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Kreml will Osten aufwerten

Ein milliardenschweres Prestigeprojekt ist vollendet: Im Fernen Osten Russlands hat Regierungschef Dimitri Medwedew eine insgesamt drei Kilometer lange Schrägseilbrücke eröffnet. Sie verbindet die Stadt Wladiwostok am Pazifik mit der vorgelagerten Russki-Insel. Dort findet im September ein Gipfel der asiatisch-pazifischen Staaten (APEC) statt. Dabei war das Projekt mehr als umstritten.

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Das Bauwerk sei besonders wichtig für die Anwohner, sagte Medwedew am Montag nach Angaben der Agentur Interfax. Die Konstruktion war äußerst aufwendig, weil in der Meerenge extreme Wetterverhältnisse und Temperaturschwankungen herrschen. Er sei sich sicher, dass die Brücke „vielen Leuten dienen werde“, den Einwohnern von Wladiwostok und Russki und auch jenen, die als Touristen kommen.

Ministerpräsident der Russischen Föderation Dmitri Medwedew

AP/Dmitry Astakhov

Dimitri Medwedew bei der Eröffnung

Nur 5.000 Inselbewohner

Indirekt antwortete Medwedew damit auf die Kritik, die schon seit der Planung zu hören war: Das teure Prestigeprojekt sei eine „Brücke ins Nichts“. Auf der Insel leben nur etwa 5.000 Menschen. Die „New York Times“ sprach schon 2009 davon, dass die Insel gerade „einige uralte Plätze zum Eisfischen und Flecken voller lokal beliebter Heilkräuter“ beherberge. Auf Russki, die bisher nur per Fähre erreichbar ist, sollen allerdings einige Konferenzen des Gipfels stattfinden.

Zufahrtsstraße verschüttet

Nachdem ein Teil der Schnellstraße, die zur Brücke führt, erst Mitte Juni von einer Mure zerstört worden war, versprach Medwedew, die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Die neue Brücke verkörpere „die technische Genialität, das architektonische Denken und das kreative Potenzial unserer Mitbürger“, lobte Medwedew. Man könne nicht vertrauen, dass Ausländer solche Dinge gut erledigen. „Leider können wir vielleicht keine Häuser bauen, dafür können wir jedenfalls solche Konstruktionen errichten“, sagte der Ministerpräsident.

Zweite Megabrücke demnächst fertig

Im September 2008 wurde mit dem Bau begonnen, eigentlich hätte er bereits im Vorjahr abgeschlossen werden sollen. Ein Brand im Winter warf die Arbeiten noch einmal zurück. Nach einer Testphase soll sie im August für den Verkehr eröffnet werden. 33,9 Milliarden Rubel (825 Mio. Euro) hat der Bau gekostet. Mit einer Spannweite von 1.104 Metern gehört sie zu den zehn längsten Schrägseilbrücken.

Nur wenige Kilometer weiter soll demnächst eine zweite gewaltige Hängebrücke über das „Goldene Horn“, die lange Hafenbucht von Wladiwostok, führen. Auch sie soll noch vor dem APEC-Gipfel eröffnet werden. Die Regierung will unter anderem für umgerechnet 16 Milliarden Euro Wladiwostok zu einem zweiten San Francisco machen, auch der internationale Flughafen von Wladiwostok wird ausgebaut.

Geldmangel gefährdete Projekt

In russischen Medienberichten hatte es eine Zeit lang geheißen, dass das Gesamtprojekt aus Geldmangel wackeln könnte, insbesondere da sich schon die Olympischen Winterspiele 2014 in der Schwarzmeerstadt Sotschi kräftig auf die russische Staatskasse schlagen.

Kritiker merkten an, dass nicht einmal genug Geld für den längst überfälligen Ausbau der öffentlichen Infrastruktur im Land vorhanden ist und Projekte der Reihe nach gestrichen wurden. Der Kreml stecke sein verfügbares Budget in Prestigeprojekte, die zwar dem Nationalstolz, aber nicht der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung dienen, wurde kritisiert.

Russland setzt auf Asien

„Wenn sich Russland aus seiner Abhängigkeit vom Erdöl- und Gassektor lösen will, heißt der einzige Weg zu nachhaltigem Wachstum wirkliche Infrastruktur“, sagte etwa der Russland-Chefökonomen beim Finanzdienstleister Nomura International, Iwan Tschakarow. Doch beim Projekt Wladiwostok geht es dem Kreml offenbar mehr darum zu zeigen, dass Russland in Asien gleichermaßen präsent ist wie in Europa und dass in der Region zwischen China, der koreanischen Halbinsel, Russland und Japan ein künftiger Fokus einer neuen globalen Wirtschaftsordnung liege. Zudem soll die galoppierende Abwanderung in die europäische Hälfte des Landes gestoppt werden.

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