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Zeit für Diplomatie wird knapp

Der Iran sollte nach Überzeugung von UNO-Vermittler Kofi Annan ungeachtet politischer Widerstände im Westen in die Suche nach Frieden für Syrien eingebunden werden. „Ich habe klargemacht, dass der Iran Teil der Lösung sein sollte“, sagte der Sonderbeauftragte von UNO und Arabischer Liga für Syrien am Freitag in Genf.

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Annan sagte, er arbeite intensiv mit verschiedenen wichtigen Regierungen an einem Treffen der von ihm angeregten Syrien-Kontaktgruppe am 30. Juni in Genf. Eine der dafür noch zu überwindenden Schwierigkeiten sei die Zusammensetzung dieses Gremiums. Während Russland ebenso wie Annan für die Einbeziehung des Iran neben Saudi-Arabien ist, lehnen die USA das bisher vehement ab.

Annan warnte, dass die Zeit für eine diplomatische Lösung des Syrien-Konflikts auslaufe. „Ich fürchte, wir nähern uns dem Tag, an dem es zu spät sein wird, um noch zu verhindern, dass diese Krise außer Kontrolle gerät“, sagte er. Der Konflikt droht nach seiner Überzeugung rasch auf die ganze Region überzugreifen, wenn „einflussreiche Mächte“ nicht entschlossen für Frieden sorgen. Ein härteres Vorgehen der Weltgemeinschaft gegen das syrische Regime scheitert bisher vor allem an Russland und China.

Veto für Syriens Olympiachef

Der Chef des Nationalen Olympischen Komitees von Syrien, General Mowaffak Joumaa, darf unterdessen nach Informationen der BBC nicht zu den Olympischen Sommerspielen nach London reisen. Sein Antrag auf ein Visum sei abgelehnt worden. Joumaa unterhalte zu enge Beziehungen zum Regime von Präsident Baschar al-Assad. Das Innenministerium in London wollte den Vorgang zunächst nicht kommentieren. „Wir nehmen nicht zu individuellen Fällen Stellung“, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur dpa.

Beschuss von Protesthochburgen geht weiter

Nach einem der blutigsten Tage seit Beginn des Aufstands in Syrien setzte die Armee ihre Angriffe auf Protesthochburgen im Land auch am Freitag mit aller Härte fort. Die Streitkräfte nahmen Menschenrechtsaktivisten zufolge Ziele in Daraa, Idlib und Homs unter Beschuss, nachdem am Donnerstag landesweit rund 170 Menschen getötet worden waren.

Bei den anhaltenden Kämpfen wurden am Freitag nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mindestens 52 Menschen getötet. Im südlichen Daraa seien eine Frau getötet und mehrere Zivilisten verletzt worden, zudem habe es dort bei einem Angriff von Rebellen auf einen Stützpunkt der Regierungstruppen mehrere Opfer gegeben.

26 Regierungsanhänger getötet

Weitere 26 Regierungsanhänger wurden demnach in der Region Aleppo getötet, als ihr Konvoi in einen Hinterhalt geriet. Das syrische Staatsfernsehen machte wie immer „terroristische Gruppen“ für das „barbarische Massaker“ verantwortlich, bei dem „mehr als 25 Bürger erschossen und verstümmelt“ worden seien.

Dramatisch war am Freitag auch weiter die Lage in Homs. Die Bewohner seien in der Stadt eingeschlossen, sagte ein Sprecher des UNO-Büros für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA). Sowohl dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) als auch dem Syrischen Roten Halbmond sei es nicht möglich, in die Stadt vorzudringen. Bereits am Donnerstag waren zwei Versuche gescheitert, Verletzte herauszubringen.

70 Prozent der Infrastruktur von Homs sind Aktivisten zufolge inzwischen zerstört. Die Stadt sei fast leer, der Rest der Bewohner versuche zu fliehen. Das IKRK vermutet noch Hunderte Menschen, die in der Altstadt eingeschlossen sind.

Neue syrische Regierung ernannt

Unterdessen ernannte Assad am Samstag per Dekret eine neue Regierung, der ausschließlich loyale Genossen aus der Baath-Partei und alte Gefolgsleute angehören. Querdenker und Reformer finden am Kabinettstisch von Ministerpräsident Rijad Hidschab keinen Platz. Das Staatsfernsehen meldete am Samstag, Walid al-Muallem werde weiterhin Außenminister bleiben. Auch Verteidigungsminister Daud Radschha und Innenminister Ibrahim al-Schaar bleiben im Amt. Der frühere Landwirtschaftsminister Hidschab, der schon Anfang des Monats von Assad zum neuen Regierungschef bestimmt worden war, gilt ebenfalls als „Falke“.

1,5 Mio. Syrer brauchen Hilfe

Die Situation im Land verschärft sich allerdings immer weiter: Laut UNO benötigen bis zu 1,5 Millionen Syrer humanitäre Hilfe. Ende März habe die Zahl noch bei einer Million Menschen gelegen. Die humanitäre Lage verschlechtere sich zunehmend. In Absprache mit den syrischen Behörden wurde die Einrichtung von vier Drehkreuzen für humanitäre Hilfe arrangiert. OCHA zufolge flohen bereits 86.000 Syrer in die Nachbarstaaten Jordanien, Irak, Libanon und Türkei.

Erste Auflösungserscheinungen?

Nach der Flucht eines syrischen Kampfpiloten mit seinem Flugzeug am Donnerstag nach Jordanien forderten die USA und Frankreich weitere Mitglieder der syrischen Armee zum Desertieren auf. Der US-Botschafter in Damaskus rief die Soldaten auf, die Regierung Assads nicht länger zu unterstützen. Ein Sprecher des französischen Außenministeriums erklärte, Frankreich begrüße die Flucht des Kampfpiloten und rufe die Sicherheitskräfte auf, „den kriminellen Anordnungen der Regierung in Damaskus“ nicht länger Folge zu leisten.

Waffenfrachter wieder nach Syrien?

Der am Dienstag in britischen Gewässern umgekehrte Frachter „Alaed“ könnte sich indes wieder auf den Weg nach Syrien machen. Das Schiff, das von Russland reparierte Kampfhubschrauber für Syrien an Bord hat, werde am Samstag nach Murmansk im Norden Russlands zurückkehren und könne dann erneut nach Syrien aufbrechen, berichtete die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf einen Diplomaten. Demnach soll der Frachter von einem zivilen Schiff begleitet werden, um „Unannehmlichkeiten“ zu vermeiden.

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