Themenüberblick

Geschmack ist eine Frage des Trends

Hochsommer ist Schanigartenzeit - und schönes Wetter lässt traditionell in Österreich auch den Bierabsatz steigen. Weil sich Alkohol nur bedingt als Durstlöscher eignet und zudem in der Hitze ungesund ist, greifen immer mehr Menschen zum verdünnten Bier - und zwar in Form von Radler. Ein Trend, den die Brauereien mit Blick auf neue Zielgruppen derzeit fast wettkampfmässig vorantreiben.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Jedes Jahr eine neue Radler-Sorte ist für viele Produzenten schon zum Standard geworden. Bei der Entscheidung, was als alkoholfreie Zusatzflüssigkeit in das Bier kommt, zeigt man sich neuerdings erfinderisch: Von Limetten- über Apfel- und Zwetschken- bis zu Johannisbeer- und Preiselbeerlimonade kennt die Mischwut keine Grenzen.

Die Neupositionierung des Getränks zahlt sich aus: Gegenüber 2010 war laut Brauereiverband in der österreichischen Radler-Produktion ein Zuwachs von beachtlichen 32,1 Prozent oder über 139.000 Hektolitern zu verzeichnen, bei alkoholfreiem Radler 19,3 Prozent. Per Definition des Verbandes zählen dazu „Mischgetränke aus Bier und Limonade, üblicherweise im Verhältnis eins zu eins“.

Der Blick auf die Etiketten der meisten Radler-Sorten zeigt, dass das Verhältnis im Normalfall leicht in Richtung Antialkohol verschoben ist und 40 Prozent Bier, 60 Prozent Limonade sind die gängige Mischung. Dementsprechend ist auch der Alkoholgehalt mit zwei bis drei Prozent um rund die Hälfte niedriger als bei herkömmlichem Bier.

Ein Mann und eine Frau stoßen mit Biergläsern an

Corbis/Ocean

Um Radler zu trinken, muss man nicht mit dem Fahrrad fahren

Frauen, Sportler, junge Menschen

Man wolle neue Zielgruppen ansprechen, die in den letzten Jahren auf den Markt gebrachten Radler-Sorten seien dementsprechend als Lifestylegetränke konzipiert, heißt es unisono bei einem Brauereienrundruf: Frauen, Sportler und junge Menschen - vor allem Menschen, denen Bier als reines Getränk zu herb oder zu wenig süß ist.

„Zu Radler greifen Konsumenten, die nicht unbedingt zum Kernsegment der Biertrinker zählen,“ sagte etwa Karl Schwarz von der Brauerei Zwettl. „Menschen, die weniger Alkohol, mehr Fruchtgeschmack oder weniger Bitterstoffe suchen. Manche assoziieren Radler gar nicht mit Bier, sondern sehen sie als eine natürliche Alternative zu Alkopops.“

Dass sich über Jahre hinweg der Radler mit Zitronenlimonade als Standard etabliert hat, ist laut Birgit Hessel, Pressesprecherin der Ottakringer Brauerei in Wien, kein Wunder. Zitrusgeschmack sei in Marktforschungen in Österreich stets ganz oben in der Skala der beliebtesten Getränkegeschmacksrichtungen. Ähnlich auch die Einschätzung von Brauunion-Pressesprecherin Veronika Fiereder: Natürlichkeit und Frische stünden auf der Wunschliste der Österreicher weit oben.

Legenden zur Radler-Erfindung

Wie der Radler zu seinem Namen gekommen ist, lässt sich nicht belegen. Die Legende von einem erfinderischen Hüttenwirt, der seiner (überwiegend mit Fahrrad angereisten) Kundschaft 1922 zur Überbrückung eines Bierengpasses gestrecktes Bier serviert haben soll, hält sich hartnäckig. Wahrscheinlicher ist, dass die Radler-Maß Ende des 19. Jahrhunderts in einem der zumeist sozialdemokratisch geprägten Radlerklubs erfunden wurde - doch auch hierfür gibt es keine Belege.

Neun neue Radler aus Privatbrauereien

Doch auch neue Versuche zahlen sich aus: Mit Preiselbeer- und Lemongraslimonade ins Bier gemischt konnte etwa die steirische Brauerei Murauer den Anteil der Biermischgetränke in den letzten Jahren von zwei auf 16 Prozent der Gesamtproduktion steigern.

Gemeinsam mit acht anderen Privatbrauereien (Schloss Eggenberg, Braucommune in Freistadt, Brauerei Hirt, Mohrenbrauerei, Bierbrauerei Schrems, Trumer Privatbrauerei, Zillertal Bier und Privatbrauerei Zwettl) hat das steirische Unternehmen mit der Radler-Box, in der neun unterschiedliche Biermischgetränke in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen verkauft werden, eine gemeinsame Marketingstrategie gefunden.

Die Egger Privatbrauerei aus Niederösterreich präsentierte heuer den Apfelradler, dessen Verkaufszahlen schon im ersten Jahr an die des eingeführten Zitronenradlers heranreichten, wie Bernahrd Prosser, Egger-Geschäftsführer, gegenüber ORF.at erklärte.

Weil der niedrige Alkoholgehalt nicht für jeden Radler-Fan ein Vorteil ist, füllt die niederösterreichische Hubertus-Brauerei, initiiert von Harald Mader und Claudia Nowotny, mit dem „Kraftradler“ den „wohl stärksten Radler Österreichs“ ab. Die Mischung aus süßem Bockbier und bitterer Grapefruitlimonade kommt auf einen Alkoholgehalt von 4,8 Prozent und soll dezidiert Biertrinker ansprechen.

Kein Markt für Cola und Bier

Auch die Salzburger Brauerei Stiegl experimentiert und hat schon seit Jahren Radler in jeweils drei (teils wechselnden) Geschmacksrichtungen im Programm. Ein Experiment kam bei den Österreichern nicht besonders gut an - und das obwohl in Deutschland sehr beliebt: Bier mit Cola. Unter der Bezeichnung „Diesel“ ist hierzulande die Nachfrage nach dem Mixgetränk gering. Nach Einschätzung von Ottakringer-Pressesprecherin Hessel hat das einen einfachen Grund: Für den österreichischen Geschmack sei der Colaradler zu süß.

Mit der Variation der Limonaden ist es in puncto Innovationen jedoch noch nicht getan. Immer öfter tauchen alkoholfreie Radler auf den Getränkekarten auf, Stiegl hat erst kürzlich den ersten Weißbierradler Österreichs auf den Markt gebracht. Ottakringer will den Radler nun auch in der Cocktailküche (mit Averna als Ottakringer Bitter) unterbringen, Stiegl das sommerliche Mischgetränk Hugo (Prosecco mit Minze, Hollundersirup und Limette) in einer Bierversion propagieren.

Einen Vorteil hat die brauereienübergreifende Sortimentserweiterung auf jeden Fall: Waren Radler-Trinker in Lokalen früher oft Opfer von willkürlichen Mischverhältnissen und abgestandenen Restlimonaden, ist auch die Gastronomie mittlerweile großteils auf fertige Radler-Mischungen umgestiegen.

Sophia Felbermair, ORF.at

Links: