Entschädigungen nicht geklärt
Vor mehr als einem Jahr hat die Schweizer Regierung den Atomausstieg beschlossen. Der Bundesrat entschied, bis 2035 aus der Atomenergie auszusteigen. Doch die Frage nach möglichen Entschädigungszahlungen an die AKW-Betreiber scheint erst jetzt in den Blickpunkt zu rücken.
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Es sei nicht geklärt, wie Atomkraftwerke abgeschaltet werden können, ohne dass hohe Entschädigungsforderungen auf die Regierung zukommen, fürchten Parlamentarier. Experten zufolge könnten diese Entschädigungen durchaus im dreistelligen Millionenbereich liegen. Auslöser für diese Diskussion ist ein internes Dokument des Bundesamts für Energie (BFE) für die Energiekommission des Nationalrats.
Werde ein AKW vorzeitig abgeschaltet, stelle sich die Frage, ob das mit der Eigentumsgarantie für die Betreiber vereinbar sei. Der Hintergrund: Genießen die Betreiber eine rechtliche Sicherheit für den Weiterbetrieb ihrer Werke, nachdem sie sicherheitstechnisch nachgerüstet haben? Das BFE schreibt in dem Dokument weiter, dem Bund drohe die Pflicht zur Entschädigung der AKW-Betreiber, weil die Abschaltung eines Werks ihre getätigten Investitionen in die Sicherheit wertlos machen würde und deshalb als „materielle Enteignung“ angesehen werden könnte.
„Staat in Geiselhaft“
Stefan Müller-Altermatt von der Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) zeigt sich beunruhigt: „Es droht jedes Mal ein Desaster, wenn ein AKW abgeschaltet werden soll. Der Staat ist wegen der drohenden Entschädigungspflicht in Geiselhaft.“
Sein Amtskollege Christian Wasserfallen von der wirtschaftsnahen FDP (Freisinnig-Demokratische Partei) wirft die Frage auf, was passiere, wenn ein sicheres Werk vorzeitig außer Betrieb genommen wird, obwohl der Betreiber Millionen investiert habe. Wenn die AKW-Aufsicht neue Sicherheitsvorgaben mache, müssten die Betreiber jederzeit investieren, so der atomfreundliche Wasserfallen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Schweiz keine fixen AKW-Laufzeiten kennt. Die Werke können so lange betrieben werden, wie die Aufsichtsbehörde ENSI sie für sicher hält. Es sei also unklar, wann die Abschaltung eines Reaktors eine vorzeitige Außerbetriebnahme darstellt, schreibt die „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“) dazu.
Keine klaren rechtlichen Grundlagen
ENSI kann bei Sicherheitsdefiziten auch nur die vorübergehende Abschaltung verfügen, verbunden mit Auflagen für den späteren Weiterbetrieb. Einem Werk die Betriebsbewilligung entziehen kann nur das Ministerium von Bundesrätin Doris Leuthard (CVP), in dem Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation zusammengefasst sind.
Der sozialdemokratische Nationalrat Roger Nordmann, ein Mitglied der Energiekommission, ortet hier das Problem. Seien sich Betreiber und Behörden in dieser Situation ohne klare rechtliche Grundlagen einmal uneinig, folgten unweigerlich Schadenersatzforderungen. „Die Betreiber behaupten, die Abschaltung ihres Werks sei politisch motiviert. Eine klare Unterscheidung zwischen Sicherheit und Politik lässt sich nicht machen“, sagte er. Hinter vorgehaltener Hand würden auch die AKW-Betreiber einräumen, dass diese Unterscheidung eine Grauzone sein könne, so die „NZZ“.
AKW-Laufzeiten strittig
Die Vorstellungen zu den AKW-Laufzeiten sind denn auch ein Knackpunkt. Eine Ausstiegsinitiative aus dem grünen Lager verlangt die Abschaltung nach 45 Jahren. Dieser Vorstoß dürfte zustande kommen und den Stimmbürgern vorgelegt werden. Der Bundesrat hingegen geht von 50 Jahren Betriebszeit aus, und die Betreiber von noch längeren Laufzeiten.
So will der Energiekonzern Axpo bis 2014 700 Mio. Franken (rund 583 Mio. Euro) in seine beiden Reaktoren in Beznau investieren. Die Meiler sollen dank der dauernden Nachrüstung „länger als 50 Jahre“ am Netz sein, ließ der Konzern unlängst verlauten. Einer der beiden Reaktoren ist seit 1969 in Betrieb und somit das dienstälteste kommerzielle AKW der Welt, schreibt die Schweizer Presse.
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