II. und seinem von ihm enterbten Cousin Henry Bolingbroke - beide Enkelsöhne von König Edward III. - aus: Bolingbroke zwang Richard 1399 zum Rücktritt und machte sich als Henry IV. selbst zum König. Dieser Familienstreit gilt als Vorspiel zum wenige Jahrzehnte später ausbrechenden „Rosenkrieg“ zwischen zwei Zweigen der Nachkommen von Edward III., dem Haus Lancaster (mit der roten Rose als Symbol) und dem Haus York (weiße Rose). Dabei kämpften Henry VI. aus dem Hause Lancaster, der Enkelsohn von Henry IV., und Edward IV. aus dem Hause York in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts jahrelang erbittert um die Vorherrschaft im Land.

Auch nach dem Tod der beiden Könige kam zunächst keine Ruhe über England: Richard, der Bruder von Edward IV., ließ dessen Ehe nachträglich für ungültig und dadurch den minderjährigen König Edward V. für unehelich erklären und setzte sich selbst auf den Thron. Das anschließende Verschwinden des jungen Edward V. und seines jüngeren Bruders sorgt bis heute immer wieder für Gerüchte, ihr Onkel hätte sie im Londoner Tower ermorden lassen. Erst nachdem Richard III. von Henry Tudor, einem entfernten Nachkommen von Edward III., abgesetzt wurde und 1485 auf dem Schlachtfeld starb, kam der „Rosenkrieg“ mit der Herrschaft Henry VII. endlich zu einem Ende.

Abkehr von der katholischen Kirche

Die Bemühungen des Sohnes von Henry VII., Henry VIII., um einen männlichen Erben stießen das Land allerdings bald wieder in die Krise: Weil aus der Ehe mit der Spanierin Katharina von Aragon allein die Tochter Mary das Erwachsenenalter erlebte, wollte Henry eine Annullierung der Ehe durch den Papst erreichen - auch um seine Geliebte Anne Boleyn heiraten zu können. Als das Kirchenoberhaupt sich weigerte, spaltete Henry - eigentlich protestantischen Ideen nicht so zugetan - die Kirche in England kurzerhand von der katholischen Kirche ab und machte sich 1534 selbst zu deren Oberhaupt.

Doch Boleyn, die er nach der Annullierung der Ehe mit Katharina heiratete, gebar ihm nur eine Tochter, Elizabeth. Erst aus der dritten Ehe mit Jane Seymour - die er nach der Hinrichtung von Anne Boleyn aufgrund behaupteter Untreue ehelichte - ging der ersehnte Sohn hervor, sein Nachfolger Edward VI.

Glanzzeit unter Elisabeth I.

Nach dessen frühen Tod im Alter von bloß 16 Jahren setzte sich Mary Tudor - die nach der Scheidung von Katharina für unehelich erklärt und damit von der Thronfolge ausgeschlossen worden war - 1553 als Mary I. auf den englischen Thron. Das harte Durchgreifen der katholischen Königin gegen die unter Henry in Amt und Würden gekommenen protestantischen Würdenträger trugen ihr den Namen „Bloody Mary“ ein.

Doch Mary Ehe mit dem spanischen König Philipp II. blieb kinderlos, und so erlangte ihre protestantische Halbschwester Elizabeth - die eigentlich noch von ihrem Vater für unehelich erklärt worden war - nach ihrem Tod 1558 den Thron. Die lange Herrschaft von Elizabeth I., die von der Rückführung des Landes zum Protestantismus und zum Aufstieg Englands als Seemacht gekennzeichnet war, blieb zwar als Glanzzeit in Erinnerung, doch ihre Weigerung zu heiraten ließ nach ihrem Tod die Frage nach der Thronfolge erneut offen.

Intermezzo der Stuarts

So wurde schließlich der schottische König James VI. als James I. 1603 König von England. Der Herrscher aus dem Hause Stuart war ein entfernter Nachkomme Henry VII. und Sohn der schottischen Königin Mary Stuart, die Elizabeth I. pikanterweise wenige Jahre zuvor hinrichten ließ.

Dem Haus Stuart war auf dem Thron Englands allerdings keine lange und auch keine friedvolle Zeit beschieden. Charles I., der Sohn von James I., wurde nach einem Bürgerkrieg gegen das Parlament 1649 hingerichtet, woraufhin für einige Jahre eine Republik, das Commonwealth of England, unter Oliver Cromwell folgte.

