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Wachstum 2012 aber verhaltener

Gleich vier Minister haben in der Wiener Hofburg den wirtschaftspolitischen Rechenschaftsbericht der Regierung vorgelegt, der traditionell zu Beginn der Sommerferien erscheint. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Finanzministerin Maria Fekter (beide ÖVP), Verkehrsministerin Doris Bures sowie Sozialminister Rudolf Hundstorfer (jeweils SPÖ) präsentierten den 157 Seiten starken Bericht.

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Mit einem realen Plus 2011 von drei Prozent und relativ guten Arbeitsmarktdaten sei es Österreich im vergangenen Jahr zum elften Mal in Folge gelungen, besser zu sein als der Durchschnitt der EU, hieß es bei der Präsentation in der Wiener Hofburg. Doch der Ausblick auf 2012 gibt weniger Anlass zur Euphorie.

Nachdem die Regierung vor einem Jahr den Sieg gegen die Krise ausgerufen hatte, ist der Ausblick etwas trüber, denn 2012 werden nur noch zwischen 0,6 und 0,8 Prozent Wachstum erwartet - wenngleich für 2013 wiederum ein erneuter Anstieg vorausgesehen wird. Das Wirtschaftsinstitut IHS sieht diesen bei 1,7 Prozent, das WIFO prognostiziert 1,3 Prozent.

„Von europäischen Nachbarn abgekoppelt“

Das Regierungsquartett war redlich bemüht, die wirtschaftliche Situation in Österreich stets im Vergleich mit den Krisenvolkswirtschaften darzustellen. Europa stehe heute an einem Punkt wie die Bundesregierung schon im vergangenen April - „dass sich nämlich Haushaltsdisziplin und Maßnahmen für mehr Wachstum nicht ausschließen müssen“, sagte Finanzministerin Fekter.

Österreich habe sich konjunkturell von „europäischen Nachbarn, die teilweise massiv schwächeln, abgekoppelt“ und lebe „im makroökonomischen Gleichgewicht“, schwärmte sie. Die Leistungsbilanz sei zwar positiv, aber nicht übermäßig - eine zu positive Leistungsbilanz schaffe nämlich auch Ungleichgewichte und gefährde damit die Stabilität.

Im vergangenen Jahr sei es gelungen, den Anteil der österreichischen Exporte in außereuropäische Länder zu steigern, so Wirtschaftsminister Mitterlehner. Im Export, aus dem 60 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung resultieren, sind die Lieferungen in Länder außerhalb der Europäischen Union in den ersten vier Monaten 2012 gestiegen, in die EU stagnieren sie.

Die Minister Hundstorfer, Fekter, Bures und Mitterlehner vor einer Pressekonferenz

Reuters/Herwig Prammer

Präsentation des Wirtschaftsberichts: Wechsel am Rednerpult, gleicher Tenor

Überseemärkte im Fokus

„Wir wollen daher die Abhängigkeit von Europa schrittweise weiter reduzieren und uns mehr auf die Wachstumsmärkte in Übersee konzentrieren. Wir müssen mit neuen Produkten und Dienstleistungen dorthin gehen, wo weltweit das größte Wachstum ist“, betonte Mitterlehner.

Allein seit 2008 sei der Exportanteil der Überseemärkte um zwei Prozentpunkte auf 18,5 Prozent im Vorjahr gestiegen. In den ersten vier Monaten waren es sogar schon 19,4 Prozent, wobei Asien bereits 9,1 Prozent der Gesamtexporte einnimmt. Weil viele Unternehmen in der Krise keine oder nur wenige Mitarbeiter abgebaut hätten, gebe es aber bei den „Lohnstückkosten eine problematische Situation. Kostenführer können wir hier nicht werden.“ Die Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten für heuer mit einem Plus von 3,2 Prozent die höchsten Lohnkostensteigerungen seit langem.

Bures: Von Negativspirale abgesetzt

Auch Verkehrsministerin Bures argumentierte mit dem Vergleich zu schwächelnden EU-Volkswirtschaften: Österreich habe die Krise nach 2008 besser bewältigt als die europäischen Nachbarn, und das liege vornehmlich an der aktiven Wirtschaftspolitik der Regierung, schwärmte Bures. Trotz Konsolidierung habe die Regierung Pakete geschnürt und in Infrastruktur, angewandte Forschung und Bildung und Beschäftigung investiert. Dadurch und durch arbeitsmarktpolitische „Maßnahmen konnte sich Österreich von der Negativspirale in Europa absetzen“.

Vorbehalt, dass „nichts passiert“

Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer sieht in dem Bericht die aktuelle Situation „von den Mühen der Ebene und dem Prinzip Hoffnung gekennzeichnet“. Die Prognosen stünden - wie auch schon in den Vorjahren - freilich unter einem Vorbehalt: Nämlich dass auf den Finanzmärkten „nichts passiert“. Von der europäischen Staatsschuldenkrise abgesehen ist dort nach dem Absturz im Jahr 2008 auch kein augenfälliges, akutes Problem aufgetaucht.

EU-Vergleich: Arbeitsmarkt stabil

Auch bezüglich der Arbeitsmarktdaten stehe man besser da als die EU-Nachbarn: Bereits den 17. Monat in Folge weise Österreich die geringste Arbeitslosigkeit und die zweitgeringste Jugendarbeitslosigkeit in der EU auf. Mit 3,5 Millionen unselbstständig Beschäftigten „haben wir den höchsten Beschäftigungsstand, seit es die Zweite Republik gibt“, frohlockte Sozialminister Hundstorfer. Es sei Ziel seiner Politik, „in die Menschen zu investieren, anstatt sie zu alimentieren“. Erst zuletzt hatte die Arbeitslosigkeit im Juni verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 5,5 Prozent zugelegt.

Ziel sei es, die duale Ausbildung und die Berufsausbildung der Jugendlichen weiter zu forcieren und gleichzeitig die über 50-Jährigen stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren, damit das faktische Pensionsantrittsalter steigen könne. 40 Prozent aller Pensionsantritte würden derzeit aus der Arbeitslosigkeit oder aus einer Krankheitssituation passieren. Hier braucht es „einen Mentalitätswandel, bei dem alle Beteiligten gefordert sind: sowohl Arbeitnehmer als auch die Unternehmen“, so Hundstorfer.

Kritik von Arbeiterkammer

Kritik am Auftritt der Regierung kam von der Arbeiterkammer (AK): „Auch wenn die wirtschaftliche Situation in Österreich im internationalen Vergleich relativ gut dasteht, muss das auch bei den Menschen ankommen. Denn die hohen Preise machen vielen von uns das Leben kaum leistbar“, kritisierte AK-Präsident Herbert Tumpel. „Zur Abfederung der Euro-Krise müssen auch vermehrt Vermögenssteuern herangezogen werden“, ergänzte Tumpel.

Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, lehnt hingegen Steuererhöhungen strikt ab, diese würden Wachstum und Arbeitsplätze kosten: „Im Zentrum der Bemühungen müssen nachhaltige und wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen stehen, um die privaten Investitionen in unserem Land weiter anzukurbeln“, so Neumayer in einer Reaktion.

Anders sieht dies ÖGB-Präsident Erich Foglar: „Es geht nun darum, Wachstum und Beschäftigung zu schaffen, vor allem für junge Menschen. Und es geht darum, den Sozialstaat abzusichern, fairer als bisher zu finanzieren und auszubauen. Sozialabbau ist kein tauglicher Weg, um die Budgets zu konsolidieren“, appellierte Foglar.

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