Sehnsuchtscode „MDNA“
Wer einen Seismographen für die massenkompatible Popkultur braucht, der tut gut, den Blick auf Madonna zu richten - nicht nur, um zu wissen, dass so etwas wie das breitenwirksame Pop-Konzeptalbum, das sie selbst noch in den 90er Jahre zur Statuserhöhung ihrer eigenen Person gut nutzte, tot ist. Madonna will den Sound im öffentlichen Raum in Beschlag nehmen. Mit allen Mitteln, koste es, was es wolle.
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Der Druck auf Madonna war groß. Ihr letztes Album „Hard Candy“ liegt mittlerweile vier Jahre zurück. Beim Publikum kam es an - bei strengen Kritikern eher nicht. Zu viele Beats für Fitnessstudios, zu wenig Substanz, so der Tenor der veröffentlichten Meinung. Soll sich das mit „MDNA“ ändern?
Wenn „MDNA“ als Kürzel für die DNA von „Musik“ oder „Madonna“ steht, dann bleibt als Antwort klar über: Es geht um die DNA von Madonna - und die Genetik ewiger Jugend(-lichkeit). Und Musik, auch wenn sie in Albumform daherkommt, ist bestenfalls eine Tracklist, die man gerade auch im Fitnessstudio abrufen kann.

AP/Jennifer Graylock
Vormals „Hard Candy“ - jetzt „MDNA“: Mit Kraft und Sehnen gegen das Alter
Wilde Produzentenmischung
Madonna hat sich eine wilde Mischung für ihr neues Album geholt: Altersweisheit und jugendliches Ungestüm. Auf der einen Seite Electro-Sound-Bastler William Orbit, der Madonna mit „Ray of Light“ 1998 in den Bereich des ernsthafteren (Erwachsenen-)Pop führte. Auf der anderen Seite stehen mit dem Franzosen Martin Solveig und Benny Benassi zwei House-Produzenten, die, wie es Jens-Christian Rabe am Donnerstag diplomatisch formulierte, „nicht für besonders subtile Einfälle bekannt sind“.
Ob es für das Trio ganz leicht war mit Madonna, die ja vom Artwork des Covers bis zum letzten Beat zumindest die Oberkontrolle behalten will, darf bezweifelt werden. „Sie ist in die Produktion eingebunden, wie man nur eingebunden sein kann“, sagte Solveig knapp vor der Albumveröffentlichung. In Madonnas Worten klingt das so: „Ich muss die ganze Zeit wissen, was die Leute über meine Arbeit denken“, sagte sie dem US-Magazin „Newsweek“.
Anspruch auf alleinige Regentschaft
„There’s only one queen and that’s Madonna“ lässt Madonna Rapperin Nicki Minaj im Song „I Don’t Give A...“ sprechen. Abrechnung mit Guy Ritchie oder Ansage an Lady G? Ganz egal. Es ist der Tonfall, um den es für Madonna geht. Und den Anspruch, auch jene, die längst ihre Kinder sein könnten und vor den Clubs anstehen, zu erreichen.

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Ein bisschen retro: Das Artwork des Covers
Madonna kompiliert wie schon davor geschickt die nicht nur musikalische Trends, borgt vieles im sozialen Feld des Raps - und schert sich auch nicht darum, dass so manches, was sie zitiert, längst wieder aus der Mode ist. Wenn Madonna das macht, dann ist es retro. Und über das Cover setzt sie diesen Anspruch und fängt auch gleich alle Missverständnisse ab, dass sich hier jemand gedankenlos in der Vergangenheit verirrt hat. Hier besichtigt ein Denkmal zugleich sich selbst.
Halbzeit im Live-Nation-Deal
Mit ihrem extravaganten Auftritt bei der Super Bowl hielt sie nicht nur das Interesse am kommenden Album wach. Madonna ist ja auch auf großer Welttournee. Die ersten fünf Jahre ihres auf zehn Jahre angelegten 120-Mio.-Dollar-Live-Nation-Pakts hat Madonna nun absolviert. Was folgen muss, sind zwei weitere Alben mit den dazu gekoppelten Tourneen. Dann wird Madonna knapp 60 sein.

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Arbeit am Image - zur Not auch mit dem Weichzeichner
„I need to dance“, lautet das Motto im Song „I’m Addicted“ - und stakkatoartig wird die Buchstabenkombination „MDNA“ wiederholt. Körper und Marke müssen frisch bleiben und noch ein paar Kilometer herunterspulen. Die Medien werden Madonna, die uns in den 1980er Jahren noch aufgeklärt hatte, bevor sie den Weltfrieden als Motto entdeckte, wohl weiter folgen.
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