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„Gott, Fürst, Vaterland“

Im Fürstentum Liechtenstein hat sich das Volk für die Beibehaltung der alten Machtverhältnisse entschieden: Eine Beschneidung des fürstlichen Vetorechts lehnten die Einwohner des kleinsten deutschsprachigen Staates der Welt am Sonntag bei einem Referendum mit großer Mehrheit ab. 76,1 Prozent stimmten gegen eine entsprechende Volksinitiative. Die Beteiligung betrug 82,9 Prozent.

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Die Initiative der Liechtensteiner Demokratiebewegung „Ja - damit Deine Stimme zählt“ verlangte, dass das Vetorecht des Fürsten oder dessen Stellvertreters bei Volksentscheiden gänzlich abgeschafft wird. Die Rechte des Fürstenhauses dürften nicht schwerer wiegen als der Wille des ganzen Volkes. Das Recht des 67 Jahre alten Monarchen Hans-Adam II. oder dessen Stellvertreters, Erbprinz Alois, Beschlüsse des Parlaments zu kippen, stand nicht zur Debatte.

Prinz Alois von Liechtenstein

Reuters/Christian Hartmann

Erbprinz Alois drohte vor der Abstimmung mit einem Rückzug der Herrscherfamilie

Freude im Fürstenhaus

Das Fürstenhaus reagierte erfreut auf die Ablehnung der Initiative. Eine große Mehrheit der Bevölkerung wolle die bisher so erfolgreiche 300-jährige Partnerschaft zwischen Volk und Fürstenhaus fortsetzen, ließ der Fürst Hans-Adam II. verlauten. Der regierende Erbprinz teilte mit, durch das klare Abstimmungsergebnis sei eine gute Grundlage gegeben, um die vielen Herausforderungen zu meistern, die auf Liechtenstein warteten.

Erbprinz Alois äußerte den Wunsch, dass „nun alle im Land möglichst konstruktiv für eine glückliche gemeinsame Zukunft zusammenarbeiten“. Der Fürst und der Erbprinz bedankten sich in der Hofkellerei in Vaduz bei den Mitgliedern der Interessengemeinschaft „Wir sind Liechtenstein“ für deren Einsatz im Abstimmungskampf.

„Keine Verlierer“ für Regierungschef

Regierungschef Klaus Tschütscher sagte der Schweizerischen Depeschenagentur, in dieser Volksabstimmung habe es keine Verlierer gegeben. Sowohl Gegner als auch Befürworter der Initiative stünden zum dualen System mit Fürstenhaus und Volk, wenn auch mit unterschiedlicher Akzentuierung.

Das klare Bekenntnis zum Verfassungsmodell sei Ausdruck des Vertrauens, dass der Landesfürst sein Vetorecht auch künftig zurückhaltend und verantwortungsvoll ausüben werde, sagte Tschütscher. Darin liege der Schlüssel für den politischen Konsens, auf den das Zusammenwirken des monarchischen und des demokratischen Elements in der Verfassung ausgelegt sei.

Monarchie mit großer Machtfülle

Die Liechtensteiner Erbmonarchie ist mit einer für europäische Verhältnisse ungewöhnlichen konstitutionellen Machtfülle ausgestattet. Neben dem Vetorecht bei Volksentscheiden kann der Fürst Parlamentsbeschlüsse aufheben, die Regierung entlassen und Neuwahlen ausschreiben. Das will auch die weitgehend außerparlamentarische Opposition nicht antasten.

Aber auch ein kleines Mehr an Demokratie geht dem in einer Burg über der Hauptstadt Vaduz residierende Fürsten zu weit. Für den Fall einer Annahme der Volksinitiative mit der Bezeichnung „Ja - damit Deine Stimme zählt“ hatte Erbprinz Alois, der die Regierungsgeschäfte in Vertretung seines Vaters Fürst Hans-Adam II. führt, mit dem Rückzug des Herrscherhauses gedroht. Die Liechtensteiner müssten sich ein neues Staatsoberhaupt für ihr rund 160 Quadratkilometer großes Land suchen.

Schon 2003 hatte der Fürst mit der Drohung, das Land zu verlassen und nach Wien zu ziehen, eine Volksabstimmung über eine von ihm entworfene neue Verfassung gewonnen, die im Parlament zuvor durchgefallen war.

Angst vor beruflichen Nachteilen

Mit einem Scheitern der Initiative war schon vor der Abstimmung gerechnet worden: Medienberichten zufolge hatte die Opposition schon im Vorfeld Mühe, die nötigen Unterschriften für die Volksabstimmung zusammenzubringen, da sich in dem kleinen Land niemand als Gegner des Fürstenhauses exponieren will und manche sogar berufliche Nachteile befürchten.

Für viele der 36.000 Liechtensteiner ist das Fürstenhaus ein Garant für Stabilität, Ruhe und Wohlstand. Vor allem die Banken versuchen, mit dem Stabilitätsargument von der Finanzkrise verunsicherte reiche Kunden ins Land zu locken. Den Status einer Steueroase musste Liechtenstein auf Druck aus dem Ausland aufgeben. Das Fürstenhaus, das zu den reichsten in Europa zählt, betreibt mit der Vermögensverwaltungsbank LGT das größte Geldhaus des Landes.

Rolle der Monarchie emotional diskutiert

Der Fürst werde von vielen in Liechtenstein als Beschützer gesehen, sagte der Politologe Wilfried Marxner vom Liechtenstein-Institut. Die Rolle der Monarchie werde mehr emotional als rational diskutiert. „Gott, Fürst, Vaterland“ steht auf Auto-Aufklebern, die in den letzten Wochen in Liechtenstein oft zu sehen waren.

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