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Juncker stellt Bedingungen

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker hat eine Verlängerung seines Postens als Vorsitzender der Euro-Gruppe abgelehnt. Die Staats- und Regierungschefs der anderen 16 Staaten mit Euro-Währung seien nicht bereit gewesen, den Luxemburger Notenbankpräsidenten Yves Mersch zum Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank zu ernennen, sagte Juncker am Freitag in Brüssel.

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Ohne die Ernennung Merschs werde aber auch er nicht an der Spitze der Euro-Gruppe weitermachen. Kurz vor Junckers Äußerung hatte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy vor Journalisten gesagt, der Gipfel der Euro-Zone habe die Personalien nicht beschließen können, weil die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach Berlin habe zurückkehren müssen: „Wir waren nicht vollständig als Euro-Zone am Ende des Treffens.“ „Diese Personalien sind noch nicht entschieden worden“, sagte Merkel mit Blick auf den Euro-Gruppe-Vorsitz und die künftige Leitung des ESM. „Da gibt es noch Abstimmungsbedarf.“

„Ich bin nicht blöder als die anderen“

Juncker berichtete, er sei einstimmig gebeten worden, für weitere sechs Monate den Vorsitz der Euro-Gruppe zu führen. Die normale Amtszeit beträgt zweieinhalb Jahre, er habe aber nicht länger amtieren wollen. „Ich mache ein Weitermachen in der Euro-Gruppe aber abhängig davon, ob der luxemburgische Kandidat, Herr Mersch, zum Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank ernannt werden wird.“ Er habe auch vorgeschlagen, dass der Deutsche Klaus Regling, bisher Leiter des vorläufigen Rettungsfonds EFSF, auch zum Generaldirektor des neuen ständigen Europäischen Stabilitätsmechanismus ernannt werde.

Juncker zeigte sich verärgert über die Haltung seiner Kollegen: „Ich lasse mich nicht aufs Eis führen, dass man mir jetzt mit Kusshand eine Weiterführung des Euro-Vorsitzes anbietet, um den ich mich nicht bemüht habe, und danach jemand anderem zu Frankfurter Glücksgefühlen verhilft.“ Er fügte hinzu: „Ich bin nicht blöder als die anderen. Erst muss ich die Bestätigung haben, dass Herr Mersch für mehrere Jahre dem Direktorium der Zentralbank angehört. Und dann bin ich bereit, sechs Monate weiterzumachen.“

Er rechne damit, dass eine Entscheidung über den Euro-Gruppe-Vorsitz spätestens am 9. Juli beim nächsten Treffen der Euro-Finanzminister falle, möglicherweise sogar schon früher, sagte Juncker.

Juncker deutete Weitermachen an

Juncker hatte allerdings zuvor angedeutet, dass er als Vorsitzender der Euro-Gruppe doch weitermachen wolle. Er will aber keine volle Amtszeit von zweieinhalb Jahren mehr ableisten, wie er Freitagfrüh in Brüssel nach dem ersten Tag des EU-Gipfels deutlich gemacht hatte.

„Jedenfalls werde ich kein volles Mandat mehr ausüben.“ Auf die Frage, ob er also zum Vorsitz bereit sei, antwortete er lächelnd: „Ich bin nicht bereit, ein volles Mandat anzunehmen.“ Schon am Donnerstag hatten Diplomaten gesagt, sie rechneten damit, dass sich Juncker erneut in die Pflicht nehmen lasse.

Seit sieben Jahren im Amt

Immer wieder war in den letzten Monaten die Rede davon, dass der luxemburgische Ministerpräsident amtsmüde sei. Der seit 2005 ununterbrochen als Chef der Euro-Gruppe amtierende Juncker hatte auch selbst mehrmals erklärt, dass er nicht mehr kandidieren werde.

Allerdings hatte der 57-Jährige gleichzeitig durchblicken lassen, dass er doch noch einmal bereits wäre, wenn niemand anderer gefunden werde. Als Favorit für die Nachfolge Junckers war lange Zeit auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble gehandelt worden, doch stieß er zuletzt auf Widerstand der neuen sozialdemokratischen Regierung in Paris.

Längstdienender Regierungschef Europas

Juncker leitet seit 2005 als „Mister Euro“ die Finanzminister der Währungsunion, die sich vor jedem EU-Treffen aller 27 Ressortchefs versammeln, gewählt wurde er erstmals am 10. September 2004. Der 1998 gegründeten Euro-Gruppe gehören mit Ausnahme Großbritanniens die größten europäischen Volkswirtschaften von Deutschland über Frankreich, Italien und Spanien an.

Juncker - er ist der längstdienende Regierungschef Europas - hatte entscheidend am Integrationsprozess mitgewirkt. Er war bereits mehrmals für höchste EU-Posten gehandelt worden, unter anderem als Kommissionspräsident oder als ständiger EU-Ratsvorsitzender.

Mit Merkel angelegt

Beliebt wie gefürchtet ist Juncker wegen seines Humors, der zuweilen in beißenden Spott umschlägt. Zuletzt hatte sich Juncker außerdem mit einigen Vorschlägen zur Bekämpfung der Euro-Schuldenkrise vor allem bei Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel nicht gerade beliebt gemacht.

So trat Juncker für die Einführung von Euro-Bonds und die Ausweitung des Volumens des Rettungsschirms ESM über die 500 Mrd. Euro hinaus ein - was zuletzt heftig kritisiert wurde, nun hat der Rettungsschirm gemeinsam mit dem laufenden EFSF eine Gesamthöhe von 800 Mrd. Euro erreicht. Schließlich heizte er die Debatte über eine mögliche Pleite Griechenlands an und stellte die Möglichkeit eines dritten Rettungspakets für Athen in den Raum.

Blitzkarriere nach Jusstudium

Die Karriere Junckers ist eine europäische Erfolgsgeschichte: Geboren am 9. Dezember 1954, wuchs er in eher bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater arbeitete in einem großen Stahlwerk und engagierte sich in der christlichen Gewerkschaftsbewegung. Nach dem Jusstudium in Straßburg legte Juncker eine Blitzkarriere hin: Mit nicht einmal 30 Jahren wurde er Minister für Arbeit und Haushalt für seine christlich-soziale Partei CSV.

Als Jacques Santer als Kommissionspräsident nach Brüssel wechselte, rückte Juncker Anfang 1995 an die Spitze der luxemburgischen Regierung, der er heute noch vorsteht. Deutsch wie Französisch spricht er gleichermaßen fließend.

Abstimmungsbedarf zwischen Euro-Ländern

Die Euro-Gruppe wurde 1998 eingerichtet. Im Zuge der gemeinsamen Geldpolitik war von einem erhöhten Abstimmungsbedarf zwischen den Euro-Ländern auszugehen, da den Ländern durch die Einführung des Euro eine nationale Geldpolitik als wirtschaftspolitisches Instrument nicht mehr zur Verfügung stand.

Eng damit verbunden ist die Aufgabe des Gremiums, die Einhaltung des Euro-Stabilitätspaktes zu überwachen, damit eine disziplinierte Haushaltspolitik aller Euro-Zonen-Staaten eine wirtschaftlich gesunde Grundlage für eine gemeinsame Währungspolitik mit nur einer Währung, dem Euro, sein kann.

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