„Gegen Geist und Prinzipien der EU“
Rumänien kommt einem möglichen Vorgehen seitens der EU wegen Rechtsverletzungen immer näher. Das geht aus zahlreichen kritischen Äußerungen europäischer und internationaler Politiker hervor, die auf die jüngsten Aktionen des Mitte-links-Regierungsbündnisses Sozialliberale Union (USL) - Sozialdemokraten (PSD) und Nationalliberalen (PNL) - reagieren.
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Dieses hat unter Anleitung von Premier Victor Ponta (PSD) in den vergangenen Wochen und in beschleunigtem Rhythmus in den vergangenen Tagen praktisch alle wichtigen politischen Entscheidungspositionen - teils unter Missachtung geltender Gesetze - sukzessive unter seine Kontrolle gebracht.
Laut Basescu ist das nur eine Etappe des eigentlichen Ziels der USL, sich die Institutionen der Justiz endgültig zu unterwerfen. Ponta, den eine einschlägige Kommission des schwerwiegenden Plagiats bei seiner Doktorarbeit für schuldig befand, hat außerdem kürzlich ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) missachtet, als er anstelle von Basescu an einem EU-Gipfel in Brüssel teilnahm.
Rüffel von Europarat wegen VfGH-Missachtung
VfGH-Richtern wurde trotz ihrer Unkündbarkeit mit der Entlassung gedroht. Am Mittwoch wurden die Befugnisse des VfGH per Dringlichkeitsverordnung eingeschränkt. Nachdem der Gerichtshof an die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht („Venedig-Kommission“) im Rahmen des Europarates appelliert hatte, forderte diese Rumänien am Mittwoch auf, die eigene Verfassung und die internationalen Standards einzuhalten.
Diese Übergriffe verstoßen, wie der Kopräsident der CDU/CSU-Fraktion im EU-Parlament, Markus Ferber, der Tageszeitung „Adevarul“ sagte, „gegen den Geist und die Prinzipien der EU“. Wegen „der Abwesenheit der Minimalstandards eines Rechtsstaats“ will Ferber daher ein Verfahren zur Aussetzung des Stimmrechts Rumäniens im EU-Rat einleiten. „In Deutschland wäre die Missachtung eines VfGH-Urteils unvorstellbar. Wie kann das sein? Es ist unmöglich!“, wird Ferber von „Adevarul“ zitiert.
„Inakzeptable Praktiken“
Der belgische Ex-Premier und Chef der Europäischen Volkspartei (PPE), Wilfried Martens, warnte, dass „Ponta und die Parteien, die er kontrolliert in ihrer Tentative, das Land zu übernehmen und die Justiz zu beeinflussen auf nichts Rücksicht nehmen werden“ und verlangt die sofortige Einstellung dieser „inakzeptablen Praktiken, die in einem EU-Mitgliedsstaat nicht toleriert werden können“.
Hatten sich die europäischen Sozialisten bisher auf Pontas Seite gestellt, kommt nun auch aus deren Reihen scharfe Kritik: Die Sozialdemokratin Susanne Kastner, die im Deutschen Bundestag der deutsch-rumänischen Parlamentariergruppe vorsteht, sagte gegenüber der „Deutschen Welle“, dass die Justiz unabhängig bleiben müsse und die USL gut beraten wäre, diese Regel einzuhalten, da alles andere einen Schritt in die falsche Richtung darstelle.
Auch EU-Justizkommissarin Viviane Reading hatte sich angesichts der Entwicklungen in Rumänien besorgt gezeigt. Der US-amerikanische Botschafter in Bukarest, Mark Gitenstein, warnte davor, dass politische Maßnahmen, die auch nur den Anschein eines Verfassungsverstoßes oder einer Manipulation erwecken, sehr gewichtige Auswirkungen auf die weltweite Wahrnehmung der Gesetzesanwendung in Rumänien haben werden.
Mit Spannung erwarteter Fortschrittsbericht
In zwei Wochen steht laut „Adevarul“ ein neuer Fortschrittsbericht der EU-Kommission zum Justizwesen in Rumänien an, der angesichts der jüngsten Entwicklungen äußerst negativ ausfallen könnte. Dieser war mit Spannung erwartet worden, weil davon die seit zwei Jahren angestrebte und nun umso stärker gefährdete Aufnahme Rumäniens in den Schengener Raum abhängt.
Nachdem mehrere EU-Mitglieder Zweifel bezüglich der Justizreform und Kriminalitätsbekämpfung in Rumänien geäußert hatten, machten zuletzt nur noch die Niederlande von ihrem Vetorecht gegen die Schengen-Erweiterung Gebrauch und forderten zwei positive Berichte im Rahmen des Justiz-Monitoringverfahrens, dem Rumänien seit seinem EU-Beitritt im Jahr 2007 unterzogen wird.
Zumal die politischen Turbulenzen zu einem Rekordtief der rumänischen Währung Leu gegenüber dem Euro sowie zur Halbierung der Gewinne an der Bukarester Börse geführt haben, kritisierte auch der IWF, Rumäniens wichtigster Kreditgeber, die rumänische Regierung für „Fehler, die das Wirtschaftswachstum und das Vertrauen der Investoren in Rumänien gefährden“. Der Premier drohte daraufhin seinen zuständigen Ministern mit der Entlassung und betonte, dass die Einhaltung der IWF-Auflagen für Rumänien „wesentlich“ sei.
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