1660 gelang es seinem Sohn Charles II., die Monarchie wiederherzustellen. Sein Bruder und Nachfolger James II. zog allerdings unter anderem mit seinem autoritären Führungsstil und seinem Katholizismus - der mittlerweile im Land als Synonym für „unenglische Einstellung“ galt und unter Hochverratsverdacht stand - heftige Ablehnung auf sich, so dass er in der „Glorious Revolution“ 1688 abgesetzt wurde.

Katholiken müssen draußen bleiben

Das Parlament bot James protestantischer Tochter Mary II. und deren Ehemann und Cousin Wilhelm III. von Oranien gemeinschaftlich die Krone an. Anschließend wurde festgelegt, dass in Zukunft sowohl Katholiken wie auch Ehepartner von Katholiken von der englischen Thronfolge ausgeschlossen seien. Diese Regelung gilt bis zum heutigen Tag - deshalb konvertierte die Verlobte von Peter Philips, eines Enkelsohnes von Königin Elizabeth II., vor der Hochzeit 2008 vom Katholizismus zum Anglikanismus, um ihren Mann und ihre Kinder nicht von der Thronfolge auszuschließen.

Der Ausschluss von Katholiken von der Thronfolge war auch der Grund, warum 1714 nach dem Tod von Königin Anna - der Schwester von Mary II. -, die trotz zahlreicher Geburten keinen Erben hinterließ, nur der deutsche Herzog Georg Ludwig, Kurfürst von Hannover, ein entfernter Nachkomme von James I., als König infrage kam. Verwandtschaftlich deutlich näher lagen zwar die katholischen Nachkommen von James II. - James Stuart und dessen Sohn Charles („Bonnie Prince Charlie“) -, doch konnten diese niemals ihre Ansprüche auf den englischen, schottischen und irischen Thron durchsetzen.

Haus Hannover bringt Ruhe

Mit der Einsetzung des Hauses Hannover auf dem britischen Thron war die Zeit der dramatischen und oft blutigen Erbfolgesprünge in Großbritannien vorbei und eine lange Friedensperiode setzte ein. Zwar hatten Anfang des 19. Jahrhunderts weder George IV. noch sein Bruder und Nachfolger Wilhelm IV. legitime Söhne, die ihnen hätten nachfolgen können, doch brachte das keine Konflikte mit sich. Mit der Thronbesteigung von Wilhelms Nichte Victoria 1837 begann dann die bisher längste und - ähnlich wie unter Elizabeth I. - wirtschaftlich, politisch und kulturell erfolgreichste Königsherrschaft in Großbritannien.

Victorias Sohn Edward musste allerdings - ähnlich wie Prinz Charles heute - lange warten, bis er den Thron besteigen konnte: Beim Tod seiner Mutter 1901 war er bereits 59 Jahre alt. Ähnlich war es fast ein Jahrhundert zuvor George IV. ergangen, der 1820 erst mit 57 Jahren seinem 60 Jahre herrschenden, aber durch eine Krankheit zeitweise nicht zurechnungsfähigen Vater George III. auf dem Thron nachfolgen konnte.

Erster Kronverzicht

Eine Schrecksekunde erlebte die britische Monarchie allerdings 1936, als der noch nicht gekrönte König Edward VIII. nach nur wenigen Monaten Herrschaft abdankte und den Thron seinem Bruder Albert überließ, der als George VI. den Thron bestieg. Edward hatte darauf bestanden, die zweimal geschiedene bürgerliche Amerikanerin Wallis Simpson zu heiraten, wogegen die Regierung und die Kirche von England heftig opponierten. Eine geschiedene Frau könne nicht Königin des Vereinigten Königreiches werden, hieß es damals. Bei Edwards Rücktritt handelte es sich um den ersten freiwilligen Verzicht auf die Krone in der Geschichte Englands.

Bei den Nachkommen von Königin Elizabeth II., der Tochter von George VI., ist das heute schon anders: Mittlerweile sind drei der vier Kinder der Königin geschieden, darunter auch Kronprinz Charles, dessen weltweit beliebte Ex-Frau Diana 1997 in einem aufsehenerregenden Autounfall in Paris starb. Sollte Charles König werden, käme er heute wohl nicht mehr in die gleiche Situation wie sein Großonkel Edward: Seine zweite Frau Camilla, Herzogin von Cornwall, ist selbst geschieden.

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