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Hauptsächlich Zivilisten betroffen

Bei einem neuen Massaker sind in Syrien nach Angaben von Aktivisten mehr als 200 Menschen getötet worden. Die Angaben schwanken dabei zwischen 220 und 250 Todesopfern, unter ihnen viele Frauen und Kinder. Die Opposition und die Regierung machten sich am Freitag gegenseitig für den blutigen Zwischenfall in dem Dorf Tremseh rund 35 Kilometer nordwestlich von Hama verantwortlich.

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Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist nicht möglich. Sollten sich die Angaben bewahrheiten, wäre es das schlimmste Massaker an Zivilisten seit Beginn der Proteste gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad vor 16 Monaten. Ende Mai waren in der Ortschaft al-Hula 108 Männer, Frauen und Kinder getötet worden.

Aktivisten berichteten, dass Kräfte des syrischen Regimes das „abscheuliche Verbrechen“ verübt hätten. „Mehr als 220 Menschen wurden getötet und rund 300 weitere verletzt“, sagte Abu Omar, der örtliche Kommandant der oppositionellen Freien Syrischen Armee, der Nachrichtenagentur dpa. Bei den Opfern handle es sich vor allem um Zivilisten. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist nicht möglich.

Zehn Stunden unter Beschuss, danach kamen Milizen

Die Allgemeine Kommission für die Syrische Revolution erklärte, die Armee habe das Dorf am Donnerstag erst belagert und unter Beschuss genommen. Dann seien Milizionäre des Regimes aus umliegenden Dörfern in den Ort gekommen, um die Menschen in ihren Häusern zu töten. Ein Rebellenführer sprach davon, dass Tremseh zehn Stunden lang beschossen worden sei. Ein Aktivist in Hama, der sich im Gespräch mit AFP Abu Ghasi nannte, sagte, die Truppen hätten eine Moschee beschossen, in der zahlreiche Menschen Zuflucht gesucht hätten. Die Moschee sei eingestürzt und habe die Menschen unter sich begraben.

„Etwa 30 Armeefahrzeuge kamen und umstellten das Dorf vollständig“, sagte Ibrahim, ein Aktivist aus Tremseh. „Wer durch die Felder zu entkommen versucht, wurde beschossen.“ Nach den Angriffen mit Hubschraubern und Panzern seien Soldaten mit leichten Waffen in das Dorf eingedrungen, gefolgt von „mit Messern bewaffneten“ Schabiha-Milizionären. „Ganze Familien wurden getötet“, sagte Ibrahim.

Regime spricht von Terroristenbekämpfung

Die amtliche syrische Nachrichtenagentur SANA berichtete dagegen, die Armee bekämpfe eine Gruppe „Terroristen“ in dem Ort und habe diesen „schwere Verluste“ zugefügt. Auch drei Soldaten seien getötet worden. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben zu den Kämpfen und den Opfern in Tremseh war zunächst nicht möglich.

Der Chef des oppositionellen Syrischen Nationalrats, Abdel Basset Sajda, sprach von einem „Massaker“. „Das ist eine Schande für den UNO-Sicherheitsrat und die Arabische Liga.“ Sajda forderte eine Resolution unter Kapitel VII der UNO-Charta, die „alle Optionen auf den Tisch bringt“, darunter auch den Einsatz von Gewalt. „Dieses syrische Regime versteht nur die Sprache der Gewalt“, sagte er dem Fernsehsender al-Jazeera.

Muslimbrüder: UNO macht sich mitschuldig

Die syrischen Muslimbrüder machten den internationalen Sondergesandten Kofi Annan für die Gewalttat mitverantwortlich. Nicht allein Assad sei verantwortlich für das Verbrechen, sondern auch Annan, der Iran, Russland und „alle Länder der Welt, die behaupten, für den Schutz von Frieden und Stabilität in der Welt verantwortlich zu sein, aber schweigen“, erklärte die islamistische Bewegung am Freitag.

Der Chef der Freien Syrischen Armee rief die Bewohner des Landes für Freitag zu einem Generalstreik auf, um gegen das Massaker zu protestieren.

Annan verurteilt Massaker

Der internationale Sondergesandte Annan verurteilte das erneute Massaker scharf. Die Berichte über die „Gräueltaten“ in Tremseh, bei denen schwere Waffen zum Einsatz gekommen seien, hätten ihn „schockiert und entsetzt“, erklärte Annan am Freitag in Genf. Die Gewalt und „diese Brutalität“ müssten aufhören.

Mit Anspielung auf die festgefahrenen Haltungen im UNO-Sicherheitsrat betonte Annan, es sei nun wichtiger als jemals zuvor, dass die Regierungen mit Einfluss diesen unverzüglich auch ausübten, um die Gewalt zu stoppen. Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte den Sicherheitsrat nachdrücklich zum Handeln auf. Sollte das wichtigste UNO-Gremium den Druck auf Assad nicht erhöhen, komme das einer „Lizenz für weitere Massaker“ gleich, erklärte Ban am Freitag.

Die in Syrien stationierten UNO-Beobachter sind zu einer sofortigen Untersuchung in dem Dorf Tremseh bereit. „Die UNSMIS-Teams stehen bereit, um hinzufahren und die Tatsachen zu überprüfen, falls und wenn es eine glaubwürdige Feuerpause gibt“, sagte am Freitag der norwegische General Robert Mood, Kommandeur der Beobachter, bei einer Pressekonferenz in Damaskus. Nach seinen Informationen von einem UNO-Team in der Region dauerten die am Vortag rund um Tremseh ausgebrochenen Kämpfe am Freitag an.

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