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Kalmierende Worte in Richtung Türkei

Wenn Zypern im Juli von Dänemark erstmals die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, tut das Land das genau genommen außerhalb der EU: Der Vorsitz startet mit einem Festakt im griechisch-römischen Theater von Kourion, das auf dem Gebiet der britischen Militärbasis Akrotiri liegt - und diese gehört als Überseegebiet formal gar nicht zur Europäischen Union.

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Der bizarre Umstand scheint bezeichnend für die Unsicherheiten zu sein, die den Vorsitzwechsel begleiten: Denn das gespaltene Land reihte sich mit seinem offiziellen Hilfsansuchen an seine Euro-Partnerländer am Montag in die Riege der finanzmaroden EU-Sorgenkinder Griechenland, Spanien und Co. ein.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hatte Zypern nicht zuletzt wegen der engen Verflechtung seiner Banken mit dem griechischen Bankensektor hart getroffen. Die Arbeitslosenrate kletterte nach jahrelangem Tiefstand auf 9,7 Prozent in die Nähe des EU-Durchschnitts.

Krisenbekämpfung mit „besonderem Nachdruck“

Die Wirtschafts- und Finanzkrise wird für Zypern auch außerhalb der eigenen Grenzen ein dominierendes Thema während des EU-Vorsitzes sein: Als Euro-Mitglied wolle man „besonderen Nachdruck“ auf die Umsetzung der neuen EU-Vorschriften zur Budget- und makroökonomischen Überwachung legen und „auf die Förderung jeder neuen, zusätzlichen Maßnahme, die erforderlich sein könnte“, heißt es in einem von der Regierung in Nikosia erstellten Diskussionspapier.

UNO-Blauhelme in der Fußgängerzone von Nicosia.

ORF.at

Blauhelme in der Fußgängerzone von Nikosia

Für die Erholung von der Krise sei es extrem wichtig, dass die EU Maßnahmen ergreift, die Wachstum ankurbelen und Beschäftigungschancen schaffen, sagte Außenministerin Erato Kozakou-Markoulli im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb wolle man während der Präsidentschaft Programme voranbringen, die Wachstum fördern und zu Effizienz, Wohlstand und Arbeitsplätzen führen. „Wesentlich ist, dass sich die Lebensqualität der Bürger der Union verbessert. Das Ziel sollte sein, das verborgene Potenzial für Wachstum in all den Aktivitäten der EU zu finden und es zu nutzen.“

Finanzrahmen als Herausforderung

Ein schwieriger Verhandlungsbrocken der zypriotischen EU-Präsidentschaft dürfte auch der rund eine Billion Euro schwere EU-Finanzrahmen für 2014 bis 2020 werden. Derzeit sind die 27 EU-Staaten von einer Einigung noch weit entfernt, die Nettozahler fordern eine deutliche Reduktion der Ausgaben um mindestens 100 Milliarden Euro. Eine weitere Herkulesaufgabe für die Präsidentschaft ist das selbst gesteckte Ziel der EU, noch 2012 ein gemeinsames europäisches Asylsystem aufzubauen.

Präsident Demetris Christofias nannte die bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft „ein wichtiges Ereignis für unser Land und unser Volk und auch eine Ehre“. Zypern werde während der Ratspräsidentschaft die Vision eines „besseren Europas“ verfolgen. „Wir sollten nach einer Europäischen Union streben, die durch ihre Politik als Kraft von Fortschritt, Frieden, Stabilität, sozialem Zusammenhalt, Sicherheit, Entwicklung und Wohlstand wirkt“, sagte der Staatspräsident.

„Bereit, mit Türkei zusammenarbeiten“

Im schwierigen Verhältnis des geteilten Landes zur Türkei war Zypern zuletzt um Entspannung bemüht. Nikosia bot Ankara eine Kooperation an. „Wir sind bereit, auch mit der Türkei und anderen Ländern, Nachbarstaaten und Kandidaten zusammenzuarbeiten“, sagte Innenminister Neoklis Sylikiotis kürzlich beim Treffen der EU-Innenminister in Kopenhagen. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte davor angekündigt, er werde die Beziehungen zur Europäischen Union auf Eis legen, solange Zypern die EU-Ratspräsidentschaft innehat.

Sylikiotis gab zu, dass die fehlende Anerkennung durch die Türkei ein Problem darstelle. Zugleich kritisierte er den EU-Beitrittskandidaten Türkei mit deutlichen Worten: „Du kannst nicht Kandidat sein für die EU und auf der anderen Seite einen von 27 Mitgliedsstaaten nicht anerkennen. Das geht nicht.“ Die Spannungen hatten sich zuletzt durch einen Streit über Gasvorkommen vor der Mittelmeer-Insel verschärft.

Seit 1974 geteilt

Zypern ist seit 1974 geteilt. Im Norden liegt die nur von Ankara anerkannte „Türkische Republik Nordzypern“, im Süden die Republik Zypern, die die ganze Insel international vertritt und Mitglied der EU ist. Die Türkei hat im Norden der Insel - einem Drittel des Staatsgebietes - rund 35.000 Soldaten stationiert. Ein UNO-Plan zur Wiedervereinigung wurde 2004 nur wenige Tage vor dem EU-Beitritt von den griechischen Zyprioten im Süden in einem Referendum mit breiter Mehrheit abgelehnt, die Lage ist seither festgefahren.

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